Irrlichter und Spöckenkieker. Helga Licher

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Irrlichter und Spöckenkieker - Helga Licher

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Fenster höre ich das

       Rascheln der Baumkronen im Wind. Im Haus ist es still und friedlich.

       Jetzt höre ich eine Stimme. Nur ganz leise …

       »Geh zu deiner Großmutter und frage sie nach dem Tagebuch«,

       sagt diese Stimme.

       »Du musst Trientje suchen, such nach der Hebamme …«

      

      Es regnete in Strömen, als Stine am nächsten Morgen die Eier aus dem Hühnerstall holte. In der Küche duftete es nach frisch aufgebrühtem Kaffee, und auf dem offenen Feuer brutzelte der Speck in der Pfanne. Bauer Clausen stellte seine Gummistiefel in der Melkkammer ab und setzte sich fluchend an den Tisch.

      »Himmel noch einmal, muss es unbedingt heute regnen. Die Weide am Godel braucht dringend einen neuen Zaun. Gestern sind drei Schafe ausgebrochen. Der alte Mattes brachte sie mir heute Morgen zurück. Das eine Schaf blutet stark. Ich muss mir das später mal genau anschauen. Aber erst wird gefrühstückt.«

      Stine hörte nicht zu. Während sie dem Bauern Kaffee einschenkte, dachte sie an die vergangene Nacht. Wieder einmal war ihr die weißgekleidete Frau erschienen. Sie hatte mit ihr gesprochen, doch an ihre Worte konnte Stine sich nur noch vage erinnern.

      Von einem Tagebuch hatte sie gesprochen. Und von Trientje …

      Stine wusste nichts von einem Tagebuch und konnte sich nicht erklären, warum sie ihre Großmutter danach fragen sollte. Sie schüttelte den Kopf und schob die wirren Gedanken beiseite. Sie verstand das alles nicht, sicher hatte der Traum keine Bedeutung für die Wirklichkeit. Sie beschloss, die vergangene Nacht so schnell wie möglich zu vergessen.

      Das Mädchen konnte zu diesem Zeitpunkt nicht ahnen, wie wichtig diese Botschaft einmal für die Knudtsen-Familie sein sollte.

       12

      Meta sah in ihrer weißen Bluse um Jahre jünger aus. Die grauen Haare hatte sie zu einem kunstvollen Knoten aufgesteckt, und es umgab sie ein lieblicher Veilchenduft.

      Die Bäuerin bewahrte stets ein kleines Fläschchen dieses Veilchenparfüms in ihrem Nachtschränkchen auf. Nur wenn ein besonderer Anlass ins Haus stand, tupfte sie sich einige Tropfen des Duftwassers hinters Ohr.

      Der Kaffeetisch war liebevoll mit dem besten Porzellan gedeckt, und in der Küche stand ein köstlicher Apfelkuchen für die Gäste bereit. Doch Metas Freude über das Wiedersehen mit ihrer Enkelin war getrübt. Nachdenklich stand die Bäuerin am Fenster und blickte zum Stall hinüber.

      Immer wieder hatte sie den Bauern gebeten, wenigstens für kurze Zeit an der Kaffeerunde teilzunehmen, doch alle Mühe war vergeblich.

      »Sag Stine, ich habe keine Zeit. Die Arbeit wartet nicht.«

      Schroff hatte der Bauer sich abgewandt und war zum Kuhstall hinübergegangen.

      »Lass mir meine Ruhe«, herrschte Ole seine Frau an, die ihm gefolgt war um ihn umzustimmen.

      »Ich will niemanden sehen …«, knurrte er und warf die Stalltür endgültig ins Schloss.

      Für Meta war diese Reaktion unbegreiflich. Ole war stur wie ein Ochse, nichts konnte ihn dazu bringen, Stine und Jan zu begrüßen. Dabei war es das erste Mal, dass ihre Enkeltochter einen Freund mit nach Hause brachte.

      Stine war immer eine Einzelgängerin gewesen. Ihr eigenartiges Verhalten und ihre reservierte Art wirkte auf die Menschen in ihrer Umgebung abschreckend.

