Licht zwischen den Bäumen. Una Mannion

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Licht zwischen den Bäumen - Una Mannion

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nickte. »Sonst kann ich mich an nichts mehr erinnern.« Sie klang erschöpft. »Ich glaube, ich möchte jetzt schlafen.«

      »Die Kleine ist kaputt«, sagte Sage, »und ich muss nach Hause.« Sie rappelte sich hoch, zog ihre Jeans-Shorts zurecht, beugte sich über Ellen und gab ihr einen Kuss auf den Kopf. »Bis später, Mäuschen. Schlaf dich aus.«

      Ellen kuschelte sich in die vielen Kissen. Wir anderen gingen zusammen nach unten und hinaus auf die Einfahrt.

      »Ich ruf dich nachher an, Libby«, sagte Sage. Sie ging um unser Haus herum, um die Abkürzung durch den Wald zu nehmen. Wilson, Marie und ich blieben an der Straße stehen. Mr Walker saß mit einem Glas Limonade auf seinem Rasentraktor und schaute herüber. Alle kannten Wilson McVay und wussten, wie er aussah, und jetzt hatte Mr Walker mitgekriegt, wie er aus unserem Haus kam, während unsere Mutter nicht da war. Er sprach eigentlich nie mit unserer Mutter, aber was, wenn er doch auf die Idee kam, sie anzurufen? Ich starrte zurück, bis er den Blick abwandte.

      »Warum wollt ihr das alles von ihr wissen?«, fragte ich. »Wollt ihr es der Polizei melden?«

      »Nein«, sagte Marie. »Aber jemand muss sich den Kerl zur Brust nehmen. Wilson kennt viele Leute, und wenn er hier aus der Gegend ist, dürfte es nicht allzu schwer sein, einen blonden Riesen mit Haaren bis zum Hintern zu finden, der einen schwarzen Camaro fährt. Irgendwer muss ihn kennen.«

      »Gitarre spielt er auch«, sagte Wilson.

      »Was?«

      »Die Fingernägel an der rechten Hand. Die lässt er lang, zum Zupfen.«

      Ich starrte die beiden an. Marie benahm sich, als wäre das alles total normal.

      »Haltet ihr euch jetzt für Privatdetektive oder was? Was wollt ihr denn machen, wenn ihr wisst, wer er ist?«

      »Ihn bei lebendigem Leib häuten«, sagte Wilson mit unbewegter Stimme. Es fuhr mir wie ein Schock in den Magen. Ich starrte ihn an und musste an den Tag im Sun Bowl denken, als er vorbeigefahren war, während wir auf den Schaukeln saßen. Als er meine Miene sah, musste er lachen. »Entspann dich. Ich will einfach nur wissen, wer der Scheißkerl ist.«

      Er ging die Einfahrt entlang und verschwand im Wald, in Richtung des Wegs, den Sage genommen hatte. Ein paar Sekunden später hörten wir, wie ein Motorrad angelassen wurde. Wilson musste durch den Wald gekommen sein und sein Motorrad dort abgestellt haben. Warum hatten Sage und ich ihn nicht gehört, als wir oben im Königreich saßen? Er war mir unangenehm. Alle hielten sich instinktiv von ihm fern. Manche Bäume – allelopathische Bäume, die Echte Walnuss beispielsweise – vergiften alles, was in ihrer Umgebung wächst. Über ihre Wurzeln, die abgefallenen Blätter und die Rinde geben sie eine chemische Substanz ab, die alles Leben ringsum auslöscht. So war für mich auch Wilson, seine Nähe zu uns bedeutete Gift und Gefahr. Wir hatten keine Ahnung, wo er gewesen war. In einem Jugendgefängnis, in der Geschlossenen, in einer Besserungsanstalt? Ich gab ihm immer noch die Schuld an Mr Franklins Tod. Aber konnte man mit einem Luftgewehr wirklich eine Katze töten? Ich war selbst schon häufig mit Luftgewehren beschossen worden. Früher hatten die De Martino-Jungs uns immer aufgelauert, wenn wir auf dem Weg zum Sun Bowl bei ihnen vorbeikamen, und auf uns geschossen. Ich war am Hintern getroffen worden und hatte blaue Flecke davongetragen, aber durch die Haut waren die runden Metallgeschosse nie gegangen. Vielleicht hatte Wilson eine andere Luftdruckwaffe verwendet, vielleicht aber auch eine echte. Marie besaß eine Luftpistole, mit der man Federbolzen abschießen konnte, eine Marksman, damit konnte man eindeutig ein Tier verletzen oder auch töten. Außer mir wusste niemand davon. Sie hatte Dad ewig damit in den Ohren gelegen. Manchmal gingen wir zum Schießen in den Wald, hielten die Marksman ansonsten aber im Schrank in unserem Zimmer versteckt.

