Crow Kingdom. Tino Falke

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Crow Kingdom - Tino Falke

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läuft indessen auf den Platz am Haupteingang. Er stolpert über seine eigenen Füße, stürzt und rollt in die Menschentraube. Die Umstehenden lachen und machen Selfies mit sich und dem gefallenen Frosch. Keiner hilft ihm auf, zu herrlich ist die Tollpatschigkeit ihrer Lieblingsfigur aus den Büchern. Als er sich wieder aufgerappelt hat, schüttelt er den nächsten Gast, und noch immer kommt nur Gelächter aus der Menge. Die Freudenschreie verstummen erst, als er nach dem ersten Handy greift. Nach und nach begreifen alle, dass der rasante Auftritt keine Showeinlage ist. Igel und Schabe versuchen, Frosch von der Kundschaft wegzuführen, doch was auch immer mit Aram los ist, er lässt sich nicht aufhalten. Igel geht zu Boden. Schabe wird nur knapp von Specht aufgefangen. Und Aram greift nach dem nächsten Gast.

      Erst später erfahre ich, warum er erst so spät zur Begrüßungszeremonie erschienen ist. Wir alle wussten, dass Arams Freundin wieder schwanger war, doch mit der Entbindung hatten wir frühestens in drei Wochen gerechnet. Noch vor Beginn seiner Schicht hatte Aram mit ihr telefoniert. Die Wehen hatten eingesetzt, und ein Nachbar hatte sie bereits ins Krankenhaus gefahren. Währenddessen stand Aram in unserer Umkleidekabine, bis zum Hals in einem Froschkostüm mit seiner ganz persönlichen Duftnote. Die anderen hatten sich pünktlich auf den Weg zum Haupteingang gemacht. Bellmore kann den Auszug der Kostümierten von seinem Büro aus sehen, natürlich, und kam persönlich in die Kabine, als ihm der fehlende Darsteller auffiel. Alle Argumente halfen nichts, Aram musste sein Telefon abgeben und seine Schicht antreten.

      Jetzt läuft er von Besucher zu Besucherin und versucht, ihnen die Handys abzunehmen. Ein Kind fängt an zu weinen. Softeis geht zu Boden, dann die ersten Telefone. Vergeblich versucht Aram, mit den riesigen Handschuhen nach den schmalen Geräten zu greifen.

      »Es hat zu früh begonnen!«, höre ich seine Stimme aus dem Froschkopf.

      Sobald er ein Handy zu fassen kriegt, wird es ihm wieder aus den Händen gerissen.

      »Ich kann nicht schon wieder alles verpassen!«

      Als seine erste Tochter geboren wurde, fuhr Aram einen der Wagen in der großen Parade zum 20-jährigen Parkjubiläum. Ein Großereignis, bei dem absolut niemand vom Personal entbehrt werden konnte. Während wir kostümiert um den Wagen tanzten, auf dem ein überdimensionaler Plastikrabe durch das Stadttor von Corona schritt, wartete Aram im Dunkeln unter der Konstruktion darauf, dass er endlich zu seinem Handy im Pausenraum laufen konnte. Die Geburt seiner zweiten Tochter verbrachte er im Ticketschalter vor dem Corona Kinderkarussell. Auch hier hatte Bellmore darauf bestanden, dass er bleibt. Keiner durfte Arams Schicht übernehmen. Private Telefonate sind untersagt. Und was der König befiehlt, haben wir zu befolgen.

      Bellmore verdoppelt den Preis von Regenschirmen in den Shops, sobald dunkle Wolken aufziehen. Er erhöht erst den Salzgehalt in den Pommes und dann den Preis aller Getränke. Je tiefer man in den Park gelangt, umso weiter steigt der Wechselkurs für das Geldtauschen. Je heftiger eine Attraktion ist, umso teurer ist der Eintrittspreis für die Toiletten daneben. Die vielen Lichter, Farben und die konstante Musik sorgen dafür, dass man nicht in Ruhe zählen kann, wie viel man bereits ausgegeben hat.

      Bunte Parkwährung liegt auf dem Boden verteilt, Kuscheltiere, auslaufende Pappbecher. Aram hat inzwischen seine Handschuhe abgeworfen und wählt auf einem ergatterten Telefon die Nummer seiner Freundin. Die meisten, die Frosch vorher zugejubelt haben, widmen sich den übrigen Figuren, die Sonja an das andere Ende des Platzes geführt hat. Hinzugekommene Angestellte entschuldigen sich für den Vorfall und verteilen Gutscheine für Pizza und Souvenirs.

