Mörderische Schifffahrt. Charlie Meyer

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Mörderische Schifffahrt - Charlie Meyer

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stehend registrierte er den Rost und die Algen auf dem Eisen. Er sah sie von ganz nah, keine zehn Zentimeter entfernt. Rost und Algen. Immer weiter sackte er nach unten, während Unmengen kleiner Luftbläschen nach oben trieben. Er wehrte sich nicht. Kopfüber ließ er sich einfach nach unten sacken, die Ellenbogen neben den Ohren, während seine Hände den Griff des Messers im Nacken umklammerten, und es herauszuziehen versuchten. Kälte breitete sich in seinem Körper aus, und ihm war, als gefriere ihm das Mark in seinen Knochen.

      Dann plötzlich spürte er einen starken Sog, und Dickie Blume, der talentierteste Rattenfänger von Hameln, fand keine Kraft mehr, sich dem Sog zu widersetzen. Das Wasser um ihn herum begann zu brodeln.

      Nein, dachte er, noch immer jenseits der Grenze zur Bewusstlosigkeit. Nicht die Schiffsschraube. Bitte nicht die Schiffsschraube, lieber Gott ...

      2

      Privatdetektei Roderich, Hupe und von Rhoden stand in bunten Buchstaben auf einem handgefertigten Tonschild.

      Fred Roderichs Großvater hatte seine berufliche Karriere als armer Töpfer begonnen und als reicher Steuerberater beendet. Der Brennofen stand noch immer im Keller der Villa an der Klütstraße und half Fred Roderichs Freund Axel, seine Tage mit Anstand hinter sich zu bringen. Einer bezahlten Beschäftigung ging er nicht nach.

      Fred Roderichs Äußeres entsprach dem eines in die Jahre gekommenen Yuppies, sein Ego litt unter den verpassten Chancen, die ihm das Leben geboten hatte. In jungen Jahren hatte er Gott weiß was werden wollen – und können -, war aber an seiner eigenen Trägheit gescheitert. Die dreistöckige Villa hatten ihm seine Großeltern hinterlassen, als sie sich auf ihren Altersruhesitz in Kitzbühel zurückzogen. Wer weiß, mochten sie gedacht haben, vielleicht ist dieses Geschenk für unseren Versager von Enkel so etwas wie ein Fußtritt in den Allerwertesten, der ihn zu großen Taten anfeuert. Das war vor drei Jahren gewesen.

      Das Konzept ging seltsamerweise auf. Fred Roderich gab sich und seinem Leben einen entschiedenen Ruck nach vorn. Er vermietete die beiden oberen Etagen der Villa und – obgleich er von den Mieteinnahmen locker hätte leben können - eröffnete er im Erdgeschoss eine Privatdetektei. Detektiv schien ihm der geeignete Beruf für jemanden ohne Ausbildung, vor allem, wenn er sein eigener Herr sein wollte und ein einigermaßen interessantes Tätigkeitsfeld suchte. Preislich unterbot er die schon länger in Hameln ansässigen Privatdetekteien, und die Auftragslage erwies sich im ersten Jahr als unerwartet gut. Die Kriminalitätsrate stieg ebenso an wie die Scheidungsrate, und Nachbarschaftsstreitigkeiten mit nächtlichen gegenseitigen Attacken explodierten geradezu.

      Roderichs erster Fall, eine Frau, die ihren Mann der Untreue verdächtigte und für zweihundert Euro täglich den Privatdetektiven Fred Roderich in Anspruch nahm, löste sich quasi von selbst. Dem fremdgehenden Ehemann, Herrn Kaminski, fiel die knallgrüne Ente auf, die ihm den lieben, langen Tag folgte und es kam zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen Detektiv und observierter Person, in dessen Verlauf Fred Roderich sich ein blaues Auge einfing und dankend auf sein Honorar verzichtete. Danach fuhr Herr Kaminiski nach Hause, gestand Frau Kaminiski nicht nur einen, sondern gleich drei Seitensprünge und reichte die Scheidung ein. Frau Kaminiski zeigte sich beeindruckt von diesem detektivischen Blitzerfolg, auch wenn sie sich gar nicht hatte scheiden lassen wollen.

      Obgleich er kläglich versagt hatte bei dieser seiner ersten Observierung, zog sie einen Schwanz ähnlicher Anfragen aus dem Umfeld der Kaminskis nach sich. Auf nachdrückliches Bitten seiner Eltern stellte Roderich im Jahr darauf seine Cousine zweiten Grades, Alice Hupe, ein, die nach einem schweren Schicksalsschlag aus der Metropole München in die Heimat zurückgezogen war. Er und Alice hatten sich schon als Kinder nicht ausstehen können, und daran änderte sich auch im Verlauf ihrer Zusammenarbeit nichts. Welcher Schicksalsschlag sie bewogen hatte, ins Weserbergland zurückzukehren, dorthin, wo der Bär nicht mal dann tobte, wenn man ihm Knallfrösche in den Hintern schob, erfuhr er nie. Vielleicht gab es gar keinen, und seine Eltern waren Alices Lügen ebenso aufgesessen wie er den Tränen und Beschwörungen seiner Mutter. Zwei Wochen nach Alice Hupes Einstellung fuhr sein Vater den Familienvolvo frontal gegen eine Platane, und Fred war Waise.

