Im Auto um die Erde. Max Reisch
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An ihre Bewohner denken wir hier angesichts der leuchtenden Weite von Meschhed – was müssen erst solche Leute an dieser Stelle empfinden! Langsam rollen wir hinunter und auch uns fällt es nicht schwer, uns wie im Paradies zu fühlen. Gartenanlagen überall, die Straßen feucht und staubfrei, an ihren Seiten mächtige, schattenspendende Bäume.
An einem hübschen, gepflegten Haus lesen wir die Inschrift »British Consulate«. Sehr gut – in der nächsten Karawanserei werden wir uns rasieren und umziehen und dann dem Herrn Konsul unsere Aufwartung machen. Unsere Einreisevisa für Indien müssen ohnehin überprüft werden und außerdem – der englischen Überwachung würden wir ja doch nicht entgehen. Ich muss zugeben, dass sie auf eine außerordentlich diskrete und angenehme Weise durchgeführt wird. Mr. Humber, der Konsul, ist über unsere Reise, über Zweck und Ziel selbstverständlich schon genau unterrichtet. So wie er sie bekommen hat, wird er die Information an seine Kollegen in den nächsten Städten weitergeben. Und genau wie von seinen anderen Kollegen erhalten wir auch von ihm sofort eine Einladung zum Tee, wo man bekanntlich am besten und ganz zwanglos dem Gast auf den Zahn fühlen kann.
Wir wissen schon, dass die vielen offiziellen Einladungen, die wir auf unserer Fahrt von amtlichen Stellen und Konsulaten erhalten, kein Anlass sind, sich besonders geehrt zu fühlen. Manches lichtscheue europäische Gesindel, Abenteurer, auch politische Agenten, treiben sich in Asien herum und es ist daher verständlich, dass jeder Europäer erst einmal gründlich unter die Lupe genommen wird.
Woher? Wohin? Warum? Das interessiert anscheinend nicht nur die Vertreter der europäischen Behörden, sondern auch die Ortsgewaltigen. Denn kaum sind wir mit Mr. Humber bei einer Tasse Tee richtig ins Gespräch gekommen, als ein Polizeibeamter erscheint. Wir haben es unterlassen, uns sofort nach der Ankunft bei der Polizei zu melden – ein arger Verstoß gegen die sehr strikten persischen Vorschriften! Mr. Humber redet uns zu: »Gehen Sie lieber gleich mit, sonst haben Sie nur Schwierigkeiten!«
Ungern unterbrechen wir die gemütliche Teestunde und müssen Mrs. Humber versprechen, morgen wiederzukommen, um das Erlebnis mit den lockenden Früchten bei Abdul Hussein fertig zu erzählen. Auf der Polizei werden wir einem langen Verhör unterzogen und endlich wieder entlassen. Die Pässe behält man zurück.
Im Büro der Anglo-Iranian Oil Company gibt man uns einen Führer zur Besichtigung der Stadt mit. Die berühmte Moschee Imam Risas wollen wir unbedingt sehen und vielleicht auch eine Aufnahme machen. Menschenmassen stauen sich vor den Toren, bunt mischen sich Trachten aus Luristan und Usbekistan, aus Anatolien und Bachtiarien durcheinander. Alles stößt und drängt vorwärts zum Eingang der Moschee.
Ich frage Dschämschid, unseren Führer: »Glaubst du, dass wir hineindürfen?«
»Ausgeschlossen! Selbst in Verkleidung würdet ihr entdeckt werden. Und dann …«
Was dann wäre, wird uns klar, als wir der misstrauischen und bösen Blicke gewahr werden, die uns die Pilger zuwerfen. So richtig unbehaglich fühlen wir diese Blicke, auch von rückwärts scheinen sie uns durchbohren zu wollen, fragend, was wir hier zu suchen haben. Von allen Seiten sind wir umgeben von Gläubigen, die von fern hergekommen sind, um zum großen Gott der Wüste und zu seinem Propheten zu beten.
»Auch wenn ihr unerkannt hineingelangen würdet, so würde euch Mohammed Imam Risa, der Schutzpatron der Moschee, auf seine Art noch prüfen. In der Moschee ist ein Stein, nicht schwer, jeder kann ihn aufheben, wenn er gläubig ist! Da ihr das nicht seid, könntet ihr den Stein nicht heben und wäret verraten …«
Nein, solchen Prüfungen wollen wir uns lieber nicht unterziehen. Aber die große Pilgerschar vor der Moschee im Bild festzuhalten, das kann doch den Zorn des Propheten nicht entflammen?
