Staatsfeinde. Hansjörg Anderegg

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Staatsfeinde - Hansjörg Anderegg страница 18

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Staatsfeinde - Hansjörg Anderegg

Скачать книгу

sie lachend beim Hinausgehen.

      »Dr. von der Lippe«, meldete die Dame am Empfang eine Minute nach acht Uhr, dem offiziellen Arbeitsbeginn.

      Das Erscheinen des Bereichsleiters ›Global External Affairs‹ vom Verband Deutscher Automobilindustrie war so sicher wie das Amen in der Kirche. Ein leichtes Kopfnicken genügte, um Greta herbeizurufen. Gemeinsam erwarteten sie den Stammkunden der PR-Agentur Stein im Sitzungszimmer. Die Aussicht auf einen fetten Deal war ebenso spektakulär wie die aus den Fenstern, die vom Boden bis zur Decke reichten und vorgaben, gar nicht da zu sein. Der Eindruck, zu fliegen, trug nicht unwesentlich zum Erfolg seines Geschäfts bei, war er überzeugt. Die großen Verträge wurden stets in diesem luftigen, lichtdurchfluteten Glaskasten hoch über der Stadt abgeschlossen. Hier fühlte sich der Kunde schwerelos, abgehoben, genau richtig für die teuren Kampagnen.

      »Horst, was für eine unerwartete Freude am frühen Morgen«, begrüßte er den Lobbyisten.

      Von der Lippe gab beiden wortlos die Hand. Er wirkte nervös, verärgert. Small Talk war gestrichen an diesem Morgen. Dennoch versuchte John, die Stimmung aufzulockern.

      »Ein Gläschen von deinem Speziellen?«, fragte er. »Du weißt, für dich halten wir immer eine Flasche auf Eis.«

      Von der Lippe winkte ab. »Nee, lass mal, bin nicht in der Stimmung.«

      Die Stimmung war das Problem, nicht die Tageszeit, die keine Rolle spielte beim Verkosten seines Lieblingssekts. Von der Lippe knallte die neue Ausgabe der Bild-Zeitung auf den Tisch. DAS VOLK SAGT NEIN!, bedeckte in fetten Lettern die halbe Frontseite. Bilder vom Massenauflauf vor dem Reichstag und von brennenden Autos zierten den Rest der Seite.

      »Das ist unser verdammtes Todesurteil«, schimpfte er dabei. »Ihr wisst, wovon ich spreche.«

      »Du glaubst doch sonst auch nicht, was in der Bild steht«, antwortete er lachend.

      Er kannte Horst von der Lippe lange genug, um den lockeren Spruch zu wagen. Sein Klient schob das Kinn vor.

      »Ich bin nicht für deine lahmen Scherze schon morgens um sieben im Stau gestanden, John. Meine Industrie hat ein Riesenproblem, wenn die Verhandlungen jetzt eingestellt werden. Es geht hier um Hunderttausende Arbeitsplätze. Das solltest du den Idioten da draußen mal klarmachen, denen die Engel das Hirn vernebelt hat.«

      »Wir verstehen Ihre Sorge vollkommen, Herr von der Lippe«, lenkte Greta ein, »und wir nehmen sie ernst – wie immer.«

      »Das will ich verdammt noch mal auch hoffen. Es geht schlicht um die Existenz der deutschen Automobilindustrie, Leute. 250 Milliarden Euro Umsatz stehen auf dem Spiel. Der Export in die USA stockt, Lateinamerika ist krank. Wir brauchen einen massiven Zuwachs in den asiatischen Märkten. Wir müssen China mit unseren Qualitätsprodukten überschwemmen, sonst geschieht bald das Umgekehrte.«

      Er übertrieb gerne etwas, wenn es ums Wohl seines Arbeitgebers ging. Dennoch stimmte John ihm in diesem Fall zu. Er selbst reagierte wohl ähnlich, steckte er in dessen Haut. Es konnte nichts Gutes für die Automobilindustrie bedeuten, wenn die Regierung aus Angst vor den nächsten Wahlen nun den Schwanz einzog und die Hände in den Schoß legte nach dem Motto: Wer nichts tut, macht nichts falsch.

