Der zweite Killer. Hansjörg Anderegg

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Der zweite Killer - Hansjörg Anderegg

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Stichwort Mord fiel die Maske des hartgesottenen Ganoven. Blankes Entsetzen starrte ihr entgegen. Er vergaß die Anwälte und begann zu reden. Seine Intelligenz reichte aus für die Einsicht, den Handel mit Drogen nicht weiter zu leugnen. Eddie Jones hatte ihn beim Dealen auf dem Parkplatz seines Wohnblocks erwischt und ihm selbst einen Deal angeboten. Anstatt ihn anzuzeigen oder windelweich zu klopfen, gab er sich mit einer Tüte Gras zufrieden und dem Versprechen, hin und wieder für Nachschub zu sorgen und die Kids im Block in Ruhe zu lassen.

      »Und sie sind darauf eingegangen?«, fragte Chris leicht verwundert.

      Er lachte bitter auf. »Wenn du so eine Klaue an der Gurgel hast, gehst du auf jeden Deal ein.«

      »Er hat sie also erpresst?«

      »Schwachsinn. Er hat mich nicht kalt gemacht, so sehe ich das. Der Kerl ist – war brandgefährlich. Ein falscher Blick, und du bist Geschichte.«

      »Sein Tod kommt Ihnen also sehr gelegen.«

      »Ich habe nichts mit seinem Tod zu tun, verfluchte Scheiße!«

      Chris glaubte es ihm aufs Wort. Ein Elitesoldat wie Eddie Jones stellte solche Angeber ruhig, bevor sie »Leck mich« sagen konnten.

      »Warum soll ich meine Kunden umbringen?«, fuhr er atemlos fort. »Er hat ja sogar angefangen, mich zu bezahlen.«

      »Ach, das ist ja nett, und deshalb haben Sie ihm das Gras sogar ins alte Asylheim geliefert?«

      Er erschrak. Es arbeitete lange hinter seiner Stirn, bis er zugab, einmal am Asylheim gewesen zu sein. Die Hautschuppen, dachte Chris erleichtert. Der Bluff wirkte. Die letzte Begegnung mit Eddie Jones fand zwei Tage vor der Tat statt. Sie saß nicht dem Täter gegenüber, so viel stand endgültig fest. Aber der Dealer hatte beobachtet, wie Eddie Jones in der Bauruine verschwand.

      »Ich glaube, der hat da irgendwo im verdammten Keller gewohnt«, sagte er.

      Es war seine letzte Aussage, die Chris aufnahm. Nach kurzem Disput mit Staatsanwältin Winter überstellte sie ihn an die Kollegen von der Drogenfahndung.

      Eine Stunde später wusste sie, wo Eddie Jones seine letzten Tage und Nächte verbracht hatte. Das angesengte Arzneirezept und die Reste einer Packung Neomycin in der kalten Asche des Kohleofens im alten Asylheim sprachen eine deutliche Sprache. Der Name des Arztes und seine Unterschrift waren gut auf dem Rezept zu lesen: 1st Lt. Matt Fisher, MD, LRMC. Verblüfft betrachtete sie das Datum. Das Rezept war erst vor einem Monat ausgestellt worden.

      Basislager

      Mitternacht war vorbei. Fast alle Lichter am Ufer waren erloschen. Sein Schlauchboot, nicht mehr als ein grauer Fleck im schwarzen Fluss, trieb geräuschlos auf die Böschung zu. An der Anlegestelle herrschte beinahe totale Finsternis, ideal, um unbemerkt ins Basislager zu gelangen. Nicht zuletzt deswegen hatte er diese Wohnung vor Jahren instinktiv ausgewählt. Manche Dinge verlernt man nie. Er brauchte kein Licht. Das Nachtsichtgerät an seinem Helm machte die Nacht zum Tag. Kein Nachbar, kein zufälliger Passant würde eine verdächtige Bewegung im Basislager entdecken.

      Wohnschlafzimmer und Kochnische waren bereits geräumt. Trotzdem durchstreifte er noch einmal die Zimmer, um sicher zu sein, nichts Wichtiges übersehen zu haben. Eine unnötige Vorsichtsmaßnahme in diesem Teil der Welt, aber Afghanistan hatte ihn gelehrt, dass jede vergessene Colaflasche den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten konnte. Die Sporttasche stand auf dem Klosettdeckel bereit für die neue Mission. Er schob den Schrank neben der Dusche beiseite und löste das Stück Wandverkleidung, um an die Kiste mit seiner Ausrüstung zu gelangen. Die Kontrolle verlief schnell und automatisch, dank der Checkliste, die sich seit dem ersten Einsatz in sein Gehirn eingebrannt hatte.

