DAS OPFER. Michael Stuhr
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„Kann sein. Ich kümmere mich nicht sonderlich um so was.“
„Sollten Sie vielleicht doch lieber tun“, grinste Larence, „denn wen haben wir wohl in inniger Umarmung mit dieser Louisa vorgefunden?“
„Was weiß ich?“
„Ihre Lana!“
„Na und?“ Diegos Stimme klang gelassen, aber er konnte es nicht verhindern, dass seine rechte Hand sich unwillkürlich zur Faust ballte. „Die beiden kennen sich. Warum sollten Freundinnen sich nicht mal umarmen?“
„Alles ganz harmlos, ja?“ Natürlich hatte Larence Diegos Reaktion bemerkt. „Das glauben Sie doch selbst nicht. Also ich meine, dass in Ihrem Privatleben so Einiges durcheinander geht, und genauso glaube ich, dass Sie mir so Einiges verheimlichen.“
„Blödsinn!“
„Wissen Sie was ich denke?“ Larence lehnte sich zurück. „Ich denke, dass Sie mit beiden was haben. Mit dieser Rouvier und mit ihrer Cousine, mit dieser Àlvarez.“
Diego lachte ungläubig auf. „Mann, Sie haben echt eine kranke Phantasie.“
„Es geht sogar noch weiter“, fuhr Larence ungerührt fort. „Sie waren auch noch mit dieser Moss zusammen, und das wollten die beiden anderen Frauen nicht dulden. Um bei Ihren Freundinnen zu punkten haben Sie die Moss beseitigt. Die wurde nämlich langsam lästig. Sie passte nicht mehr ins Bild, wie man so schön sagt.“
„Völliger Blödsinn!“, stellte Diego fest. „Ich fürchte, Sie denken ein bisschen zu oft an Sex.“
„Nein, nein, das ist kein Blödsinn.“ Larence schüttelte leicht den Kopf. „Sie sind gestern Abend im Greek-Theatre mit Alicia Moss gesehen worden, und kurz danach war sie tot. Ermordet!“
„Aber nicht von mir.“
„Das sagen sie alle“, seufzte Larence, „und wir müssen dann mühsam die Beweise dafür zusammensuchen, dass es doch so war. Gehen wir es also systematisch an.“
„Tun Sie das.“ Diego setzte sich gerade hin und erwartete die erste Frage. „Ihre wilden Vermutungen führen jedenfalls nirgendwo hin.“
„Wir werden sehen. - Sie waren gestern Abend also alle im Greek-Theatre.“
„Wer, alle?“
„Miss Rouvier – Miss Àlvarez - Sie selbst und das Opfer.“
„Möglich. Dass Lou auch dort war, habe ich allerdings nicht bemerkt.“
„Sie ist aber dort gesehen worden, als die Rouvier und die Moss sich gestritten haben.“
Diego legte den Kopf leicht schräg. „Was? Wieso gestritten?“
Larence lachte kurz auf. „Das fragen Sie mich? Sie sind es doch, der mit den Ladys liiert ist, da müssten Sie doch wissen, was die so antreibt. -–Oder haben Sie die Übersicht verloren?“
„Ich bin mit niemandem liiert, wie Sie es nennen. Ich habe eine Freundin und die heißt Lana Rouvier.“
„Aber den Abend haben sie mit Alicia Moss verbracht. Sie sind zusammen gesehen worden.“
„Natürlich. Sie hat in der Gruppe gestanden, in der auch ich war. Wir haben hier und da ein paar Worte miteinander gesprochen.“
„Miteinander gesprochen also.“ Larence ließ sich die Worte förmlich auf der Zunge zergehen. „Hätte man das nicht auch einen Streit nennen können? Schließlich haben Sie dieser Alicia gesagt, dass es ihr Leid tun würde, wenn sie sich weiter aufdrängt. – Verdammt Leid, um genau zu sein.“
„Das war kein Streit, das war eine lange fällige Klarstellung.“
„Eine Klarstellung also“, nickte Larence. „Sie bedrohen sie, sie verlassen zusammen das Theater, und dann ist sie tot. Seltsam, oder?“
„Ja, eine Klarstellung“, bekräftigte Diego. „Wir haben uns nicht gestritten und ich habe sie nicht bedroht. Sie hat mir sogar noch geholfen nach Lana zu suchen, weil die plötzlich verschwunden war.“
„Offensichtlich mit der Àlvarez zusammen verschwunden“, grinste Larence. „Man hat die beiden gegen zehn Uhr in der Mitte der Golden Gate Bridge angetroffen. Was gab es da wohl zu sehen? – Vielleicht ein kleines Feuerchen irgendwo am Ufer, als Zeichen dafür, dass die Konkurrentin nicht mehr lebt?“
„Wieso Feuer?“ In Diegos Gesicht spiegelte sich die pure Ratlosigkeit.
