DAS OPFER. Michael Stuhr

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DAS OPFER - Michael Stuhr

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den Mann, der in der Seine ertrunken war. Sein Fleisch war so aufgedunsen gewesen, dass sein Hemd und seine Hose ihn umschlossen hatten, wie eine zweite Haut. Gesicht und Hände waren von einer grau - weißen Farbe gewesen, und die Flussfische hatten ihn schon angefressen. Am nächsten Tag hatte in der Zeitung gestanden, dass man ihn vor einer Woche in Melun als vermisst gemeldet hatte. So einen Anblick braucht man nicht wirklich. Ich hatte noch monatelang davon geträumt, und nun besteht der Detective darauf, dass ich mit in den Keller komme, um mir Alicia anzuschauen. Ich versuche mich mit dem Gedanken zu trösten, dass sie ja gestern Abend noch gelebt hat. Sie kann also unmöglich so schrecklich aussehen, wie der Mann aus der Seine, aber das mulmige Gefühl bleibt.

      Wir steigen eine Treppe hinunter in den Keller des Police-Departments. Detective Larence unterhält sich angeregt mit einem Cop, der uns begleitet. Ich schnappe etwas auf von einem Besäufnis bei einer Grillparty. Mir wird schlecht. Ich merke, dass ich seit gestern Morgen nichts mehr gegessen habe. Mit Bedauern denke ich an die leckeren Pancakes, die Lou heute Morgen gebacken hat. Hätte ich mir doch nur einen davon mitgenommen.

      „Da wären wir!“ Die Stimme des Cops reißt mich aus meinen Gedanken. Er steht vor einer Metalltür mit der Aufschrift: Morgue. Mein Magen verkrampft sich.

      Der Cop grinst mich an. „Nun los“, sagt er, „Tote beißen nicht!“

      „Sehr witzig“, murmele ich und gehe an ihm vorbei durch die Tür, die er mir aufhält.

      Ich trete in einen Raum mit einer Glasscheibe. Der ganze Bereich ist weiß gekachelt. In der Ecke steht ein Metalltisch mit zwei Stühlen. Mich fröstelt.

      Detective Larence tritt neben mich. Sein Gesicht ist nun auch ernst. Leicht fasst er mich am Ellenbogen und führt mich zu der Glasscheibe, die von der anderen Seite durch eine Jalousie verdeckt ist. Die Berührung seiner Hand und die Kälte, die dieser Raum ausstrahlt, lassen mich erneut schaudern. Wir stehen vor der Glasscheibe.

      „Bereit?“ fragt er mich.

      Ich nicke stumm.

      Larence drückt den Knopf einer Gegensprechanlage und sagt: „Shepard! Es kann losgehen.“

      „Okay“, ertönt es schnarrend aus dem Lautsprecher und langsam öffnet sich die Jalousie.

      Ich atme tief ein. Mir ist schwindelig. Ich habe Angst. Ich spüre, wie sich meine Nackenhaare hochstellen.

      Als die Lamellen sich geöffnet haben, sehe ich auf eine Bahre aus Metall. Darauf liegt eine Gestalt, die mit einem weißen Tuch bedeckt ist.

      „Mach schon, lass die junge Lady nicht so lange warten. Sie steht auf Frauen, weißt du“ sagt Larence laut.

      Ich sehe ihn an. „Könnten Sie das bitte lassen?“ Ich würde ihm mit tausend Freuden mal so richtig in den Hintern treten. Was für ein Schwein!

      Shepard auf der anderen Seite der Glasscheibe nickt. Ein Goldzahn blitzt in seinem Mund auf, als er die dünnen Lippen zu einem fiesen Grinsen verzerrt. „Ich verstehe“, sagt er, „dann wollen wir mal.“

      Schwungvoll reißt er das Tuch von der Gestalt und ich taumele zurück. Ich stütze mich an der Wand neben mir ab, presse die Hand vor meinen Mund und starre durch die Glasscheibe - fassungslos. Was zum Teufel liegt da? Das kann unmöglich Alicia sein. Ein bleich aufgedunsenes Etwas, die Lippen mit gebleckten Zähnen geöffnet, das behaarte Geschlechtsteil auf bizarre Art aufgebläht. Schweiß tritt mir auf die Stirn. Ich hätte nicht geglaubt, dass das möglich ist, aber die Frau hier sieht noch viel schlimmer aus als der Mann aus der Seine.