      In der Detektei allerdings erwies sich Alice Hupe als äußerst effektiv, womit sie ihm keine Chance gab, ihr Angestelltenverhältnis wegen Unfähigkeit aufzukündigen. Um sie zu ärgern und einen Gegenpol zu schaffen, stellte er im dritten Jahr eine weitere Frau ein, obgleich die Auftragslage gerade eben zwei Vollzeitdetektive auslastete. Melanie von Rhoden war der letzte Spross eines total verarmten Adelszweiges und lebte vom Frühjahr bis zum Herbst in einem Gartenhäuschen der Kleingartenkolonie Am Heideweg. Ganz oben auf dem Berg im letzten Haus vor dem Feld. Wo sie im Winter abblieb, würde sich herausstellen, sie arbeitete erst seit vier Wochen in der Detektei, und der Kalender zeigte gerade mal die erste Maiwoche an.

      Damit die Detektei größer und bedeutender klang, ließ Fred Axel ein Schild töpfern, auf dem Roderich, Hupe und von Rhoden stand, was allein schon rein rechtlich eine Falschaussage war. Eingetragener Gründer und Betreiber der Detektei war einzig und allein Fred Roderich. Die Ergänzung Hupe und von Rhoden diente lediglich der Augenwischerei. Eine Kragenechse stellt ihren Kragen auf, um größer und bedrohlicher zu wirken, Fred ließ Axel ein Schild mit drei Namen töpfern.

      An diesem Morgen schloss Melanie von Rhoden die Tür zu Freds Gründerzeitvilla auf und nahm jene heilige Handlung in Angriff, die in jedem Büro zu Beginn der Arbeitszeit in Angriff genommen wird: Wasser in die Maschine füllen, den alten Filter in den Abfall werfen, den neuen einlegen. Mit anderen Worten: Kaffee kochen. Und das, obgleich sie selbst nur Kräutertee trank.

      Melanie von Rhoden war ein zierliches Persönchen mit dicken braunen Haaren, die ihr in einem Zopf den Rücken hinunter bis zur Taille hingen. Aus dem herzförmigen Gesicht blickten große, grüne Augen ein wenig erstaunt in die Welt, und auch ihre bevorzugte Kleidung, karierte Faltenröcke zu flauschigen Rollkragenpullovern und Birkenstocksandalen, ließ gern und schnell den Verdacht des weltfremden Träumerchens aufkommen.

      Doch was sich hinter ihrer glatten Stirn an Zahnrädern drehte, war weder altmodisch noch blockiert, sondern fraglos auf dem neusten Stand der Technik. In den vier Wochen, die sie für Roderich nun arbeitete, hatte sie der Detektei eine Internetpräsenz verschafft und den Quellcode jeder einzelnen Seite der gesamten Website eigenhändig und mit überaus flinken Fingern in HTML und Cascading Style Sheets geschrieben. Nur zwei Wochen später entdeckte Google die Website, und wer heute die Begriffe Hameln und Privatdetektiv googelte fand die Detektei an erster Stelle.

      Allerdings hatte sich an der diesjährigen Frühjahrsauftragsflaute noch nicht viel geändert, aber der erhoffte Ansturm konnte schließlich jeden Tag einsetzen. Durchaus auch morgen oder übermorgen. Oder erst in drei Tagen. Aber er würde kommen, da waren sich alle einig.

      Als die Kaffeemaschine die letzten Wassertropfen durchgurgelte, und eine verführerische Duftwolke durch die Villa zog, tauchte Fred Roderich aus dem Privattrakt des Erdgeschosses auf, den er zusammen mit seinem Freund Axel bewohnte. Wie immer frisch gestylt und in geschmackvollem Arbeitslook knitterfrei gekleidet. Helle Leinenhose, weißes Hemd und zur Auflockerung eine Weste, die an leuchtender Farbigkeit ihresgleichen wohl kein zweites Mal fand, zumindest nicht in Hameln. Seine blonden Haare mit den ausgeprägten Geheimratsecken, beides ein Erbteil seines Vaters, standen scheinbar ungebändigt, in Wirklichkeit aber sorgsam gegelt, in alle Richtungen ab. Seine Mutter hatte ihm dunkle Augen unter dunklen Brauen hinterlassen. Seine Brille mit den eckigen, schwarz gefassten Gläsern stammte mit Sicherheit aus keinem Kaufhaus und beherrschte das schmale Gesicht mit den markanten Zügen. Lange über seine Jugend hinaus musste er wie ein liebenswerter Lausbub ausgesehen haben, jetzt wirkte er wie der Vater des Lausbubs, der in die Jahre kommt. Der schmale Silberreif in seinem linken Ohrläppchen war mit dezenten Brillantsplittern gespickt.

      Dafür, dass sich Fred Roderich beinahe

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