Dreizehn. Das Tagebuch. Band 1. Carl Wilckens

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Dreizehn. Das Tagebuch. Band 1 - Carl Wilckens Dreizehn -13-

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tränenförmige Edelsteine in meinen Besitz gebracht habe, werde ich das Gefühl nicht los, dass die Spiegelbilder mich beobachten.

      Die Marionette wies mich an, ein bestimmtes Zeichen auf den Boden zu malen. Währenddessen erklärte sie mir, dass sie einen Folkloren mit einer Dunklen-Mana-Aktivität von knapp zweihundert Leukipp beschwören würde – fast schon ein Alb. Keine Ahnung, was sie damit meinte. Anschließend sagte sie etwas in einer fremden Sprache – vielleicht eine Zauberformel? Schwarzer Rauch trat aus dem Spiegel und sammelte sich wabernd unter der Decke.

      »Öffne die Gefrierkammer«, wies die Marionette mich an. Widerwillig gehorchte ich. Als hätte der Rauch nur darauf gewartet, zog er in die Kammer ein und verschwand in den Poren von Emilys gefrorener Haut. Ich hielt den Atem an, während ich ihr in die starren Augen sah. Würde sie gleich nach Luft japsen wie jemand, der beinahe ertrunken wäre? Würde sich ihr Blick mit Leben füllen, und sie meinen Namen rufen?

      Nichts dergleichen geschah. Emilys Iriden, leblos und kalt, richteten sich auf mich. Ihre Bewegungen waren eckig, als blockierten Eiskristalle ihre Gelenke, als sie eine Hand hob. Von Panik ergriffen, schlug ich den Deckel zu und verriegelte ihn.

      W. D. Walker

      End

      Ich hob den Blick und atmete den Rauch des letzten Zuges aus. Meine Augen fixierten einen Punkt an der Fassade des gegenüberliegenden Hauses, ohne ihn zu sehen. Dass ein Folklore in den Leichnam meiner Schwester eingezogen war, waren höchst beunruhigende Neuigkeiten. Ich erinnerte mich lebhaft an Norins Beschreibung von Tieren, in deren Köpfen ein Enerphag steckte: Mutationen, Haarausfall und offene Wunden, in denen es von Würmern nur so wimmelte, hatten zu den gängigsten Begleiterscheinungen gezählt. Das musste bei Emily nicht auch der Fall sein, war sie doch ein Mensch, zudem tot und gefroren.

      Ich las die letzten Zeilen noch einmal. Dass dieser M-Punkt Emilys Leichnam mit Leben gefüllt hatte, mochte erklären, warum sie nicht mehr in der Gefrierkammer war. Nur, wo war er hingegangen? Er konnte wohl kaum durch die Straßen von Treedsgow spaziert sein. Zumal sich die Frage stellte, ob der Verwesungsprozess außerhalb der Gefrierkammer nicht wieder einsetzte.

      Wenn ich doch nur die nächste Seite schon hätte. Ich zweifelte nicht daran, dass sie mir früher oder später in die Hände fallen würde. Irgendjemand ließ sie mich finden, vermutlich, weil mein Handeln der Person in die Karten spielte. Solange ich bekam, was ich wollte, war es mir gleich.

      Ich schnippte die Zigarette auf die Straße und kehrte zurück in Waterstones Haus. Im Flur begegnete mir Rocío.

      »Waterstone und ich haben die Bibliothek von Ad Etupiae erkundet, während du geschlafen hast«, sagte sie. Sie hob die Hand, wie um sich das Haar hinters Ohr zu streichen, das ihr vernarbtes Auge verdeckte. Als würde sie sich auf halbem Wege bewusst, was sie im Begriff war zu tun, wechselte sie die Richtung und kratzte sich am Hals.

      »Es gibt ein Register, das es uns erheblich leichter machen wird, uns zu orientieren«, fuhr sie fort. »Wir werden allerdings deine Gabe als Arboris brauchen, da ich nicht alle Runen übersetzen kann.«

      Ich nickte knapp. Auch ich kannte die Runenschrift der Segovia nicht. Wenn ich aber Rocíos Trank zu mir nahm, der mein drittes Auge für die Auren aller Dinge öffnete, flüsterten mir die Schriftzeichen ihre Übersetzung zu. Offenbar gehörte dies ebenso zu den Gaben eines Arboris, wie das Flüstern der Bäume im Wind zu verstehen. Ich würde Waterstone nicht aus Gefälligkeit helfen – das war eines der Worte, deren Bedeutung sich mir immer noch entzog. Es war ein unausgesprochener Deal: Er gewährte Rocío und Jasper Zuflucht. Ich übersetzte die Runen und half ihm bei seinen Berechnungen.

