Dreizehn. Das Tagebuch. Band 1. Carl Wilckens

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Dreizehn. Das Tagebuch. Band 1 - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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wiederholte Bill. »Soll das ein …« George zischte warnend und legte einen Finger auf die Lippen.

      »Du denkst, Böse Geister gibt es nur in den Mythen der Norvolken, und dass Auguren und Alchemisten nicht existieren«, fuhr End fort, als wäre er nicht unterbrochen worden. »Du hast noch nie von Idun gehört, oder dass die entrische Energie, als die wir sie kennen, ein Bewusstsein ist. Und auch wenn die ganze Welt scheinbar mehr über mich weiß, als mir lieb ist, ist doch recht wenig über jenen Abschnitt meines Lebens bekannt, der zwischen dem Untergang der Swimming Island und der Eskalation in Onslow liegt. In Treedsgow stieß ich auf Damon, den Banditenanführer, dem Insomnium, ein alchemistisches Gebräu, zu übermenschlichen Kräften verhalf. Ich lernte Rocío kennen, Damons Exgeliebte und ehemalige Alchemistin, und Roberto Fonti, der zu einem meiner treuesten Verbündeten wurde, nachdem ich ihm und Maria, der ehemaligen Perle eines Lokals namens Fourier, das Leben gerettet hatte. Ich schloss Freundschaft mit Jasper, der zum Preis dafür, dass er mich vorm Tod bewahrte, mehrere Viertel in der Welt der Bösen Geister eingeschlossen war, und machte Bekanntschaft mit Waterstone, Professor für Mathematik an der Treedsgow University. Ich brach in die Nervenheilanstalt Sankt Laplace ein, begegnete den Hibridia und jagte das Hotel Whitehall Nord in die Luft. Ich fand einen Weg ins Universitätsviertel von Treedsgow und half Waterstone bei der Erforschung der segovianischen Technologie – nicht immer aus freien Stücken, pflanzte der Professor mir doch bei der ersten Gelegenheit ein Relikt aus der Antike, eine sogenannte Segovia-Kapsel, in die Brust ein. Ich wurde Zeuge davon, wie mein Spiegelbild lebendig wurde, und entdeckte die vollständig erhaltene Bibliothek von Ad Etupiae im Erdreich unter Treedsgow. Ich las den ersten Teil der Memoiren von Norin, dem Unbezwungenen, und erfuhr, wie die Zivilisation vor tausenden von Jahren ausgesehen hat.« End verstummte. Irgendwie schaffte er es, dem kurzen Schweigen, das er anstimmte, eine Prise Amüsement beizumengen. »Ich weiß, dass dir nun das ein oder andere spöttische Wort auf der Zunge liegt. Schluck es runter, bevor dir eines davon über die Lippen stolpert, oder ich werde nicht fortfahren, ehe ich nicht eine weitere deiner kostbaren Zigaretten bekommen habe.«

      Rattle und Cat

      Rattle atmete ruhig. Die Hände lagen auf seinen Oberschenkeln, während er neben seinen Brüdern und Schwestern kniete und darauf wartete, dass Meister Dimir die Zwiesprache beendete. Nicht ein Mal öffnete er die Augen, um einen Blick auf das zu werfen, was im dunklen Spiegel zu sehen war. Nicht, dass er neugierig gewesen wäre. Er befand sich in einem Zustand der Meditation, in dem ein Gefühl wie Neugierde nicht existierte. Er lauschte seinem Atem, seinem Herzschlag und dem Klicken der Minenkrebse; dem steten Rauschen des Windes, der einen Weg durch die natürlichen Tunnel und die in den Berg gegrabenen Schächte suchte, und der Stille. Die kühle, feuchte Luft vereinte seine Gedanken zu einem ruhig dahintreibenden Fluss, während der Granitgeruch dieses Ortes mit jedem Atemzug in sein Herz einzog, dessen Schlag längst so ruhig war wie die Erde selbst.

      Goldgrüner Lichtschein kündete von einem Minenkrebs, der sich von links näherte; friedliche Lebewesen, sofern man sie nicht bedrohte. Es war schon öfter vorgekommen, dass den Scheren ein Finger zum Opfer gefallen war. Das Tier konnte Rattle jedoch genauso wenig überraschen wie er sich selbst. Solange er das Auge des Einklangs geöffnet hatte, spürte er es, als wäre es ein Teil von ihm.

      Dimirs Kleidung raschelte, als er sich erhob. Rattle tauchte aus dem Zustand der Meditation auf und öffnete die Augen. Er befand sich in einer natürlichen Höhle, in deren Zentrum auf einem Podest am Ende einer kurzen Treppe ein über zwei Meter hoher Spiegel stand. Zwei Säulen flankierten ihn und verliehen ihm das Aussehen eines Portals. Sechs oder sieben Minenkrebse grasten in der Höhle, einer vor Rattles Knien, die langen Stielaugen auf ihn gerichtet und mit einem wild wuchernden Kristall auf dem Panzer, dem ein goldgrünes Licht innewohnte: die Hauptlichtquelle in der Onslow Mine.