       Papiere, Bargeld: check.

       Taschenlampe aufgeladen: check.

       Messer, die Winkler fixed-blade, kein unzuverlässiges Stellmesser-Spielzeug für Amateure: check.

       Bolzenschneider bis 1.5 cm: check.

       Gerber Flik Universalwerkzeug, Verbandszeug, zwei Aderpressen, Wasser, Nachos: check.

       Beretta, Schalldämpfer, 45 Schuss, M4 Karabiner, 30 Schuss mit Ersatzmagazin: check.

      

      Die Maschinenpistole in seiner Hand lähmte ihn für einen Augenblick. Das Brummen des Humvees in den Ohren, den Staub des ausgetrockneten Flussbetts in der Nase, erwartet er jeden Moment den Blitz und den dumpfen Knall der Tellermine. Brennende Trümmer des vorderen Jeeps regnen auf die Grupe herab. Zwei Kameraden fallen. Einer hat Glück. Er verliert nur die Beine.

      Seine Hand zitterte. Er ließ den Karabiner in die Tasche fallen und wischte sich den kalten Schweiß von der Stirn. Unbemerkt, wie er gekommen war, verließ er das Basislager zum letzten Mal. Er ließ das Boot eine Weile den Fluss hinunter treiben, bevor er den Motor startete. Ohne einen Blick zurück verschwand er in der Dunkelheit.

      Berlin

      Eine zweite, senkrechte Falte bildete sich auf Staatsanwältin Winters Stirn.

      »Was versprechen Sie sich davon? Uns sind die Hände gebunden. Beim Grenzzaun des amerikanischen Lazaretts hört unsere Staatsmacht auf. Das ist Ihnen doch bewusst?«

      Chris zuckte mit den Achseln. »Der Termin bei Dr. Fisher steht fest. Er hat vor einem Monat das vielleicht letzte Antibiotikarezept für unser Mordopfer ausgestellt. Grund genug, mich mit dem Herrn zu unterhalten, finden Sie nicht? Ich brauche nicht zu betonen, dass Dr. Fisher bisher die einzige Verbindung zu Eddie Jones ist, die uns vielleicht Hinweise auf den Täter liefert.«

      Die Staatsanwältin wandte sich kopfschüttelnd ab. »Wenn Sie das vermasseln, kann Ihnen auch Herr Oberstaatsanwalt Dr. Richter nicht mehr helfen.«

      Daher stammte also Winters latente Abneigung ihr gegenüber. Der einflussreiche Oberstaatsanwalt Dr. Richter hieß bei ihr Hendrik, seit er mehr oder weniger durch Zufall ihr Trauzeuge geworden war. Falls die Winter glaubte, sie spiele diese Karte … Sie spürte, wie die Adern an den Schläfen anschwollen, doch es blieb keine Zeit, sich angemessen zu ärgern. Jamie rief an, und er klang noch aufgeregter.

      »Du musst sofort herkommen! Es ist – for God‘s sake – es ist einfach unglaublich.«

      »Was ist geschehen? Bist du O. K.?«

      »Du musst herkommen. Das musst du sehen!«

      »Verrätst du mir wenigstens, wohin ich kommen soll?«

      Aufgrund der Baustellen entschied sie sich für die S-Bahn. Es dauerte dennoch geschlagene fünfzig Minuten, bis sie das Büro im Robert-Koch-Institut betrat. Jamie und sein Kollege, der Immunologe Arne Schulz, empfingen sie mit versteinerten Gesichtern.

      »Mein Gott, du siehst aus, als wäre dein Auflauf kollabiert.«

      »Chris, das ist nicht lustig.«

      »Können wir bitte zur Sache kommen?«, warf Dr. Schulz ein. Er wandte sich an sie. »Ihre Probe aus der Pathologie enthält gram-negative Bakterien.«

      »Ich weiß.«

      »Was sie allerdings nicht wissen: Es handelt sich um einen bisher

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