      »Wir führen zwar die besten PR-Kampagnen durch«, sagte Greta mit schiefem Lächeln, »die Regierung umzustimmen, dürfte aber selbst uns schwerfallen.«

      »Auch da muss ich leider zustimmen, Horst«, bekräftigte er Gretas Meinung. »Die Kampagne der Gegner jeglichen Freihandels und mit China insbesondere hat eine Eigendynamik erreicht, die kaum mehr zu stoppen ist.«

      Von der Lippe sah ihn böse an. »Wollt ihr mich eigentlich loswerden oder einfach nur den Preis hochtreiben? Ihr müsst mir nicht erklären, wie schwierig das Unterfangen ist. Euer Job ist es, dafür zu sorgen, dass die Stimmung im Volk kippt und die Gegner des Freihandels endlich ihre verfluchte Klappe halten. Schafft ihr das?«

      Diese Entwicklung des Gesprächs war absehbar gewesen. Sie wussten beide genau, was sie darauf antworten mussten, legten aber eine Kunstpause ein, um der Antwort das nötige Gewicht zu verleihen. Schließlich sagte Greta mit ernstem Gesicht:

      »Eine solche Kampagne wird dauern und dementsprechend teuer, Herr von der Lippe, und es gibt keine Erfolgsgarantie.«

      »Den Scheiß höre ich jedes Mal«, gab er unwirsch zurück. »Bisher hat es stets geklappt, sonst säße ich jetzt nicht hier.«

      »O. K., Horst«, sagte John nach einer weiteren Pause gedehnt. »Wir arbeiten eine Offerte aus. Zwei Varianten, wie üblich.«

      »Es eilt!«

      »Ich weiß, Horst. Trotzdem brauchen wir Zeit, um so eine große Sache seriös anzugehen. Wir dürfen uns keine Fehler leisten und du auch nicht. Die Stimmung im Volk ist äußerst aufgeheizt. Dein Kollege Scholz …«

      »Scholz!«, unterbrach von der Lippe ärgerlich. »Man soll nicht schlecht über Tote reden, aber der hat nun wirklich alles verbockt, was man als Lobbyist verbocken kann. Wir hätten ihn schon viel früher aus dem Verkehr ziehen müssen.«

      »Ihr werdet doch nicht …«

      Er wagte den Gedanken nicht auszusprechen. Horst klopfte ihm kameradschaftlich auf die Schulter und brachte gar ein Grinsen zustande.

      »Komm wieder runter, John. Wir sind doch nicht die Mafia.«

      »Guten Tag, Phil«, grüßte das Sicherheitsschloss am Drehkreuz zur verbotenen Zone eine Etage unter John Steins Büro.

      Außer dem Chef und seinem blonden Gift mit dem bösen Blick hatten nur er und Kollegin Leni Kraus Zugang. Leni saß im Cockpit vor der Wand aus großen Monitoren. Kein natürliches Licht störte die Arbeit in diesem ovalen Hochsicherheitsbereich im Kern der 38. Etage. Dennoch schimmerte Lenis rotes Haar und strahlte eine Wärme aus, die nicht zur unterkühlten Technik passen wollte, die sie umgab. Sie arbeiteten in einer künstlichen Gebärmutter, zwei verlorene Keimlinge. Ihm gefiel das. Sie sprang sofort auf, als er eintrat.

      »Phil!«

      Es war ihre gewohnte Art, ihn zu begrüßen, jeden Tag, freudig, als hätten sie sich lange nicht gesehen. Peinlich genau hielt sie den Abstand von einem Schritt ein, um ihm nicht die Luft abzuschneiden. Leni Kraus war nicht nur eine disziplinierte, zuverlässige Programmiererin. Leni war auch ein gutes Mädchen. Vielleicht sollte er ihr das eines Tages sagen. Wie gewohnt erwiderte er den Gruß mit freundlichem Kopfnicken. Der Sprechapparat blockierte, sobald sein Blick die Information auf den Bildschirmen erfasste. Ohne Anstrengung verschaffte er sich sofort den Überblick. Die News blendete er aus. Mehr als einige Schlagzeilen zu konsumieren lohnte sich nicht, da konnten die TV-Anstalten noch so viele Sondersendungen einschalten. Im Moment war einzig sein Projekt wichtig. Alles andere ging den gewohnten Gang, wie die Displays bestätigten.

      »Nicht viel los heute«, klagte Leni.

      Der Becher mit kaltem Wasser stand bereits neben den Tastaturen, als hätte sie sein Kommen vorausgeahnt. Sie fragte nicht nach dem Grund für das späte Erscheinen kurz vor Mittag. Gutes Mädchen, ging ihm wieder durch den Kopf. Er verspürte nicht die geringste Lust, überhaupt nur an den verlorenen Vormittag zu denken. Bereits zum dritten Mal hatte ihn dieser unmögliche Kommissar Fischer zur Nacht der Morde in Aachen vernommen. Zum dritten Mal hatte er dieselben Fragen gehört. Zum dritten Mal hatte er ihm wortwörtlich dieselben Sätze an den Kopf geworfen. Zum dritten Mal wäre er fast gestorben, erstickt in der giftigen Atmosphäre voller

Скачать книгу