Crow Kingdom. Tino Falke

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Crow Kingdom - Tino Falke

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wurden und überlebt haben, nähert sich der nächste Lunaphobia-Zug. Donnie widmet sich wieder den Reparaturarbeiten am Karussell. Ich neige mich zurück, um durch den Schnabel des Rabenkopfs nach oben zu sehen. Der Zug rauscht durch den Looping, die Gäste schreien aus Freude, aus Angst, aus Gewohnheit, und während sie mit 80 km/h um die nächste Kurve verschwinden, segeln unbemerkt ihre Habseligkeiten in die Tiefe. Handys und Schlüssel, Brillen und Parkgeld – sobald die Pforten wieder geschlossen sind, dürfen wir unter allen Attraktionen aufsammeln, was die Kundschaft verloren hat und schon bald vermissen wird.

      Donnie wischt sich das schwarze Haar aus der Stirn und grinst mich an.

      »Ich weiß genau, was du denkst«, sagt er. »Aber du hast schon letztes Mal alle Schokosonnen bekommen, die wir gefunden haben. Und die Tüte Gummiraben! Heute bin ich an der Reihe!«

      Dass hier immer die Sonne scheint, heißt nicht, dass es nicht täglich Süßigkeiten regnet.

      »2001 wurde eine Hüpfburg in Form einer Giraffe von einem Wirbelwind davongetragen«, fährt er fort, als wäre nichts gewesen. »In Australien war das. Ein Todesopfer, 15 Verletzte. In Ungarn flog 2007 eine Hüpfburg 30 Meter weit, prallte gegen einen Zaun und tötete einen achtjährigen Jungen.«

      Während Donnie weitere Unfallopfer aufzählt, beginne ich zu tanzen. Die Leute sollen unterhalten werden. Wenn ich das Kostüm trage, kann ich nicht einfach regungslos rumstehen, es muss immer etwas geboten werden. Eine Gruppe junger Männer kommt die Straße entlang und kann nicht anders, als sich mir anzuschließen. Sie lachen und nehmen mich in ihre Mitte, grinsen für ein Foto und sind auch schon auf dem Weg zur nächsten Attraktion. Für den Fall, dass Bellmore vorbeikommt, gehe ich ein paar Schritte auf und ab. Wer morgens die Neuankömmlinge begrüßt, soll sich den Rest des Tages frei im Park bewegen und dafür sorgen, dass die Kundschaft gut gelaunt bleibt. Trotz des heißen, schweren Kostüms ist es eine der angenehmeren Schichten. Immerhin muss man nicht lächeln.

      Eine ältere Dame macht ein Bild von mir, dann geht sie auf Donnie zu.

      »Entschuldigen Sie, junger Mann, arbeiten Sie hier?«

      »Was hat mich verraten?«, sagt er und steht auf. »Es war mein strahlendes Lächeln, oder? Wie kann ich Ihnen helfen?«

      »Können Sie mir sagen, wann die Halloweenparade beginnt?«

      Er schaut auf seine Armbanduhr, dann wieder in das Gesicht der Frau. Soweit ich es beurteilen kann, hält er alle von Bellmores Regeln ein. Wenn ein Gast uns etwas fragt, müssen wir ihm direkt in die Augen sehen. Für ein Gespräch mit Kindern müssen wir auf ein Knie gehen. Jede noch so dumme Frage muss ernst genommen und mit einem Lächeln beantwortet werden.

      »Nun, es ist April, also würde ich sagen, Sie haben vor der Parade noch etwa ein halbes Jahr, um all unsere anderen Attraktionen zu genießen.«

      Er lacht, und für einen Moment hört man nur das Rattern und Kreischen der Achterbahn neben uns. Dann lacht auch die Besucherin. Sie bedankt sich und verschwindet in Richtung Geisterhaus. Vielleicht wird sie unserem König Bericht erstatten, ob Donnie alles richtig gemacht hat – wir müssen immer damit rechnen, dass wir es mit Bellmores Schatten zu tun haben, mit getarnten Angestellten, die heimlich für ihn testen sollen, ob unsere Interaktion mit der Kundschaft zufriedenstellend ist. Mystery Shopping, um zu prüfen, ob unsere Mundwinkel nach oben zeigen und wir artig Bitte und Danke sagen. Vielleicht war sie nur eine ganz normale Parkgästin.

      Donnie hat sein Dienstlächeln schon wieder abgelegt und schraubt weiter. Als Mechaniker hat er nur diese eine Schicht, Reparatur und Wartung, Tag für Tag, und irgendwas ist immer kaputt oder muss geölt, nachjustiert, neu kalibriert werden. Während er den Grund dafür sucht, dass das Karussell einfach aufgehört hat, sich zu drehen, erzählt er weiter von der einen Attraktion, die man nicht mit Werkzeug und einer Ingenieursausbildung davon abhalten kann, Kinder zu verletzen oder zu töten.