      »Hast du alles, was du brauchst, um mehr von deinem Trank herzustellen?«, forschte ich nach.

      »Mein Kessel ist noch halb voll damit«, erwiderte die Alchemistin. »Solange ich nichts anderes braue, müssen wir ihn nur mit frischem Quellwasser füllen, sobald der Trank zur Neige geht, und vielleicht mit der ein oder anderen Zutat auffrischen. Ich werde mir ein Labor im Keller der Universität einrichten.« Damit meinte sie Raum 21, wo zuvor William gearbeitet hatte. Er verfügte über einen geheimen Zutritt zu einem der unter Treedsgow begrabenen Gänge, der wiederrum mit der Kanalisation verbunden war. So konnte sie ungesehen dort ein- und ausgehen.

      »Gib mir eine Stunde, dann können wir runtergehen«, sagte ich entschlossen. Ich verspürte das dringende Bedürfnis, mich über Waterstones Vorräte herzumachen, die noch nicht zwischen Jaspers Kiefern verschwunden waren. »Konnte Waterstone sich damit abfinden, wer ich wirklich bin?«

      Rocío zuckte die Achseln. »Er war nicht gerade glücklich darüber. Aber scheinbar bist du von so großem Wert für ihn, dass er es sogar hinnehmen würde, wenn du Black Raven selbst wärst.« Wenn er wüsste, dass ich Raven getötet hatte …

      »Wo ist der Professor jetzt?«, wollte ich wissen.

      »Er hat das Haus verlassen«, sagte Rocío überrascht. »Du müsstest ihn eigentlich gesehen haben.« Vermutlich war ich so sehr in Williams Tagebuchseite vertieft gewesen, dass ich ihn nicht bemerkt hatte. Meine Alarmbereitschaft ließ in letzter Zeit zu wünschen übrig. »Er wollte noch mehr Leute einweihen, damit sie uns helfen, die Bibliothek zu katalogisieren«, fügte Rocío hinzu. Ich blies die Wangen auf. Vermutlich wollte er sein Kollegium informieren. Nicht, dass ein Trupp aufgeblasener Professoren mich davon abhalten könnte, mich dort umzusehen. Aber sie würden es definitiv versuchen und die Suche nach der Nadel im Heuhaufen zusätzlich verkomplizieren.

      »Hat er gesagt, wen?«, forschte ich nach.

      »Er sprach von einem Kerl namens Miel«, antwortete Rocío. Ich atmete auf. Miel war ein harmloser Student und einer von Waterstones Vertrauten. Er war außerdem ein Bewunderer meiner Person in der vermeintlichen Rolle des Widersachers von Damon, dem Banditenanführer, und würde gewiss schweigen.

      Ich bemerkte, dass Rocíos Mundwinkel zuckten. »Was ist so witzig?«

      »Nichts.« Sie winkte ab. »Es ist nur so, dass da, wo ich herkomme, Miel ein Frauenname ist.«

      »Woher kommst du?«

      »Selvenien«, antwortete Rocío.

      »Selvenien?«, wiederholte ich verblüfft. »Das liegt auf der anderen Seite der Welt. Wie kamst du nach Dustrien?«

      »Eine lange Geschichte«, sagte Rocío mit wegwerfender Handbewegung. Mehrere Erinnerungen aus dem Unterricht von Rico Fonti fanden mich: Selvenien war zu achtzig Prozent von Dschungel bedeckt. Über die dort lebenden Stämme war außer der Arbeit eines Naturforschers namens August von Tradescant nicht viel bekannt. Fonti hatte uns die Berichte von Tradescant, der mehrere Monate lang von Gemeinschaft zu Gemeinschaft gereist war, gegeben. Emily hatte sie mit Begeisterung gelesen, ich eher widerwillig. Dementsprechend war nicht viel davon hängengeblieben; wohl aber, dass in den meisten selvenischen Gemeinden Narben viel über die Umstände verrieten, von denen sie herrührten. Ich konnte nur mutmaßen, dass Rocíos verätztes Auge nicht gerade von Ehre kündete.

      »Wie geht es deinem Auge?«, fragte ich unvermittelt.

      Rocío zuckte kaum merklich zusammen. »Besser«, war ihre knappe Antwort.

      »Darf ich mal sehen?« Sie rührte sich nicht; auch dann nicht, als ich die Hand hob und ihr Haar zurückstrich. Blickte nur aus traurigen Onyxaugen zu mir auf. Die Haut um ihr linkes Auge sah aus wie geschmolzenes Wachs. Ihre Tätowierung – ein Mosaik aus Recht- und Dreiecken – war in diesem Bereich verzerrt. Auch wenn ihre versenkte Augenbraue in ein paar Vierteln nachgewachsen wäre, würde Rocío

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