Crow Kingdom. Tino Falke

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Crow Kingdom - Tino Falke

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Bellmore gegenüber. Durch den Schnabel des Kostüms sehe ich nur seinen Anzug und seine Krawatte.

      »Sei gegrüßt, Rabe«, sagt er. »Ist es nicht herrlich in der Sonne? Ein Tag, den man einfach im Freien verbringen muss!«

      Dass in seiner Stimme keinerlei Freude mitklingt, liegt vor allem daran, dass ihm das Wetter egal ist. Bellmore benutzt verschlüsselte Sätze, um uns Anweisungen zu geben, ohne dass die Kundschaft es mitkriegt. Ich muss unweigerlich an meine Eltern denken. Zwischen den Zeilen gibt er mir zu verstehen, dass ich mich mehr auf den größeren Plätzen im Park aufhalten soll. Die Hauptfigur soll nicht nur zu sehen sein, wenn man zufällig am defekten Karussell vorbeispaziert.

      Ich nicke und breite die Flügel aus. Das heißt: Verstanden. Das heißt: Ich mache mich sofort auf den Weg. Würde ich mit Worten reagieren, wäre mir zumindest eine Ermahnung sicher. Ohne eine weitere Bemerkung spaziert der alte Mann weiter. Während er auf Donnie zugeht, nähern sich die Fahrgäste auf Lunaphobia dem höchsten Punkt der Strecke. Am Ende des Lifthills erwartet sie ein 90°-Drop 130 Meter in die Tiefe.

      »Ich will hier raus!«, schreit irgendein Kind, dann vereinen sich alle Stimmen zu einem weiteren Kreischkonzert.

      Mein Weg führt mich bis an den Ausgang der Achterbahn. In wenigen Minuten werden zwei Dutzend Benommene aus der Station strömen, schwindelig von den g-Kräften der Fahrt, euphorisch vom Adrenalin und den Endorphinen, die ihre Körper in Antwort auf das intensive Erlebnis ausgeschüttet haben. Die Hälfte der Leute wird zum Stand neben dem Ausgang pilgern, wo auf großen Bildschirmen die Fotos ihrer Fahrt angezeigt werden, die sie dann bei Sonja kaufen können. Vorerst ist nur ein Gast bei ihr. Er wedelt mit einem Lageplan des Parks.

      »Aber wie soll ich wissen, wo ich bin, wenn kein Pfeil mir meinen Standort anzeigt?«

      »Es tut mir sehr leid«, antwortet sie lächelnd. »Derzeit können wir dieses Feature auf unseren Papierbroschüren leider noch nicht anbieten. Wenn Sie Abonnent unseres Newsletters sind, werden Sie natürlich informiert, sobald unsere Druckerei diese Möglichkeit bereitstellt.«

      »Das hoffe ich doch!«, ruft er und stürmt davon. Ich nehme seinen Platz ein.

      »Ein weiterer Kunde befriedigt«, sagt sie, wieder mit ihrer tieferen, normalen Stimme. »Und was kann ich für dich tun? Willst du ein Foto kaufen? Heute im Angebot: Kinder, die gerade so das Mindestalter und die Größenbeschränkung erfüllen und jetzt um ihr Leben fürchten, und junge Gentlemen, die sich den Mund zuhalten, um nicht ihre Begleitung vollzuspeien.«

      Ich bestelle eine gelangweilte Blondine, die nach ihrer Schicht Zeit für einen gemeinsamen Abend hat, und ernte ein Lächeln. Sie streicht ihr Haar hinters Ohr, und ich sehe all die Löcher, in denen sie sonst ihre Ohrringe trägt. Bellmore verbietet uns Piercings jeglicher Art. Sonjas Tattoos müssen komplett verdeckt sein. Donnies Haarlänge ist hart an der Grenze für männliche Mitarbeiter. Auch er gesellt sich an den Fotostand. Seinen Werkzeugkasten stellt er auf den Boden. Offenbar ist das Karussell repariert.

      »Ein Teenager in Texas hat 2009 versucht, in einer Hüpfburg einen Salto rückwärts zu machen«, sagt er. »Ist auf dem Kopf gelandet und war monatelang gelähmt.«

      »Einer hat seinen Hund mit reingeschmuggelt«, sagt Sonja mit Blick auf die Bildschirme um sich herum. Dann scheinen beide Kundschaft zu sehen, in der Ferne, außerhalb meines Sichtfelds. Sie lächeln. Aus den Lautsprechern ertönt die dritte Strophe der Parkhymne.

       Im hellen Schein, da liegt das Glück!

      Sagst du Lebwohl, komm bald zurück!

