DAS OPFER. Michael Stuhr

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу DAS OPFER - Michael Stuhr страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
DAS OPFER - Michael Stuhr

Скачать книгу

Schulter. Sie legt den Arm um mich. Diese kleine, liebevoll tröstliche Geste bricht den Bann vollends.

      Mit der Verkrampfung lösen sich auch endlich die vielen ungeweinten Tränen, die in meiner Kehle feststecken wie ein hart gekochtes Ei. Die ganze Wut und Enttäuschung über Alicia und Diego, über diese Hacker und dieses ganze Lügengebäude, mit dem Diego mich hierher nach Berkeley gelockt hat, steigt brennend in mir hoch. „Warum hat er das getan ...warum?“, schluchze ich. „Wie konnte er mich so einkaufen? Hacker beschwatzen, damit sie mir ein fingiertes Stipendium basteln? Und diese Alicia wusste davon. Wahrscheinlich haben sie sich darüber kaputt gelacht, wie gutgläubig ich in die Falle getappt bin. Ein Stipendium für Lana Rouvier, wie blöd muss man sein, um das wirklich glauben zu können?“

      Alles sprudelt aus mir heraus. Wortlos zieht Lou mich an sich und drückt ihre Wange an meine Haare. Still hört sie mir zu und drückt ab und zu meine Schulter.

      Als ich schließlich schweige, murmelt Lou: „Auch wenn du das jetzt vielleicht nicht hören willst Lana, aber diese ganze Sache klingt nicht nach Diego, absolut nicht! Der hätte es dir erzählt. Er hätte mit offenen Karten gespielt. Der hätte das niemals heimlich gemacht!“

      Wütend richte ich mich auf und schiebe mich von Lou weg: „Hältst du auch zu diesem Lügner? Glaubst du wirklich, dass ich das glauben könnte, nach allem, was Alicia mir erzählt hat? Woher sollte sie denn sonst von der ganzen Sache wissen, hä? Sie kannte sogar das Zeichen mit dem Dreizack, das überall auf meinen Dokumenten zu sehen ist. Woher sollte sie das wissen, wenn sie es nicht vorher gesehen hätte?“

      Lou zuckt mit den Schultern und schaut ins Feuer. „Von diesem Hacker vielleicht? Die beiden kennen sich.“

      „Ja klar, der wird ihr auch gerade sagen, dass er ein linkes Ding gedreht hat!“

      „Du kennst Alicia nicht Lana, die kriegt alles aus den Leuten raus, was sie will! Das ist eine Schlange und eine verdammte Heuchlerin. Ich kenne sie!“ Lou schüttelt den Kopf und spielt mit dem Löffel in ihrem Teebecher.

      Wütend starre ich Lou an, aber wie sie das so sagt und so traurig neben mir sitzt, wird mir plötzlich bewusst, dass auch sie sich in dieser Nacht das Leben hatte nehmen wollen, und nun sitzt sie hier und muss mich trösten und beruhigen. Ich komme mir plötzlich ziemlich egoistisch vor.

      Ich rutsche wieder zu Lou heran und lege ihr eine Hand auf den Arm. „Tut mir Leid, ich wollte dich nicht angreifen. Du hast genug eigenen Kummer, und ich denke nur an mich. Warum wolltest du es tun Lou? Warum?“

      Lou seufzt auf. „Ja, warum? Alicia hat wohl immer noch Macht über mich.“

      „Du meinst diese Prätorianerkraft?“ flüstere ich und starre dabei ins Feuer. Die Bilder dieser wilden Seewesen, die Caetan in die Tiefe zogen und der betörende Gesang der Prätorianerfrauen. - Mich hatte es doch damals auf den Bermudas auch schon gepackt. Und heute Nacht ist es Alicia beinahe gelungen, mich in den Tod zu treiben. „Aber ich dachte, ihr seid dagegen immun, also es ist doch eure eigene Rasse. - Ich verstehe das nicht.“

      „Weißt du“, flüstert Lou neben mir, „irgendwann wird einfach alles zu viel, irgendwann hält man dieses ständige verletzt werden und diese ständigen Verluste einfach nicht mehr aus. Schätze, dieser Punkt war heute Nacht erreicht. Ich hatte plötzlich selber das Gefühl, dass Alicia Recht hat, und dass das der richtige Ausweg wäre.“

      „Also auch wegen mir?“ frage ich leise. Immer noch sehe ich sie alleine hier am Pool sitzen, als ich gestern ohne ein Wort gegangen bin.

