Hüben und drüben Davor und danach. Beate Morgenstern
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Ja, hab ich so gesagt.
Aber wäre die an die Macht komme, die meischte ware doch so was von konservativ. Das Militär musch denke, Beate, die meischte stammte außem Hochadel. I weiß net, was füre Regierung wir kriegt hätte. Ob sie net arg belaschtet gwese wäre. Ob´s eine Demokratie hätte gebe könne.
Un i mach nix aus meim Lebe!, begehrte Götz auf. Aber erscht muss mer doch mal was als richtig erkenne!
Schon, mein Sohn. Hertha griff sich in ihr Gesicht, knetete darin herum. Aber du arrangiersch dich und vergisch über dem kleine Leben das große Ganze.
Herrgott nochmal, sagte Götz, was soll i denn deiner Meinung nach tun?
Ja was. Dich engagiere und net arrangiere, sagte Hertha unbestimmt.
Sie dachte an ihre Vorfahren, sie dachte an ihre Eltern, an ihre Geschwister. Unsere Familie hat sich erledigt, sagte sie.
Götz sah sie sehr nachdenklich an.
Wie hasch gesagt, Beate?. fragte Hertha eine Weile später.
Sie konnte sich nicht mehr besinnen.
Unsere Familie hat sich erledigt, wiederholte Götz.
Unsere Familie hat sich erledigt, richtig. Hertha befriedigte die Aussage. Aber wir haben junge Menschen, in die wir unsere Hoffnung setze, auf die wir unsere Hoffnung setzet, auf die wir vertrautet. Gehörsch au dazu, Beate. Die junge Leut kommet zu uns, un wir freue uns, gell, Heinerle? Mit einem nach innen gesunkenen zärtlich trunkenen Blick schaute sie auf ihren Mann. Familie oder net, das isch net das Problem. Wenn mer au e bissele traurig isch.
Nein, des hält mer im Kopf net aus, sagte Götz, und sein Gesicht rötete sich. Mit ihre Ansprüch macht se alles kaputt.
Sie wunderte sich, dass Götz sich nicht stärker wehrte. Sie hatte auch an Stefan beobachtet, dass er sich nur geradeso vor Schlägen der Mutter schützte und selbst nicht austeilte. Warum? Hatten die Söhne an Heinrich gesehen, dass es so immer noch das Beste war. Sonst reizten sie noch stärkeren Widerspruch heraus, dem niemand gewachsen war? Waren Frauen klug, blieben sie im Wortgefecht immer Siegerinnen. Half nichts anderes, dann, indem sie unlogisch wurden. Sie dachte daran, wie Stefan ihr gesagt hatte, der Heinrich hätte Hertha Kinder gemacht, um sie zu bändigen. Doch sie war nicht zu bändigen. Eine Löwin eben. Imponierend als Frau. Als Mutter ein Ungeheuer. Im Übrigen verzieh Stefan dem Vater nicht, dass der Vater die Kinder als Mittel benutzt hatte. Was sicher nur ein Teilaspekt war und längst keine Rolle mehr spielte. Aber der Heinrich hätte dem Stefan nicht so etwas sagen dürfen, diesem armen Menschen, der sowieso kein Zutrauen zu sich hatte.
Hertha sprach immer weiter. Wechselte nun das Thema.
Magsch des Bärbele?, fragte sie wegen Heinrichs Nichte.
Ja.
Wir auch. Sie isch uns sehr ans Herz gewachse. Mer sollt´s net meine, wenn mer se sieht, aber was hat se schon hinter sich, schlimm! Weisch, was se sagt? In unserer Familie gibt es ein Schicksal. Ich hab´s net glaube wolle. Aber isch manches, was sie erlebt und was mer als Außenstehender doch auch mitkriegt, so furchtbar wahr. I seh noch heut die beide auf unsere Treppe drauße sitze, das Bärbele un ihr Mann. Un beide erzählet mir, was se erfahre habet über Bärbeles Schwiegervater. Dabei hat Bärbele ihn hochverehrt, ein sicher begnadeter Künschtler, so weit man´s aus der Ferne beurteile kann. Aber was hat er seiner Frau angetan! Und beide junge Leut ware so tief entsetzt darüber. Un net fünfzehn Jahre danach, als hätt Bärbeles Mann net auf der Treppe gesessen, so erschüttert, weiß Gott, da tut er in genau derselben Situation dasselbe wie sein Vater, un isch so gemein, so hundsgemein, dass mer´s in Worte net ausdrücke kann, ´s kommt eim beinah wie ein Zwang vor, als hätt er so handeln müsse.