      »Der dunkle Spiegel hat gesprochen«, verkündete Dimir feierlich. Er war ein Mann mittleren Alters mit Glatze und Adlernase. Außer der Hose aus dunklem Stoff trug er nur einen schwarzen Umhang, der von einer aus einem Spiegelsplitter bestehenden Schnalle zusammengehalten wurde. »Es ist mir eine Ehre, die Worte von ihm empfangen zu dürfen, die verkündeten, dass wir – das heißt, die Mitglieder unserer Bruderschaft – von nun an sowohl immun gegen den Grubenwahn sind als auch von den Wahnsinnigen nicht länger angegriffen werden.« Ein Raunen ging durch die Reihen der für gewöhnlich stets gefassten Schüler. Sogar Rattles Herz machte einen aufgeregten Hüpfer. Wenn einer der Meister mit seinen Schülern das Heiligtum aufsuchte, dann normalerweise, um in Erfahrung zu bringen, ob der dunkle Spiegel einen der Zöglinge auf die Probe stellen wollte. Rattle hoffte schon seit Langem darauf, einen weiteren Auftrag zu erhalten. Doch Dimirs Worte machten seine Enttäuschung mehr als wett. Der Grubenwahn und die daran Erkrankten stellten keine Gefahr mehr für die Bruderschaft dar! Das bedeutete, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie die Onslow Mine verlassen konnten.

      »Erhebe dich, Tamora. Gib den anderen Meistern Bescheid.« Eine Schülerin aus den Reihen der Knieenden kam auf die Beine und verließ im Eiltempo das Heiligtum. »Während der dunkle Spiegel nun nach dem schnellstmöglichen Weg sucht, auf dem wir die Mine verlassen können, gibt es einen Auftrag von großer Wichtigkeit, der erledigt werden muss«, fuhr Dimir an den Rest gewandt fort. Noch einmal schlug Rattles Herz schneller. Von großer Wichtigkeit? Wenn der Spiegel ihn dazu berief, diesen Auftrag zu erledigen, wäre er der eindeutige Günstling. Er war mit nur sechzehn Jahren der fähigste Schüler Dimirs; vielleicht sogar der Beste unter allen Schülern. Die vermutlich Einzige, der er nicht das Wasser reichen konnte, war Gwendolyn. Sie hatte einen Weg gefunden, das Auge des Einklangs zu öffnen, den die Meister nicht lehrten – einen, der viel effizienter war als jeder andere. Vor einigen Jahren, als sie noch der Bruderschaft angehört hatte, hatte Rattle ihr ständig am Rockzipfel gehangen. Er hatte alles über ihre Methodik erfahren wollen. Doch dann hatte Gwendolyn beschlossen, dem Spiegel den Rücken zu kehren. Inzwischen konnte Rattle nicht mehr glauben, dass er einst zu ihr – einer Verräterin – aufgeblickt hatte.

      Seine somit einzige Konkurrentin war die gleichaltrige Cat. Auch seine Schwester hatte sich die ein oder andere Lektion von Gwendolyn lehren lassen. Tatsächlich war sie so anmaßend gewesen, zu behaupten, sie könne es mit ihm aufnehmen. Rattle hatte sie bloß eines verachtenden Blickes gewürdigt.

      »Erhebe dich«, sagte Dimir und legte eine dramatische Pause ein. »Favorit des dunklen Spiegels, Rattle.« Ohne eine Miene zu verziehen, stand Rattle auf und ging an dem Minenkrebs vorbei, der ihm mit den Scheren drohte.

      »Erhebe dich …«, wiederholte Dimir, woraufhin Rattle auf halbem Wege zu seinem Meister stutzte. Er war doch längst auf den Beinen. »… Favoritin des dunklen Spiegels, Cat.« Rattle traute seinen Ohren nicht. Der Spiegel hatte zwei Schüler auserwählt? Er warf einen Blick zurück und sah seine Mitschülerin aus den Reihen der knienden Brüder und Schwestern treten. Sie ging barfuß, hatte kein Haar auf dem Kopf und war übersät mit Tätowierungen. Außer einer leichten Hose aus weißem Stoff trug sie wie alle weiblichen Schüler nur eine Brustbinde. Weder ließ ihre Miene erkennen, dass die Worte ihres Meisters sie überrascht hatten, noch gab einer der anderen Schüler einen Laut von sich, als wäre es das Natürlichste auf der Welt, dass der dunkle Spiegel zwei Schüler auswählte. Erst als Cat zu ihm aufschloss, setzte Rattle seinen Weg an ihrer Seite fort. Vor Dimir kniete seine Schwester nieder. Rattle hingegen begegnete dem Blick des Meisters auf Augenhöhe.

      »Was hat das zu bedeuten?«, fragte er kalt.

      »Der dunkle Spiegel ist unergründlich«, erwiderte Dimir ruhig. Eine unterschwellige Drohung begleitete seine Worte.

      »Noch nie sind zwei Schüler aufgerufen worden«, begehrte Rattle auf. »Hält er mich nicht für fähig genug, seine Aufgabe allein zu bewältigen?«

      »Es bedeutet«, erwiderte sein Meister und begegnete Rattles Blick mit kühler Ruhe, »dass ihr es mit einem Gegner zu tun bekommen werdet wie noch kein Schüler zuvor. Aber wenn dein Stolz dir verbietet, den Auftrag zu zweit durchzuführen, sei dir gewährt, diese

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