Im Auto um die Erde. Max Reisch
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Nebenan kann man in kleineren Gemächern prachtvoll in Leder und Metall gebundene Bücher und Schriften bewundern, Sammlungen von Miniaturen, Schmuck und Specksteinschnitzereien.
Ganz benommen noch von dem Gesehenen, lassen wir uns draußen unter einem Aprikosenbaum nieder, dessen Zweige sich unter der Last der Früchte tief herunterbiegen. Der Perser, der uns begleitet, lädt mit einer Handbewegung zum Essen ein. Und sicher war es ganz im Sinn des Dichters, wenn wir angesichts seines zauberhaften Grabmals ein wenig von des Lebens Köstlichkeiten genossen. Er war sich der Vergänglichkeit aller Dinge sehr bewusst, aber gerade darum trachtete er, sie in vollen Zügen auszukosten, und seiner Liebe zum Wein danken die östlichen Sänger so reizende Verse wie diese:
»Ihr wisst, o Freunde, lange schon bedacht,
ward neu ein Hochzeitsfest bei mir gemacht:
Vernunft, die dürre, bannt’ ich aus dem Bett
und hab’ des Weinstocks Tochter hingebracht!«
Die Oase blühender Schönheit bleibt hinter uns und wieder umfängt uns die Wüste in ihrer einzigartigen Öde. Schon seit Tagen ist der Himmel bleiern grau und eine dicke, schwere Nebelschicht scheint sich beklemmend auf die Lungen zu legen. Ist es überhaupt Nebel? Nicht an die Sprüche der Dichter, wohl aber an die Worte der Bibel müssen wir jetzt denken: »Und die Sonne verdunkelte sich …« Genauso geschieht es, als der Nebel sich nun als aufgewirbelter Sand entpuppt, der pfeifend und singend über die Steppe jagt. Urplötzlich ist der Sturm gekommen, wir haben kaum noch Zeit, das Dach überzuziehen und die Seitenteile einzuhängen.
In unregelmäßigen, wirbelnden Stößen umheult der Sturm das einsame Fahrzeug in der weiten Wüste. Böen packen es an und wollen es zur Seite schleudern. Fest müssen die Hände das Lenkrad umklammern. Langsam füllt sich unsere Kabine mit Staub, der durch alle Ritzen dringt. Es gibt keinen Schutz gegen den feinen Wüstensand. Wir sind um die Film- und Photoapparate besorgt. Was wird das wieder für Überraschungen geben! Dem Vergaser wird es zu dumm, er beginnt trotz der Filter zu streiken. Mit viel Gas und gleichzeitigem Auskuppeln versuche ich immer wieder, ihm Leben einzuhauchen. Armer Motor, wie viel Staub bekommst du zu schlucken! Aber wir können die Nacht nicht hier in dieser Einöde verbringen und setzen trotz der tobenden Naturgewalten die Fahrt langsam fort. Noch immer zeigt sich kein Dorf, keine Karawanserei. Nur verlassene Ruinen ehemaliger Unterkünfte, die durch den Autoverkehr überflüssig geworden sind.
An ein Übernachten im Freien ist nicht zu denken. Wir müssen so bald als möglich ein schützendes Dach erreichen, um uns und den Wagen vor dem peitschenden, beißenden Sand zu sichern. Also weiter!
Welche Windstärke unserem Sturm zukommt, kann ich nicht sagen, aber die Windsbraut fasst den Wagen und wirft ihn oft mehrere Meter zur Seite, ohne dass die Hände am Steuer auch nur die leiseste Drehung gemacht hätten.
Sand und Salzstaub prasseln gegen die Scheiben. Im Lichtkegel der Scheinwerfer funkeln Tausende von Salzkristallen, die der wütende Sturm uns entgegenpeitscht. Heftiges Jucken wird durch Salz und Staub hervorgerufen – aber sonst ist es im Wagen ganz gemütlich. Der Rauch süßer persischer Zigaretten erfüllt die Kabine und erzeugt sogar ein gewisses Behagen. Soll doch der Sturm rasen, uns kann kaum etwas geschehen. So schlimm wird es auch mit dem Versanden der Kameras nicht sein. Gelesen hat man ja allerhand über solche Dinge, aber – na ja.
