Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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wo ich hin will. Auf der Straße folgen mir auch die anderen. Sie lösen sich ab, verstehen Sie? Sie sind perfekt organisiert. Ich weiß nicht, wie sie sich unterwegs verständigen. Per Handy vielleicht? Außerdem sind da noch die Autos ...« Er verstummte und schien nach Worten zu suchen.

      »Die Autos?«

      Hajo Claus nickte bedeutungsschwanger.

      »Sie stehen am Radweg an strategisch günstigen Stellen, wenn ich mit dem Fahrrad unterwegs bin. Bin ich zu Fuß, parken sie einfach irgendwo am Straßenrand, und dann, wenn ich vorbeikomme, dann fängt wieder das Kribbeln an. Dann wird mir übel, und ich verliere ganz plötzlich das Gleichgewicht. Die Ohren sind zu, und dann fangen diese grässlichen Kopfschmerzen an. Alles verschwimmt vor meinen Augen. Zu Hause kann ich nicht mehr lesen. Sie bestrahlen mich, verstehen Sie? Mit Hochfrequenz. Überall. Nicht nur zu Hause, sondern auch draußen. Sogar im Bus. Und nachts kommt dann die Wolke von unten. Oder besser der Strahl. Aus Rosenbuschs Wohnung. Wenn ich liege, fühlt es sich unter mir an wie sprudelndes Wasser. Als wenn man in einem Whirlpool mit dem Rücken vor der Düse sitzt. Nur ist es kein Wasser, sondern Energie. Eine sprudelnde Energiequelle, nur eine Handbreit im Durchmesser. Unter mir, wenn ich im Bett liege.«

      Mellie schluckte und schwieg. Was gab es da noch zu sagen?

      »Die bestrahlen mich, vielleicht sogar mit Strahlung im Mikrowellenbereich, verstehen Sie, weil ich dann doch immer das Gleichgewicht verliere. Und ich will wissen wer. Ich meine außer Rosenbuschs natürlich. Rosenbuschs Adresse kenne ich ja, aber wer sind die anderen? Wie heißen sie? Wo wohnen sie? Deshalb bin ich hier. Manchmal hupen sie auch, die Autofahrer, damit ich merke, dass sie mich aufgespürt haben. Die im Auto trauen sich so etwas. Die mir zu Fuß folgen, kriegen Schiss und laufen weg, wenn ich mich umdrehe und auf sie zugehe.«

      Mellie atmete tief durch. »Was genau soll ich für Sie tun, Hajo? Was kann ich tun?«, stieß sie krächzend hervor, und ihre Stimme schwankte unsicher.

      Er drehte den Kopf, starrte sie an und runzelte die Stirn. »Wie ich schon sagte: Ich will Namen. Namen und Adressen. Ich will wissen, wer mir folgt und wer mich bestrahlt. Außer Rosenbuschs, meine ich. Ich kann nicht mehr. Ich halte es nicht länger aus. Es muss aufhören. Ich kann nicht mehr schlafen, weil da diese Strahlenquelle nachts unter meinem Bett sprudelt. Mein Herz holpert. Meine Füße und Hände tun mir so furchtbar weh. Vor allem die Fußsohlen brennen ganz schrecklich. Die Füße und Hände sind voll mit kleinen, sich verzweigenden Nerven, wussten Sie das? Deshalb tun Verletzungen an Füßen und Händen besonders weh. Es ist auch nicht so, dass die Strahlung nur von unten kommt. Auch von den Seiten. Von draußen. Aus anderen Wohnungen. Wenn ich Namen und Adressen habe, dann kann ich etwas unternehmen, wissen Sie? Mir Hilfe holen und machen, dass es aufhört. Von Ihnen brauche ich nur die Namen und Adressen, weiter nichts.«

      Mellie hielt es ebenfalls nicht länger aus und stieß mühsam hervor. »Ich sage Ihnen, was wir machen. Sie geben mir ihre Telefonnummer. Ich bespreche Ihren Fall mit meinen Kollegen, und vielleicht hat der eine oder andere eine Idee, wie wir Ihnen helfen können. Und bis dahin fahren Sie einfach wieder nach Hause und trinken eine schöne Tasse Tee.«

      Nerventee. Oder Baldrian. Am besten ein Tranquilizer in hoher Dosierung.

      »Ich wusste es. Sie glauben mir nicht. Sie denken doch nur, Herrgott noch mal, was ist der Kerl durchgeknallt.« Er sprang erstaunlich geschmeidig auf die Beine. Mellie fuhr ebenfalls hoch und trat hastig einen Schritt zurück, die großen grünen Augen weit aufgerissen.