„Um Spuren zu verwischen.“ Larence legte vor seinem Gesicht die Fingerspitzen zusammen „Ich sage Ihnen jetzt, wie es war: Sie haben zusammen mit der Moss das Fest verlassen, da waren ihre anderen Freundinnen schon weg. Auf dem Weg zum Parkplatz haben sie sich weiter gestritten. Bei Alicias Auto haben sie ihr dann die Kehle durchgeschnitten und die Leiche mit dem Wagen zum Ufer der Bay gebracht. Dort haben sie den Körper mit Benzin übergossen, angezündet und in die Bay geworfen. Wir haben festgestellt, dass die Stelle von der Mitte der Brücke aus gut zu sehen ist. Zum Schluss haben Sie Alicias Honda wieder auf den Parkplatz gefahren und sind mit ihrem eigenen Wagen verschwunden.“
Diego schüttelte unwillig den Kopf. „Das ist die blödeste Geschichte, die ich je gehört habe!“
„Das lassen wir doch mal den Haftrichter entscheiden. Ich habe jedenfalls schon wesentlich skurrilere Fälle erlebt. Hier in der Bay-Area sind uns Eifersuchtsdramen nicht fremd. Das ist schon erstaunlich, wozu die Leidenschaft Menschen treiben kann.“
„Eben haben Sie gesagt, dass Sie systematisch vorgehen wollen, und jetzt sind wir wieder mitten in den wildesten Vermutungen.“
Larence tat erstaunt. „Sie haben sich also ganz friedlich auf dem Parkplatz von dieser Alicia getrennt?“
„Das ging nicht. Wir konnten uns nicht trennen.“
„Wie bitte?“
„Weil wir nicht zusammen auf dem Fest waren. Alicia hat sich eine Zeitlang in meiner Nähe aufgehalten, das war alles.“
„Und dann haben sie sich vor dem Theater getrennt?“
„Ich habe es ihnen doch gerade erklärt: Wir sind jeder für sich am Greek angekommen, und nachher ist Alicia zu ihrem Wagen gegangen.“
„Der Honda von Frau Moss steht aber völlig blutverschmiert auf dem Parkplatz vom Greek. Schätze, sie ist doch mit Ihnen gefahren, und zwar tot im Kofferraum ihres eigenen Wagens.“
„Möglich, dass jemand das so getan hat!“, korrigierte Diego. „Ich war es jedenfalls nicht.“
„Sie ist aber nicht mit jemand gesehen worden, sondern mit Ihnen – und sie hat sich auch nicht mit jemand gestritten, sondern mit Ihnen. Es war auch nicht jemand, der zu ihr gesagt hat, dass der Streit ihr verdammt Leid tun würde, sondern Sie waren das. Ich vermute mal, dass der Streit auf dem Parkplatz noch weiter ging. Sie haben die Nerven verloren und ihr die Kehle durchgeschnitten.“ Larence sah Diego abschätzend an. „Für einen kräftigen Burschen wie Sie ist das doch eine Kleinigkeit.