      „Shepard!“, meckert Detective Larence, während er mich grinsend beobachtet. „Ich hab dir doch gesagt, die von letzter Nacht! Das da ist die Falsche!“

      „Oh, sorry Sir, das wusste ich nicht“, kichert Shepard. Nachlässig wirft er das Laken wieder über den toten Körper und schiebt die Bahre vom Fenster weg.

      Hinter mir prustet der Cop, der uns begleitet hat, los und presst sich die Hand auf den Mund, als ich wütend herumfahre.

      „Was soll das?“ fahre ich den Detective an. „Wollen sie von mir nun eine Identifizierung oder wollen sie mich nur verarschen?“ Ich bin so wütend, dass ich am liebsten gehen würde. Schon wende ich mich um.

      „Halt Miss! Hiergeblieben!“ Schnell greift der Detective nach meinem Arm. „Sie gehen erst, wenn ich es Ihnen sage!“ Böse schaut er mich an.

      Das kann ich auch. Genauso böse funkele ich zurück und zerre mit einer schnellen Bewegung meinen Arm aus dem Griff seiner verschwitzten Hand. „Dann machen Sie gefälligst ernsthaft ihre Arbeit und hören Sie auf, mich zu schikanieren!“

      Larence zieht seine Hand zurück und schaut mich einen Moment lang an. Ich weiß nicht, was in ihm vorgeht, aber sein Ton ändert sich. „Okay, Shepard, los jetzt!“

      „Alles klar!“ höre ich aus dem Lautsprecher und drehe mich um. Wieder steht da eine abgedeckte Bahre.

      Ich schaue durch die Glasscheibe. Mein Herz schlägt hart gegen meine Rippen. Ich atme noch einmal tief durch und versuche mich zu wappnen. Der Anblick von eben war einfach zu grausig. Was wird mich jetzt erwarten?

      Shepard schlägt das Tuch vom Kopf der Leiche zurück und ich muss mich schon wieder festhalten. Wie zum Teufel soll man dieses Etwas identifizieren? Die Haare sind weg gebrannt und die Haut ist komplett verkohlt. Von den Gesichtszügen ist so gut wie nichts mehr zu erkennen.

      Jetzt reicht es! „War es das jetzt?“, will ich von Larence wissen und wende mich ab. „Haben Sie Ihren Spaß gehabt? Kann ich jetzt gehen?“

      „Und? Haben Sie sie erkannt?“ Meine Wut scheint ihn nicht im Geringsten zu beeindrucken.

      „Sie machen sich gerade lächerlich“, lasse ich ihn wissen. „Was soll man denn da noch erkennen?“

      „Tja, schwierig“, gibt er zu. „Sie sieht am ganzen Körper so aus. Na, dann warten wir eben das genetische Gutachten ab. Die Blutgruppe stimmt schon mal, das haben wir bereits herausgefunden.“

      „Na, dann viel Erfolg!“, wünsche ich ihm und wende mich um. Plötzlich blitzt eine ganz bestimmte Floskel in meinem Geist auf. „Leichte Jagd!“ Es ist schon heraus, bevor ich es verhindern kann.

      Larence schaut mich lächelnd an. „Langes Leben!“, wünscht er mir.

      Ich erstarre mitten im Schritt und sehe mich langsam um. Wir haben hier im Leichenkeller des Police-Departments von Berkeley gerade die uralte Grußformel der Darksider ausgetauscht. Das kann kein Zufall sein!

      „Was zum Teufel ...“, beginne ich, aber er schüttelt nur ganz leicht den Kopf. Ich verstehe: Ich weiß Bescheid, er weiß Bescheid, und das muss reichen – genau wie bei Commissaire Reno, damals in Port Grimaud.

      „Natürlich können Sie jetzt gehen, und Ihre Freundin werden wir auch in den nächsten Minuten freilassen.“ Larence lächelt mir zu, und zum ersten Mal sieht es echt aus. „Wohl ergeht es denen, über die der Stier wacht.“

      „Danke!“, bringe ich heraus und mache, dass ich zur Tür komme.

      „Was war das denn jetzt?“, will der Cop von Larence wissen. „Irgendeine Geheimsprache?“

      „Ach, das sind nur so französische Redensarten“ lacht Larence.

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