      „Nein, nicht wegen dir, sondern weil ich mit dieser ganzen Situation langsam nicht mehr klar komme. Deine ehrlichen Gefühle haben mir gezeigt, wonach ich mich wirklich sehne und hinter was ich schon mein Leben lang herlaufe. Dann, heute Nacht, deine Unterhaltung mit Alicia: Ich hab gesehen, wie traurig du auf diesem kleinen Stuhl gehockt hast. Ich hab deine Verzweiflung gespürt wie meine eigene. Du warst so verletzt wie ich. Ich hatte das Gefühl ...“ Lou verstummt.

      Ich weiß nicht, was ich sagen soll und lege stattdessen einfach einen Arm um sie. Lou drückt ihren Kopf an meine Schulter. So sitzen wir schweigend und betrachten das Spiel der Flammen im Kamin. Was soll man auch sagen nach so einer Nacht, nach diesen Erfahrungen, die die Grenze des Ertragbaren für uns beide so weit überschritten haben?

      Ich merke, wie mir die Augen zufallen wollen. Krampfhaft reiße ich sie wieder auf. Ich will es nicht sehen, dieses kalte schwarze Wasser. Immer wieder spüre ich, wie es mich umschlingt, so als sei es eine Erinnerung an die heutige Nacht. Dabei ist es ein Nachklang der Todesangst, die ich unter Dolores’ Yacht verspürt habe. Diese Kälte und Dunkelheit. Seltsam, dass ich mir trotzdem ausgerechnet das Wasser ausgesucht habe.

      „Lou?“

      „Ja?“

      „Ich – ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, es ist vielleicht kindisch, aber ich will nicht alleine schlafen. Ständig tauchen diese Bilder wieder auf. Ich ...“ hilflos schweige ich. Wie muss das klingen für ein Mädchen wie Lou. Fast wie ein Antrag! Dabei will ich wirklich einfach nur schlafen und mich dabei sicher fühlen.

      Lou drückt sich an mich. „Mir geht’s genauso. Einfach nur jemanden neben sich spüren und sich sicher und geborgen fühlen. Mit seinen Gedanken nicht allein sein müssen.“

      „Ja!“

      „Dann lass uns schlafen gehen. Ich stecke deine Sachen gerade noch in den Trockner. Die Maschine müsste fertig sein.“ Lou steht auf und ist nach zwei Minuten zurück. „Komm!“ Sie streckt mir ihre Hand hin. Ich ergreife sie. Die Decke rutscht mir von den Schultern. Ich will sie fest halten, aber sie fällt schon zu Boden.

      „Lass sie einfach liegen“, murmelt Lou und zieht mich mit sich.

      Ich höre das Zwitschern von Vögeln. Ich mache zögernd die Augen auf und sehe, dass der erste Schimmer des neuen Tages dem Himmel schon eine tiefgraue Färbung gegeben hat. Neben mir höre ich Lous gleichmäßige Atemzüge.

      Still bleibe ich liegen und horche in mich hinein. Da ist immer noch diese grenzenlose Leere und Erschöpfung. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, jetzt aufzustehen und irgendetwas zu tun. Was auch? Was wartet denn noch auf mich in diesem Land?

      Ganz tief in mir regt sich ein leiser Widerspruch: Was ist mit meinen Träumen zum Beispiel? Soll ich wirklich nur deswegen das ganze Studium hinschmeißen? Das wäre doch bescheuert! Ich hätte nie wieder so eine Chance!

      Ich will diese Gedanken nicht und wälze mich zur Seite. Lou liegt zusammengerollt wie ein Kätzchen neben mir und rührt sich nicht.

      Nur nicht nachdenken! Eine bleierne Müdigkeit scheint alle meine Glieder zu lähmen. Ich schließe die Augen und versuche, wieder einzuschlafen, aber es gelingt mir nicht. Wie eine Flutwelle strömen die Ereignisse des gestrigen Abends auf mich ein.

      Ich wälze mich auf die andere Seite und starre an die Wand. Dort hängt ein Farbdruck der Sternennacht von Vincent van Gogh. Ich versuche, meinen Blick darauf zu konzentrieren, um mich von diesen anderen, hässlichen Bildern zu befreien. Aber sie füllen meinen Kopf wie ein klebriger Brei. Sie wollen sich nicht verdrängen lassen. Sie sind wie diese wirbeligen, unruhigen, dicken Pinselstriche, die den Nachthimmel über dem kleinen Ort auf dem Gemälde bedecken.

      Wie zerrissen muss van Gogh gewesen sein, als er dieses Bild malte? Es ist, als hätte er meine Stimmung einfangen wollen. Diese Wirbel und Striche und Kreise wirken bedrohlich, stürmisch und unheimlich. Ich komme nicht zur Ruhe.

      Mit

Скачать книгу