Im Auto um die Erde. Max Reisch
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Dennoch waren schon früher einmal, in der Blütezeit des großen Perserreiches der vorchristlichen Ära, der »Postdienst« und die Schnelligkeit der Verständigung zwischen den einzelnen Orten des riesigen Landkomplexes vorbildlich gewesen. Dort unten, wo in den Schluchten des Pa-i-Tak die Spuren eines verfallenen Weges zu sehen sind, jagten einst die Postreiter von Darius und Xerxes dahin und ohne all die technischen Hilfsmittel, auf die wir heute so stolz sind, wurden vor Jahrtausenden Leistungen vollbracht, vor denen man alle Achtung haben kann. Weder Hochgebirge noch Schluchten, weder die Sandwüste der Lut noch die Salzsümpfe der Kewir waren ein Hindernis, Tausende von Farsach (ein Farsach ist etwa sieben Kilometer) zogen sich die Poststraßen durch das Land, um überallhin die Kunde von der Macht und Größe des Reiches der Achaemeniden zu bringen. Wie primitiv müssen die Mittel gewesen sein, mit denen man vor urdenklichen Zeiten dem Gelände den bescheidenen Weg da unter uns abgerungen hat! Kaum zwei Meter ist er breit, aber über diese Steine, die Hunderttausende von Sandalen glattscheuerten, über diesen Fels, in den ungezählte Wagen tiefe Rillen kerbten, zogen die Heerscharen Alexanders des Großen nach Indien, fegten die Reiterstafetten Dschingis-Khans von der innersten Mongolei bis ans Mittelmeer, vermittelten endlose Karawanen den Austausch der Güter zwischen den beiden Kulturzentren Mesopotamien und Turkestan. Dort stieß ihr Weg dann auf die bekannte Seidenstraße, die durch Jahrhunderte die Überlandverbindung von Europa nach China gewesen ist. Was man heute von dem alten Weg erkennen kann, abgerutscht, von Steinlawinen begraben, von Disteln überwuchert, ist ein trauriger Überrest früherer Herrlichkeit.
Beim Wiederaufbau des neuen Iran wurde von der alten Erkenntnis ausgegangen, wie notwendig die Straßen sind, um ein ausgedehntes Reich zusammenzuhalten. Hunderte von Autos rollen täglich über die neuen Straßen Persiens und befördern Waren und Menschen, Post und Zeitungen bis ins kleinste Dorf. Die bedeutendsten Verbindungslinien werden, wie die unsere, durch Polizeistationen gesichert. Oben auf den Hügeln sehen wir sie stehen, einer kleinen Festung gleich, mit Wachtturm und gepanzerten Fahrzeugen im Hof. Man macht alle Anstrengungen, um mit dem Räuberunwesen aufzuräumen, das in manchen Teilen des Landes noch in voller Blüte stehen soll. So wie eh und je, denn wir kommen an einer Höhle vorbei, in die Schah Abbas vor dreihundert Jahren als abschreckendes Beispiel vierzig Räuber lebendig einmauern ließ. Wohl eine Erinnerung an Ali Baba.
Die Motorisierung schreitet ständig fort, das Kamel aber hat seine Rolle durchaus nicht ausgespielt, sondern im Gegenteil eine neue Aufgabe bekommen. Es transportiert, nebst anderen Waren, die nicht rasch befördert werden müssen, in der Hauptsache Benzin. Vier Kanister mit je achtzehn Liter Inhalt trägt jedes Kamel. Wochenlang sind solche Benzinkarawanen unterwegs, um auch in den entlegensten Dörfern und Oasen die Depots aufzufüllen. Die Marke »BP« ist jedem Kanister eingestanzt. »Britisch Petrol« sagen die Engländer in den Raffinerien von Abadan in Südpersien. »Benzine Persane« nennen es die Perser. Beide Teile haben recht: Der Schah verdient genauso an der Konzession wie die Anglo-Iranian Oil Company am Benzin. So ist »BP« allen von Nutzen und nur die Kamele stöhnen unter seiner Last.
Wie wir da in unserem schönen Wagen sitzen und die romantische persische Landluft genießen, sage ich zu Helmuth: »Siehst du, hier gerade an dieser Stelle ist der Platz, wo vor zwei Jahren unser winziges Motorradzelt stand, und darin lag Herbert Tichy mit einer schweren Blutvergiftung in wilden Fieberphantasien …«
Ja, das waren Zeiten! Und nun reisen wir bequem im Automobil.