      Im Herzen trägst auch du ein Stück

      Vom Königreich Corona!

      »Ich hasse diesen Ort«, sagt Donnie leise.

      »Das tun wir alle«, flüstert Sonja, auf dem Gesicht dasselbe falsche Lächeln wie bei unserem Mechaniker. Wie auf dem ewig fröhlichen Raben­kopf, den ich trage.

      Und dabei sind wir es, die all das am Laufen halten. Ohne uns würde der ganze Park eingehen, sage ich. Wir sind die Raben im Tower.

      »Wir sind die Zahnräder im Getriebe von Bellmores Monstrum«, sagt Donnie. »Wenn wir aufhören, uns zu drehen, ist hier alles dem Untergang geweiht.«

      Ich sage, dass wir den bereits angerichteten Schaden damit auch nicht repariert kriegen.

      »Immerhin würde man der nächsten Generation einen Gefallen tun, wenn man den ganzen Laden hochgehen lässt«, sagt Sonja. »Spricht irgendeine der Parkregeln gegen Sprengstoff?«

      »Wir brauchen keinen Sprengstoff«, sagt Donnie. »Alles, was wir brauchen, ist schon hier. Wenn man ein paar Schrauben entfernt, bricht Lunaphobia in sich zusammen. Wenn die Fritteusen zu heiß laufen, brennen früher oder später alle Restaurants. Weißt du, wie viele brennbare Materialien es in diesem Park gibt?«

      Bevor einer von uns reagieren kann, öffnet sich der Ausgang der Achterbahn. Die Parkgäste schreien, dass sie noch mal fahren wollen, dass sie sich kurz setzen müssen, dass sie unbedingt das Foto von sich nach dem ersten Looping kaufen möchten. Irgendwo jault ein kleiner Hund. Donnie nimmt seinen Werkzeugkasten, nickt uns zu und verschwindet in der Menge. Sonja versucht, herauszufinden, wessen Finger auf welchen Bildschirm zeigt.

      Ich sehe unserem Mechaniker hinterher. Und zum ersten Mal, seitdem ich am Morgen das Kostüm angelegt habe, kann auch ich mir ein Lächeln nicht verkneifen.

      5

      Noch am Vormittag habe ich dabei geholfen, einen alten Spielplatz wieder aufzubauen, jetzt stehe ich zitternd vor dem Haus meiner Eltern und traue mich nicht, die Tür zu öffnen. Ich könnte mich natürlich genauso gut woanders erhängen, aber außer dem Park fällt mir kein geeigneter Ort ein. Und ich besuche doch nicht an einem freien Tag meinen Arbeitsplatz.

      Heute darf Pernille die Plastikarmbänder am Eingang verteilen. Alexandra und Hamza geben die Sicherheitsanweisungen an der Wild­wasserbahn Froschs Floßvergnügen.

      Ich habe indessen den größten Teil des Tages im Wald verbracht. Am Rand des Dorfs befindet sich eine kleine Lichtung, an der vor drei Jahrzehnten ein kleiner Spielplatz errichtet wurde. Neben den Picknickbänken und Spielgeräten führt ein schmaler Weg in den Wald. Ein Lehrpfad mit Schaukästen und Infotafeln, entworfen und angelegt von Arne Guðmundsson, dem Autor der Rabe-Trilogie. Die Idee war es, spielerisch etwas über den Wald und seine Bewohner zu lernen. Eine Ergänzung zum nahen Park mit seinen lauten und schnellen Attraktionen. Als Kind bin auch ich ein paar Mal dort gewesen, doch inzwischen ist der Spielplatz verlassen und verfallen.

      Die einzigen Besucherinnen sind ein Dutzend Mädchen, das beim Wiederaufbau von Guðmundssons kleinem Herzensprojekt helfen soll, um Geldstrafen oder Jugendarrest zu entgehen. Und ich. Unter den strengen Blicken eines Sozialarbeiters begutachten wir die heruntergekommenen Spielgeräte. An den Lehrpfad erinnern nur noch ein paar herumliegende Hinweisschilder.

      Das Haus meiner Eltern wurde genauso vernachlässigt. Als ich es endlich betrete, schlägt mir die abgestandene Luft vieler Monate entgegen. Genau genommen ist es inzwischen wohl mein Haus, doch es fühlt sich noch immer nicht so an. Am Kühlschrank hängen keine Bilder meiner Kinder, sondern noch immer die Zeichnungen aus meiner Kindheit und die alten Fotos von Noah und mir.

      Abwärts rasend auf Fledermaus-Furore.

      Im Kreis schwingend auf Wirbelnder Weber.

      Mit

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