      »Ich will nur wissen, ob es ihr gut geht«, murmelt Aram, dann betreten drei Männer der Parksicherheit den Platz. Er hält das Handy an seinen ewig lächelnden Tierkopf. Die eigentliche Besitzerin wartet mit verschränkten Armen, bis die Wachmänner den Frosch umzingelt haben. Er versucht zu fliehen und wird sofort gefasst, strampelt sinnlos mit den Beinen und verliert im Gerangel den Kopf. Ein paar Jugendliche nutzen die Gelegenheit für Fotos, doch die meisten Leute im Umkreis sehen automatisch weg. Die Leute wollen nicht wissen, wer unter den Masken steckt. Was hinter den Fassaden lauert. Ein drolliger fiktiver Frosch ist ihnen lieber als ein verzweifelter echter Mann, der es nicht ertragen kann, die Geburt seines ersten Sohnes zu verpassen.

      Auch ich sehe nur die Hälfte, weil ich weiter Neuankömmlinge begrüßen muss. Ich erkläre ihnen, für welche Attraktionen sie mit dem Armband Vergünstigungen erhalten. Ich zeige ihnen auf dem Faltplan, wo sie gerade sind. Dann rollt mir etwas gegen mein Bein.

      Es ist der Kopf des Froschkostüms. Die Wachmänner haben Aram fest im Griff, das Handy ist wieder bei der Besitzerin. Mit einer Gratis-Schirmmütze verschwindet sie im Park.

      Bevor die nächsten zu Begrüßenden durch den Eingang kommen, hebe ich den Froschkopf auf. Ich unterdrücke ein Würgen, als mir der Gestank aus dem Innern entgegenschlägt, dann laufe ich zu Aram und den Sicherheitsmännern. Sie bewegen sich so schnell, wie es die Parkordnung erlaubt, in Richtung der nächsten geheimen Tür zum Personalbereich. Mein Freund zwischen ihnen ist in sich zusammengesunken, ohne Widerstand lässt er sich mitschleifen. Auch wenn niemand hinschaut, muss sein Gesicht verdeckt werden. Die Kostümierten müssen anonym bleiben. Sobald ich die Gruppe erreiche, stülpe ich ihm den Froschkopf über.

      Ich bleibe stehen und atme durch. Erst jetzt fällt mir auf, dass der Kopf schief sitzt. Das versteckte Sichtfenster befindet sich an Arams Ohr. Er kann nicht sehen, wie andere Angestellte die verstreuten Essensreste und Spielzeuge aufsammeln. Wie die Kundschaft schon wieder herumläuft, als wäre nichts geschehen. Wie am schönsten Ort der Welt ein weiterer sonniger Tag beginnt.

      Blind unter drei Kilo Schaumstoff und Fiberglas wird er abgeführt.

      3

      Noch bevor das erste Rabe-Buch mir zum besten Freund meiner Kindheit verhalf, sorgte es dafür, dass ich mir beide Beine brach.

      Das Cover des Buchs zeigt den Vogel auf einem Ast, am rechten Rand ist noch der Baum dazu zu sehen. Hinter dem Raben, kreisrund in der Mitte des Covers, strahlt die Sonne. Rabes Flügel sind gespreizt. Er sieht glücklich aus.

      Als ich Rabe im Wald kennenlernte, gab es noch keine Fortsetzungen. Kein internationales Franchise mit Vergnügungspark, Filmen und Tausenden von Spielzeugen. Alles, was die Kinder aus der Nachbarschaft und ich hatten, war die eine Geschichte des kleinen Raben, der durch Zufall die Stadt Corona findet und sich mit den Waldtieren anfreundet, die dort leben.

      Wir bastelten Kostüme aus Pappkartons und erfanden neue Abenteuer für die Tiere, die bereits im ersten Band auftauchen. Fuchs und Frosch, Bär und Specht, Hase und Eichhörnchen. Und Rabe natürlich. Dass im Buch nichts Spannendes passiert, hielt uns nicht davon ab, uns Geschichten auszudenken und sie immer wieder nachzustellen. Tagsüber im Kindergarten, abends dann in den heimischen Gärten, bis es dunkel wurde und unsere Eltern uns nach Hause zurückholten. Wir malten die Bilder ab und bettelten jeden Abend darum, dass uns die Geschichte noch mal vorgelesen wird.

      Wir waren ein Fanclub, ohne es zu wissen. Ein Kult, ohne überhaupt daran zu denken, dass es jemanden gab, der all das geschrieben hatte. Unsere heilige Schrift war 28 Seiten lang und durchgehend vierfarbig illustriert.

      In dem Jahr, in dem der Bau des Parks begann, verbrachten wir den Sommer damit, im Wald über Bäche zu springen, nach echten Exemplaren der Tiere aus dem Buch Ausschau zu halten und auf Bäume zu klettern, um wie der Rabe auf dem Cover vor der Sonne die Schwingen auszubreiten. Meine Mutter half mir, Flügel aus Karton auszuschneiden und Griffe für meine Arme anzukleben. Mein Vater besorgte die Farbe, um das Gebastelte schwarz anzumalen. Keiner von ihnen hatte damit gerechnet, dass ich wirklich versuchen würde zu fliegen, doch das nächste Mal, dass ich mit den anderen Kindern unterwegs war, suchten wir gemeinsam den höchsten Baum in der Nachbarschaft.

      Noah

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