Kaswin, die Stadt, die wir auf unserem Weg nach Teheran durchfahren, ist in Persien das, was Schilda mit seinen Schildbürgern für Deutschland bedeutet. Von den vielen köstlichen Geschichten, die man über ihre Bewohner erzählt, hat mir am besten die »moderne« Legende von dem Kaswiner gefallen, der zum ersten Mal in seinem Leben einen Fabrikschornstein zu Gesicht bekam. »Was ist das?«, fragte er ganz verblüfft. Und da man ihm seine Herkunft gleich ansah, bekam er zur Antwort:
»Ein Brunnen, den man aus der Erde gezogen hat, damit er trocknet.«
In Teheran gibt es ein freudiges Wiedersehen mit Freunden aus der Zeit der Motorradfahrt (»Indien – lockende Ferne«). – Am Konsulat ist einige Post, auch von unseren Auftraggebern …. Man hoffe, dass es nun schneller vorangehe. An uns soll es nicht liegen!
Die im Vertrag vorgesehene Überweisung war in Teheran eingetroffen und wir machten sie in der persischen Staatsbank »Melli« zu einem Bündel neuer Toman-Scheine. Gerne sagten wir unseren Freunden und der eher farblosen Hauptstadt des »Silbernen Löwen« Lebewohl und fuhren durch das Osttor hinaus, in Richtung Kevir-Wüste, Meschhed und hoffentlich Afghanistan …
Die Nacht verbringen wir schon weit draußen in einer der Auto-Karawansereien auf dem Weg nach Meschhed. Die Unterkunft ist mehr als dürftig, aber es gibt ein kräftiges persisches Landessen mit Tee, Reis, Hammelfleisch, Gemüse und Wassermelonen. Wir nehmen dieses Mahl im Kreis persischer Wagenführer ein, einige sprechen ein paar Worte Englisch, Arabisch, Hindostani. Viele von ihnen sind vor ein paar Jahren noch mit Karawanen gezogen und haben sich nun umgestellt. Nicht wenig verlangen die Lastautobesitzer von ihren Fahrern. Bis zu sechzehn Stunden sitzen sie täglich am Lenkrad der schweren Lastwagen und nicht selten muss ihnen Essopium über die Anfälle schwerster Müdigkeit hinweghelfen. Dafür schlafen sie dann in den Karawansereien wie die Toten, meist neben ihren Wagen. Nie aber vergessen sie, die Federn des Autos zu entlasten. Es wird hochgebockt, sodass die Federn frei und unbeschwert sind und sich von des Tages harter Mühe auf persischen Straßen erholen können. Natürlich ist diese Arbeit höchst umständlich, aber man musste früher ja auch allmorgendlich die Kamele von ihren Lasten befreien, nachdem sie einen langen Marsch durch die nächtliche Wüste hinter sich hatten. Genauso sorgt man heute für das Auto. Es wäre freilich nicht notwendig, wenn die Wagen nicht so sinnlos überlastet würden. Zweitonner schleppen das Doppelte! Dadurch biegen sich die Federn derart durch, dass die Räder oft an den Kotblechen anstreifen. Kein Wunder, dass die gemarterten Federn nach Entlastung schreien.
Persischer Empfehlungsbrief, ausgestellt von der iranischen Gesandtschaft in Bagdad, geschrieben mit persischer Schreibmaschine
Dichterworte und dichter Staub
Das Grabmal des Dichters • Ein Kleinod hinter Lehmmauern •
Nächtlicher Sandsturm und eine Reifenpanne • Gastmahl in Nischapur •
Persischer Knigge
»Viele gingen schon den letzten Gang, den schweren,
zurück kam keiner, Wahrheit uns zu lehren.
Hüt dich in dieser Herberg Welt vor dem Begehren,
lass nichts zurück, nie wirst du wiederkehren.«
Aus weiter Ferne schon sahen wir im Dunst der Wüste die Kuppel jenes Bauwerks bläulich schimmern, das dem Besucher diesen Spruch mahnend entgegenhält. Es ist das Grabmal Omar Chajjams, das für mich am schönsten und vollkommensten alles verkörpert, was man sich unter »orientalischem Zauber« nur irgend vorstellen kann. Chaj-jam heißt »Zeltmacher«. Dieser Beiname muss sich auf ein sehr frühes Stadium seines Lebens beziehen, denn später wurde Omar Astrologe, Weiser und vor allem Schöpfer einer blühenden Fülle lyrischer Strophen, die immer noch im persischen Volk lebendig sind und nicht nur für dieses Volk, sondern für alle Menschen eine verständliche, zu Herzen gehende Sprache sprechen.
Seinem großen Sohn hat Persien im 14. Jahrhundert, etwa dreihundert Jahre nach seinem Tod, eine unvergleichliche Gedenkstätte geschaffen. Wir fahren an einer unscheinbaren, aus Lehmziegeln bestehenden Mauer entlang und niemand würde vermuten, welches Kleinod sich dahinter verbirgt. Aber schon das geschmiedete Gittertor, das den ersten Blick in das Innere eines lieblichen Gartens freigibt, ist