Dschämschid glaubt, dass wir es wagen können. Wir ziehen uns etwas aus der wogenden Masse zurück bis unter einen der Bäume, die den großen Platz einfassen. Von hier können wir die vielen Menschen und die Moschee übersehen. Mächtig ragen das große Hauptportal und die Minarette gegen den Himmel. Blau und gelb glasierte Kacheln spiegeln das Sonnenlicht. Eine elektrische Uhr von riesigen Ausmaßen ziert das Portal. Sie wirkt wie ein Faustschlag gegen asiatische Zeitlosigkeit.
Helmuth hebt seine Kamera, will abdrücken und fährt erschreckt zusammen: »Aks! Aks!«, brüllt es von allen Seiten. Überall gellen die Rufe: »Bild! Bild!« Die Menge stößt drohend gegen uns vor. Aber schon sind die drei Polizisten zur Stelle, die uns die ganze Zeit beobachteten und scheinbar nur auf einen Zwischenfall gewartet haben. Der erste sagt mit finsterer Miene kurz angebunden »Chavaz«, Helmuth reicht ihm den Ausweis, die unerlässliche Photographiererlaubnis, hin. Der Brave kann aber leider nicht lesen, denn er hält das Schreiben verkehrt und tut nur so, als würde er es durchstudieren. Helmuth dreht freundlich den Chavaz um und zeigt mit dem Finger auf den Anfang der Schrift. Das war ganz falsch, denn jetzt hat er den Polizisten beleidigt! Er packt Helmuth unsanft am Arm und zu dritt machen sie sich daran, ihn abzuführen. Die Menge brüllt vor Begeisterung und zieht in Scharen hinterdrein.
Bis zu dem kleinen Polizeigebäude darf ich Helmuth begleiten, dann wirft man mir die Tür vor der Nase zu und es bleibt mir nichts übrig, als zum englischen Konsul zu fahren. Der Konsul war nicht da, der Konsul spielte Golf.
Weit draußen in der Wüste fand ich ihn. Er war erst beim vierten Loch angelangt, kam aber bereitwillig mit. Helmuth wurde, wie er später erzählte, in einen Hof gebracht, der rings von vergitterten Zellen umsäumt war. Man schob ihn in einen der freien Käfige, schloss ihn ein und er hatte Muße, das üble Gesindel zu betrachten, das in den anderen untergebracht war. Vorher steckte er ganz in orientalischer Ruhe und Manier dem einen Polizisten ein paar Münzen zu und sagte »Tschai«, worauf er promptest mit Tee und Weintrauben versorgt wurde. Als er sich dazu noch eine Zigarette anzündete, erschien auf einmal vor dem Gitter eine Hand – der Nachbar bettelte um Zigaretten. Helmuth machte sich den Spaß, ihm eine ganze Menge in die schmutzigen Finger zu drücken und sah bald, dass es unter den »Verbrechern« gerecht zuging. Zigaretten und Feuer wurden durch die Gitterstäbe weitergereicht, bald rauchten alle, lachten und winkten ihm zu – es war ein Mordsspaß.
Das fand auch der britische Konsul, der das Lachen kaum verbeißen konnte, als er meinen armen Reisegefährten so sitzen sah. Die persischen Polizeioffiziere im Hauptkommando machten viele Verbeugungen und stammelten viele Entschuldigungen. Im Büro bekam Helmuth feierlich seinen Chavaz zurück, dazu wurden Tee und Zigaretten gereicht und man teilte ihm aufs Höflichste mit, überall könne er filmen, nur nicht mehr bei der Moschee.
Nirgends mehr in der Stadt Meschhed hat ein Polizist Helmuth nach seinem Chavaz gefragt, soviel er auch photographierte – sie scheinen auf allen Revieren von dem Vorfall erfahren zu haben.
Dafür sammelten sich immer wieder Scharen von Neugierigen um unseren Wagen und soweit sie englisch oder französisch sprachen, bestürmten sie uns mit Fragen. Ob der Wagen auch schwimmen könne? Selbstredend. Fliegen auch? Na, das ist doch klar. So hatten wir unseren Spaß mit den gläubigen Persern. Einer sagte, das Auto sähe wie ein Panzerwagen aus. Da packte mich der Übermut und ich antwortete: »Ist ja auch einer, hinten steckt unser Maschinengewehr.«
O weh, das hätte ich nicht sagen dürfen! Diesen Scherz benützten die Mollahs, um gegen uns zu hetzen. Sie waren uns gewiss noch gram, dass wir uns in das heilige Geviert der Moschee gewagt hatten. Sie fürchteten für die Schätze von Gold, Silber und Edelsteinen, die dort angesammelt sind. Man hat in Meschhed wohl nicht vergessen, dass noch vor zwanzig Jahren turkmenische