Der Wagen bahnt sich seinen Weg durch Wind und Nacht. Die Gedanken aber eilen zurück: Ich entdecke mich dabei, wie ich eine Hand löse und das Steuerrad tätschle: guter, treuer Weggefährte! Fünftausend Kilometer waren seine Reifen schon über spitzes Geröll und heißen Sand in Asien gelaufen und nicht einmal einen »Plattfuß« verzeichnet das genau geführte Bordbuch.
»Erstaunlich, welches Glück wir haben!«, sage ich zu Helmuth.
Das hätte ich nicht tun sollen. Kaum ist der Satz zu Ende, poltert und stößt es, der Wagen rollt auf der Felge.
»Das ist ja lustig«, meint Helmuth. Wir rauchen die Zigarette noch ruhig zu Ende, auf ein paar Minuten kommt es nicht an. Dann aber heraus! Der Sturm reißt uns fast zu Boden. Schwarze Nacht breitet sich um uns. Zum Überfluss ist der Absuchlampe kein Fünkchen zu entlocken. Ich setze den Wagenheber unter die Achse, schraube und schraube; aber der Wagenheber versinkt im Sand. Helmuth bringt ein Brett, jetzt hebt sich der Wagen, das Rad wird frei. Der salzige Sand peitscht gegen unsere Gesichter, läuft unter dem Hemd den Rücken hinunter. Schweiß mischt sich dazu. Die Augen schmerzen und triefen, als wir nach einer halben Stunde das Rad gewechselt haben und in den Wagen zurückklettern.
Weiter! Mit neuer Kraft stemmt sich der willige Motor gegen die feindliche Natur und spät, spät nachts fahren wir endlich in einen Ort, in eine geschützte Karawanserei ein.
Der nächste Reisetag bringt eine erfreuliche Abwechslung. Wir besuchen mit einer Empfehlung des Hauptbüros der Anglo-Iranian Oil Company in Teheran Abdul Hussein, den Benzinagenten dieser Gesellschaft in Nischapur. Ein Polizist bringt uns zu einem unscheinbaren Haus. Und wieder erleben wir wie bei Omar Chajjams Grabmal das Wunder, dass sich hinter öden, ausgedörrten Lehmmauern ein wahres Paradies verbirgt. Wasser plätschert, Blumen leuchten und duften. Der Hof ist von einer Säulenreihe umsäumt. Wider Erwarten gelangen wir in einen kleinen Palast.
Ein Diener bietet uns Platz an, wir übergeben ihm unsere Karten. Vorsorglich sind sie englisch, französisch und arabisch gedruckt. Es dauert nicht lange und der dienstbare Geist kommt zurück: Abdul Hussein lässt bitten. Wir treten ins Innere des Hauses. Der Hausherr erhebt sich von seinem Sitzkissen hinter dem niedrigen Rauchtisch. Sorgfältig studiert er den an ihn gerichteten Empfehlungsbrief. Das Schreiben ist der Länge nach in zwei Hälften geteilt: Auf der linken steht der englische, auf der rechten der persische Text. Auch dieser ist mit der Schreibmaschine abgefasst.
Abdul Hussein führt uns auf die Terrasse hinaus und wir nehmen in bequemen Stühlen nach westlicher Art Platz. Obwohl wir von stundenlanger Fahrt reichlich verstaubt sind, wagen wir doch nicht, um Wasser zu bitten, denn vorerst muss der unvermeidliche Begrüßungstee getrunken werden, der in winzigen Gläsern dargeboten wird.
Vor uns lockt der große Teich zu einem Bad, kaum können wir der Versuchung widerstehen, uns hineinzustürzen, um den Wüstenstaub vom Körper zu spülen. Herrlich wäre es – aber es ist unmöglich. »Wenn ich mir wenigstens die Hände waschen könnte«, stöhne ich zu Helmuth hinüber. Er blickt auf seine verstaubten Hände und Arme, über die der Schweiß schmutzige Rillen gezogen hat. Das Haar klebt an der Stirne, der Staub juckt auf der Kopfhaut. Körperliches und auch seelisches Unbehagen erfüllt uns, während wir immer neue Schalen Tee in uns hineingießen müssen.
Ein Diener bringt die Wasserpfeife. Verfluchtes Ding, denke ich, während