      Einen Dreijährigen im Indoor-Spielplatz Hoppin’ Houses zum Beispiel. 2007 in Washington von herumspringenden Erwachsenen zerdrückt.

      Einen Fünfjährigen im kroatischen Magic City-Parkour mit aufblasbaren Hindernissen, Kletternetzen und Ballgruben. 2010 von Seilen stranguliert.

      Dutzende, vielleicht Hunderte, die von der aufblasbaren Titanic-Rutsche gefallen sind – in Kanada, Schottland, Spanien und unzählige weitere Male überall auf der Welt. Donnie muss lachen, als er einmal mehr davon erzählt.

      »Eine der größten Katastrophen der Schifffahrt als Vorbild für die vielleicht gefährlichste Attraktion, die es gibt. Als bräuchten Vergnügungsparks noch weitere Erinnerungen daran, dass man in ihnen ihr Leben riskiert!«

      Und der nächste Lunaphobia-Zug schießt an uns vorbei.

      Es sind keine anderen Menschen in Sichtweite, also neige ich meinen riesigen Rabenkopf in Donnies Richtung und erinnere ihn daran, dass so etwas hier nie passiert ist. Die Hüpfburg, die einst angeschafft wurde, ist nie aufgestellt worden. Unsere Paintball-Arena wurde aufgrund von Sicherheitsbedenken doch nicht eröffnet. Corona Kingdom ist seit der Eröffnung absolut unfallfrei. Das hier ist nicht Avalanche Rocks.

      Donnie schnaubt verächtlich und will etwas erwidern, da bleibt sein Blick in der Ferne hängen. Ich drehe mich um und sehe, was ihn zum Schweigen bringt. Jasper Bellmore wagt sich einmal mehr aus seinem Büro hoch über dem Park und spaziert inmitten der Kundschaft umher. Zeit, die perfekte Mitarbeiterin zu geben.

      Ich schlendere die Straße entlang, als hätte ich nicht die letzte Stunde neben Donnie rumgestanden und gehofft, es würde niemand vorbeikommen. Wenn Bellmore eine seiner Erkundungstouren durch sein Königreich macht, müssen wir uns alle von unserer besten Seite zeigen. Wenn er mitbekommt, dass eine seiner Regeln nicht eingehalten wird, sind uns Überstunden, Zusatzaufgaben und die unbeliebtesten Schichten sicher. Niemand wird jemals entlassen. Wir sind eingesperrte Tiere. Wie die Raben im Tower of London, deren Flügel gestutzt werden, weil Großbritannien untergeht, wenn sie je davonfliegen. Selbst Aram musste nicht gehen, nachdem er am Sonnentor für Aufruhr gesorgt hat. Stattdessen darf er die nächsten Wochen das Unkraut aus den Fugen in den Gehwegen kratzen. Nachts natürlich, damit keiner sieht, welche Verhältnisse hier herrschen.

      Es ist nicht so, als hätte nie jemand versucht, einfach zu gehen. Bellmore hat sich nur gegen jede Eventualität vertraglich abgesichert. Er bürgt für die meisten Häuser und Wohnungen seiner Angestellten. Viele von uns könnten obdachlos werden, wenn wir kündigen. Er hat das Recht, unser Gehalt zu kürzen, wenn der Park wegen Streiks der Belegschaft weniger einnimmt. Er hat genügend Kontakte zur Presse, dass er jeden Versuch, die Öffentlichkeit auf die Missstände aufmerksam zu machen, verhindern kann, bevor auch nur ein Wort gedruckt wird. Mit alldem im Hinterkopf werden die Schichten, in denen man nicht lächeln muss, noch mal angenehmer.

      Ich gebe ein paar Autogramme auf Rabe-Büchern, Lageplänen und frisch gedruckten Fotos von Achterbahnfahrten. Bellmore streift indessen mit dem Finger über die Rückenlehne einer Bank am Wegrand und betrachtet seine Fingerkuppe.

      Wie weit ich auch gehe, neben mir erstreckt sich weiter Lunaphobia. Die violette Stahlkonstruktion ist von jedem Punkt des Geländes aus zu sehen. Die Schreie aus den Zügen hallen bis auf die Parkplätze vor dem Eingang. Die kolossale Achterbahn ist die bekannteste Attraktion des Parks und hält mehrere Weltrekorde. Größer als Kingda Ka in New Jersey. Schneller als Formula Rossa in Abu Dhabi. Drei Loopings und unzählige steile Abfahrten sorgen dafür, dass wir nach Feierabend nicht nur Mützen und Stifte zwischen den Stützpfeilern finden, sondern auch ein Best-of des gastronomischen Angebots des Tages.

      Und unser Feiertagsbonus besteht aus Gutscheinen für Burger und Orangen-Coronade.

      Ich

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