Mer kann sowas auch herbei zwinge, indem mer immer drüber redet, sagte Götz.
Magsch recht habe. Aber wie er dag´sessen hat, da draußen auf der Treppe mit Bärbele, i seh´s immer noch vor mir. Un so viel andere Ding sin mit der Bärbel passiert. Schon, wenn du ihre Kinder nimmst. Alles wiederholt sich. Mit dem Unfall und soviel kann i dir erzähle. Da darf man sich net wundern, dass sie sagt: In unserer Familie gibt es ein Schicksal. Weisch, wie sie dasteht innerlich? Hertha hob die Hände über den Kopf. Dass se sich nur noch schütze will, sagte sie dann. Un all die Selbstmorde in der Familie. Hertha zählte. Heinrich zählte.
Fünf, sagte Hertha. Sechs, sagte Heinrich. Du vergisst ...
Ah ja, die hab i noch gerettet. Da bin i los mit unsere Feuerwehr, so sage wir zu unsere Notapparature. Ja, die hab i noch zurückgeholt!
Lag es an Herthas Art zu erzählen, am Champagner oder an der späten Stunde, sie sah die Rettungstat vor sich, dunkel auch die Selbstmorde. Sah das Bärbele und ihren Mann auf der Treppe vor Herthas und Heinrichs Haus sitzen in tiefer Verzweiflung. Als hätte sie zu intensiv einen Film gesehen oder abends zu lange schauerlich-gute Geschichten gelesen wie in ihrer Jugend die von Ebner-Eschenbach oder Droste-Hülshoff.
Ja, des isch das in der Seele verankerte Elternvorbild, so was lässt sich doch erkläre, sagte Götz. Du weisch es doch au. Mit Schicksal hat das nix zu tun.
I hab die Beate doch bloß gefragt, ob sie das Bärbele mag. Un weil sie au an ihr interessiert isch, erzähle ich, was das Bärbele glaubt. I will halt, dass se sich ins Bärbele hineindenke kann. Das isch doch net meine Meinung. I hab doch bloß wiedergebe, was in der Bärbele ihrem Kopf vor sich geht.
I mag net, dass wir so über die Bärbel reden. Wir ziehe sie ja direkt aus. Das isch net recht. Wir sollte net mehr über sie rede.
Ja, ziehen wir sie wieder an und lassen sie in Ruhe und vergessen alles, sagte sie.
I hab doch bloß die Beate gefragt, ob sie das Bärbele mag.
Das hasch grad schon gesagt.
Aber es isch ja nur gwese, weil i wollt der Beate klarmachen, was das Bärbele denkt, damit sie net meint, sie wär so ein einfaches, unbeschwertes Wesen.
Ja, wissen wir.
Hertha schwieg. Doch eine Weile begann sie wieder: Ich hab die Beate doch bloß gefragt, ob... Ich hab doch bloß...
Lächelnd machte Heinrich in Götz´s Richtung eine kreisende Bewegung. Götz wiederholte, lachte. Und dann lachten sie alle drei, erst leise, dann aus vollem Hals.
Wie Hertha sah, dass sich die drei über ihren Zustand lustig machten, überglänzte ihr Gesicht heiter-betrunkenes Lächeln. (Diese Frau hatte eine solche Fähigkeit, über sich selbst zu lachen!) Hertha wiederholte die kreisende Handbewegung. Jaja, i weiß, i red im Kreis. I bin besoffe!
Heinrich wies lächelnd auf einen ganz oben im Regal hängenden kleinen Hunde-Maulkorb.
Den hat der Heinrich der Hertha zu einem Geburtstag geschenkt, erklärte Götz. Wenn er drauf hinzeigt, dann heißt´s, Hertha soll die Schnauze halte. Sie isch zu besoffe. Des hat schon manches Unglück verhindert, gell? Er schaute mit einem zärtlichen Lächeln auf seine Mutter.
Wie wahr! Wie wahr! Hertha nickte, lächelte weiter vor sich hin, nahm Heinrichs Hand.
Drei