      Sein Benehmen war wie ausgewechselt, unverhohlene Wut verlieh ihm offenbar einen Energieschub, der die letzten Reserven aus seinem schmächtigen Körper zu holen schien. Er bebte am ganzen Leib, selbst sein Ziegenbart bebte. Was, wenn er sie angriff, dieser Verrückte? Doch er langte nur in seine Jacketttasche und zog eine verknitterte Visitenkarte heraus. »Hier, da steht alles drauf. Name, Telefonnummer, alles. Sie rufen mich an? Klar doch. Tut uns leid, Herr Claus, aber Verrückte verweisen wir grundsätzlich an die Landesklinik weiter. Toll und danke auch.« Er holte Luft. »Aber bitte, wenn Sie kein Geld verdienen wollen, ist das Ihre Sache. Und steht nicht auf Ihrer Website: Wir nehmen jeden Auftrag an? Bei uns sind Sie in den besten Händen? Himmel, wie konnte ich nur so blöd sein? Wenn ich übrigens höre, dass Teile dieses Gesprächs die Detektei verlassen haben, oder wenn der sozialpsychiatrische Dienst bei mir klingelt, verklage ich Sie.«

      Ohne ein weiteres Wort fuhr er auf den Hacken herum und knallte die Haustür hinter sich zu, dass der Ficus in der Ecke sich weiterer Blätter entledigte.

      Mellie sank in den Sessel zurück. Hatte sie diese brenzlige Situation nun brillant gemeistert oder nach Strich und Faden vermasselt? Sie wusste es selbst nicht, aber als sie in sich hineinhorchte, hörte sie eindeutig das Rumoren großen Unbehagens. Eins stand nun jedenfalls ohne Zweifel fest. Dieses Metier war nichts für sie. Hundertmal lieber als mit Verrückten unterhielt sie sich mit der Festplatte ihres Computers zu Hause im Gartenhäuschen.

      Sie beugte sich vor und angelte nach der Visitenkarte, die der Möchtegernklient zurückgelassen hatte. Ihr stockte der Atem:

      Ihre Präsenz im Internet. Hajo Claus. Webdesigner. Es folgte die Kontaktadresse. Na ja, vielleicht gab es auch noch andere Berufe, die ihr Spaß machten. Es musste nicht unbedingt Webdesign sein.

      3

      Alice fror, was kein Wunder war, wenn man bedachte, das sie hinter einem noch taunassen Busch unten an der Weser hockte. Sie trug Kopfhörer und hielt ein leistungsstarkes Richtmikrofon über ein paar Buhnen und den schmalen Motorboothafen hinweg geradewegs auf eine eher bescheidene Jacht gerichtet. Verstehen, was im Inneren der Jacht gesprochen wurde, konnte sie nicht, dafür hörte sie aus dem Kopfhörer hervorragend das Geschrei der Wildgänse, die gerade über ihrem Kopf zu ihren Sommerquartieren zogen. Am anderen Weserufer stritten zwei Angler, deren Leinen sich verheddert hatten, wessen Schuld das Kuddelmuddel war und ein Dritter murmelte Gott, würde ich die gern ficken und winkte zu ihr herüber.

      Sie konnte nur hoffen, die Turteltäubchen würden sich irgendwann bequemen, die warme Koje unter Deck zu räumen, um sich oben im Freien darüber zu unterhalten, wie sie am Geschicktesten an das Vermögen seiner Ehefrau kamen. Das glaubte jedenfalls die betrogene Ehefrau und sah sich selbst schon als Leiche mit einem Föhn in der Badewanne. Alice hielt sich aus dem Glauben heraus. Sie wurde dafür bezahlt, das Liebespärchen zu überwachen und zu belauschen, und genau das tat sie hiermit. Sollte sie etwas Verwertbares erlauschen, würde sie den Rekorder in ihrem Rucksack einschalten und die Unterhaltung direkt über die Verbindung zum Mikrofon aufnehmen. Wenn nicht, auch gut. Grundsätzlich hielt sie jeden Menschen für jede denkbare Tat fähig.

      Außerdem gab es zweihundert Euro pro Tag für die Detektei, und dieser Montag war der fünfte Tag ihrer Überwachung. Eintausend Euro, die sie in nur einer Woche der Detektei eingebracht hatte. Fred platzte beinahe vor Wut, denn sein Verdienst in exakt derselben Zeitspanne belief sich gerade mal auf sechshundert Euro für drei Nachtwachen vor einem attentatsgefährdeten Taubenschlag.

      Arschloch, dachte Alice mit Inbrunst. Schon als kleines Kind war er ein aufgeblasener, kleiner Mistkerl gewesen, sie konnte sich noch gut daran erinnern, und heute war er ein aufgeblasener, großer Mistkerl.

      Die Hocke erwies sich auf Dauer als außerordentlich anstrengend. Alice dachte an den Klappstuhl im Kofferraum ihres Fiat Panda und spielte mit dem Gedanken, ihn zu holen. Der Wagen parkte neben dem Gasthaus der Tündern’schen Warte, nur drei- oder vierhundert Meter entfernt. Andererseits misstraute sie Gevatter Zufall. Wenn sie der Jacht jetzt den Rücken zukehrte, würden sich unter Garantie wenige Minuten später zwei nackte, verschlungene Leiber ekstatisch auf dem Eisendeck wälzen und auf dem Höhepunkt ihrer Lust in die Welt hinausbrüllen, wie sie Frau Heppelweit-Nieberg

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