      Umso mehr freute Meta sich, als sie hörte ihre Enkelin habe sich mit Jan Nansen angefreundet. Der Bauer jedoch war alles andere als begeistert, er konnte es dem alten Nansen immer noch nicht verzeihen, dass er ihm im letzten Jahr den Bürgermeisterposten vor der Nase weggeschnappt hatte.

      »Der Nansen ist ein Halunke«, schimpfte er, als seine Frau ihm von dem bevorstehenden Besuch erzählte.

      »Und sein Sprössling wird nicht besser sein. So was holst du in unser Haus?«

      Meta wusste nicht mehr weiter, seit Riekes Tod benahm sich der Bauer immer merkwürdiger. Zunächst konnte man glauben, der Tod seiner einzigen Tochter habe ihn derart aus der Bahn geworfen, aber inzwischen zweifelte Meta daran, dass Riekes Unfall den Bauern so verändert hatte. Manchmal in der Nacht, wenn sie vor dem Altar in der Wohnstube ein Gebet sprach, sah sie Bilder vor ihrem inneren Auge, die sie zutiefst erschreckten. Dann ergriff sie wieder ihre große Sorge um Stine und die Angst, dem Mädchen könnte ein ähnliches Schicksal widerfahren wie ihrer Tochter Rieke.

      Meta dachte an Jan Nansen. Sie kannte den jungen Mann nur flüchtig, aber im Dorf hörte man nichts Nachteiliges über ihn. Er war ein netter Junge, wohlerzogen und höflich, was sicherlich seiner Mutter zu verdanken war. Jans Vater hatte in Oldsum einen zweifelhaften Ruf.

      Als Bürgermeister ging er korrekt und untadelig seinen Geschäften nach, aber privat machten die meisten Oldsumer am liebsten einen großen Bogen um ihn. Aufbrausend und jähzornig sollte er sein, erzählte man sich. So war es auch keine Seltenheit, dass ihm im Suff schon mal die Hand ausrutschte.

      »Großmutter!«

      Die Küchentür wurde mit Schwung geöffnet, Stine lief ihrer Großmutter entgegen und fiel ihr um den Hals.

      »Mein Mädchen, ich bin so froh, dich zu sehen.«

      Metas Augen füllten sich mit Tränen, so gerührt war sie. Genau fünf Monate waren vergangen, es war ein grauer Herbsttag, als Stine mit einem kleinen Koffer den Knudtsenhof verließ.

      »Dünn bist du geworden. Kind, du musst viel mehr essen.«

      Prüfend schaute die Bäuerin ihre Enkelin an. Durch den dünnen Stoff des bunten Sommerkleides erahnte man die schlanke Figur des Mädchens. Stine war schon als Kind sehr zart gebaut, und es fiel Meta oft schwer, gut sitzende Kleider für sie zu bekommen. Stine lachte, die Fürsorge ihrer Großmutter tat ihr gut.

      »Großmutter, mach dir keine Sorgen, ich werde schon nicht verhungern. Schau mal, wen ich mitgebracht habe. Das ist Jan!«

      Lachend nahm sie den jungen Mann an die Hand und sah ihre Großmutter strahlend an.

      Es ist lange her, dass sie so glücklich aussah, dachte Meta, während sie Jan Nansen die Hand reichte.

      Es wurde ein entspannter Nachmittag. Stine erzählte von ihrem Leben auf dem Clausenhof und betonte, wie viel Freude ihr die Arbeit in der Küche bereitete. Sie tauschte mit Meta Kochrezepte aus und berichtete über die Geburt der Ferkel.

      Stine registrierte sehr wohl, dass der Platz ihres Großvaters am Kaffeetisch unbesetzt blieb, aber sie erwähnte es mit keinem Wort. Durchs Fenster sah sie ihn auf dem Hof mit den Knechten reden. Mit düsterer Mine gab er seine Anweisungen. Kein Lächeln, kein freundliches Wort hatte er für seine Leute übrig. Was kann einen Menschen nur so verändern, dachte das Mädchen. Er war einmal der liebevollste Großvater, den ein Kind sich wünschen konnte. Immer war er für seine Enkeltochter da. Wie glücklich war Ole, als die kleine Stine endlich seinen Namen tragen durfte. War er heute immer noch glücklich darüber? Stine wusste es nicht …

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