      »Marie, was ist, wenn Wilson Mr Franklin getötet hat? Warum hängst du mit dem rum?«

      »Das ist doch alles nur Gerede. Wenn man ihn besser kennt, ist er gar nicht so schlimm. Er hatte eine beschissene Kindheit.«

      »Und?«

      »Libby, er hilft uns.«

      Wir hörten Wilsons Motorrad wieder aufheulen, als er vom Waldweg auf den Forge Mountain Drive abbog. Er war nur noch ein schwarzer Fleck, als er mit Vollgas oben an der Straße vorbeischoss, das Vorderrad in der Luft.

      »Gott, was für ein Arschloch«, brummte ich. »Bitte sag mir, dass du nicht mit ihm auf diesem Ding fährst.«

      Marie antwortete nichts darauf, und wir blieben noch ein paar Minuten nebeneinander stehen und sahen zu, wie Mr Walker perfekte Kreise in seinen Rasen mähte.

       6

      Eine Tür fiel leise ins Schloss. Ich schreckte auf. Im Zimmer war es dunkel. Neben mir lag Ellen und schlief. Sie hatte fast den ganzen Tag geschlafen. Im Bett schräg gegenüber sah ich, wie sich Maries Körper mit ihren Atemzügen sanft hob und senkte. Wieder ein Geräusch auf dem Flur, das Knarren von Bodendielen. Ich beugte mich vor, lauschte angespannt. Ein leises Wimmern. Beatrice. Dann hörte ich die Stimme meiner Mutter: »Sch-sch-sch.« Sie trug Beatrice nach draußen, das machte sie manchmal, dann ging sie mitten in der Nacht mit ihr fort. Sie ließ den Wagen im Dunkeln bis zur Straße rollen, bevor sie den Motor startete. Es war schon schlimm genug, dass Marie heimlich aus dem Fenster kletterte und sich an der Außenmauer hinunterhangelte, aber wenn sich auch unsere Mutter nachts mit der halb schlafenden Beatrice aus dem Haus schlich, gab mir das ein Gefühl, als würde alles ins Rutschen geraten, als würde das Haus kippen und im Boden versinken. Alles entglitt mir, stürzte ab, ich konnte mich an nichts mehr festhalten. Mit weit offenen Augen legte ich mich wieder hin. Als der Wagen auf der Straße war, gingen die Scheinwerfer an, ihr Licht fiel auf die Bäume, Schatten wanderten über unsere Zimmerdecke und an der Wand entlang auf mich zu. Sie fuhren zu Bill.

      Ich versuchte, wieder einzuschlafen, bewusst loszulassen, aber dann fuhr ich mit einem Ruck hoch, mitten im Fallen. Nie gelang es mir, einfach sanft zu versinken oder davonzuschweben. Immer fiel ich irgendwo herunter, vom Fahrrad, von einem Baum, vom Dach, und von diesem plötzlichen Sturz wurde ich schlagartig wach, noch vor dem Aufprall, und blieb mit dem Gefühl zurück, dass die Erschütterung dort unten weiter auf mich wartete. Ich versuchte es mit Schäfchenzählen, malte mir einen beruhigenden Ort aus, einen Wald, in dem ich durch das Blätterdach zum Himmel schaute. Aber jetzt nahm auf einmal der Barbie-Mann über mir Gestalt an, sein ausdrucksloses Gesicht, das glatte Haar. Keuchend und schweißgebadet saß ich im Bett. Wir hätten es unserer Mutter erzählen sollen. Sie hätte uns doch nie mitten in der Nacht allein gelassen, wenn sie gewusst hätte, was Ellen passiert war. Nicht mal für Bill.

      Niemand von uns kannte Bill. Nur Beatrice. »Darum hat auch Beatrice die Kammer und nicht ich«, hatte Marie gesagt. »Damit Mom sich mit ihr aus dem Haus schleichen kann, ohne dass wir alle wach werden.«

      »Aber Beatrice mag das doch gar nicht. Das hat sie mir tausend Mal erzählt.«

      »Na und?«, gab Marie zurück. »Mom benutzt sie halt. Mit Beatrice setzt sie Bill schachmatt.«

      Ich stellte mir Beatrice als Schachfigur vor, die von Erwachsenenhänden bewegt wurde: ihre wirren Locken, die Sommersprossen auf ihrer Nase, ihre runden rosigen Wangen und die Zahnlücke, wie sie immer versuchte, es allen recht zu machen, und in einem Spiel hin- und hergeschoben wurde, dessen Regeln sie nicht kannte.

      Marie drückte sich manchmal sehr drastisch aus. Sie sagte, sie könne die Dinge aus nüchterner Distanz betrachten, weil sie aufgehört habe, unsere Mutter zu mögen.

      »Jetzt schau nicht so entsetzt, Libby. Das heißt

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