Eine irische Ballade. David Pawn

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Eine irische Ballade - David Pawn

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du willst, dass ich bleibe“, ergänzte er eilig.

      Ich atmete auf, denn für einen Moment hatte ich befürchtet, es würde so laufen wie sonst seit sechshundert Jahren. Daniel würde einfach einen Grund vorschützen und eilig verschwinden. Er wäre in diesem Fall allerdings nicht nur aus meinem Leben verschwunden, sondern auch aus seinem.

      An der Rezeption war alles ganz einfach. Daniel blieb ein bisschen abseits in der Lobby stehen, wobei er interessiert die Wellnessangebote des Spa-Bereiches im Keller studierte, und ich holte den Schlüssel. Drei Minuten später waren wir in meinem Zimmer.

      „Mein Reich“, verkündete ich und deutete mitten im Zimmer stehend um mich. Der Blick aus meinem Fenster ging auf einen kleinen Park, der zum Hotel gehörte. Jetzt allerdings lag der Park still und dunkel da. In der vorigen Nacht hatte ich am Fenster gestanden, dort hinaus geblickt und über die Carrs nachgedacht. Dabei waren mir einige Fledermäuse aufgefallen, die auf nächtlicher Insektenjagd gewesen waren. Das alles schien plötzlich Jahrzehnte her zu sein.

      „Und jetzt?“ Daniel schaute mich erwartungsvoll, aber auch unsicher an. Ihm war so etwas wohl auch noch nicht passiert.

      Ich sah ihn an und versuchte, seine Zukunft zu ergründen. Aber alles war verschwommen und chaotisch, wie beim Blick in einen Teich, in den man gerade Steine geworfen hat. Es gab da Szenen von einem Unfall. Aber es gab auch andere Dinge, und alles wirbelte durcheinander und führte einen irrsinnigen Tanz auf. Mir fiel ein Artikel ein, den ich mal beim Friseur in einer Zeitschrift gelesen hatte, die wohl eher für die Herren dort lag, Stern oder Spiegel oder Focus. Da ging es um Quanten und eine so genannte Vielwelttheorie. Genau das sah ich jetzt vor mir. Viele Welten, alle mit Daniel und alle voneinander verschieden.

      Ich ging zu ihm, legte ihm die Arme um den Hals und küsste ihn. Es war erst nur ein vorsichtiger Kuss. Ich hatte seit einer Ewigkeit keinen Mann mehr geküsst. Ich musste es erst wieder lernen. Auch Daniel war vorsichtig, aber er zog sich nicht plötzlich zurück wie so viele Männer vorher.

      Ich weiß nicht, wie lange diese, nennen wir es Phase des Kostens, dauerte. Ein, zwei Minuten, sicherlich nicht länger. Schließlich fanden sich unsere Zungen zu einem richtigen Kuss. Ich ließ mich von meinen Gefühlen treiben. Ich spürte seinen Körper, der sich an meinen drängte. Ich fühlte seine Hände über meinen Rücken streichen, hinauf zu meinen Haaren, die er zerwühlte, während wir uns küssten. Und dann wieder hinunter zu den Rundungen meines Gesäßes.

      Es mag für eine Frau von über 600 Jahren seltsam klingen, aber ich war noch Jungfrau. Zu jener Zeit, als ich William Carr abwies, verschenkte sich eine Frau vor der Ehe nicht und danach, ich sagte es bereits, mieden die Männer mich in der entscheidenden Phase, als ginge der Geruch des Todes von mir aus.

      Aber jetzt war alles anders. Daniel hatte mich fest umschlungen und küsste und streichelte mich. Ich spürte, dass er mich begehrte und mir ging es umgekehrt genauso.

      Ich löste mich ein wenig von ihm und sagte „Warte.“

      Er ließ es geschehen und sah mich mit treuem Hundeblick einfach nur an, als ich einen halben Schritt zurücktrat und begann, sein Hemd aufzuknöpfen. Ich fühlte seine zarte Haut, ein paar Haare machten sich auf seiner Brust breit, aber es störte mich nicht. Spielerisch strich ich durch die feinen, kleinen Locken, und während ich ihn streichelte, begannen auch seine Hände mich aus meinem Kleid zu befreien.

      Schließlich hob er mich auf seine Arme und trug mich zum Bett.

      Ich kann gar nicht ausdrücken, wie sehr ich mich nach dem gesehnt hatte, was als Nächstes passierte. Es war wie ein Rausch, wie ein heftiges Fieber, das mich erfasst hatte. Ich konnte kaum erwarten, dass Daniel in mich eindrang, und dieses Gefühl schien ansteckend zu sein. Auch Daniel konnte seine Begierde nicht zurückhalten. Kaum lagen wir im Bett, da vereinigten sich unsere Körper.

      Als er die von mir erwähnte Tatsache der Jungfräulichkeit auch für ihn offensichtlich wurde, machte er kurz große, erstaunte Augen. Ich verdrängte den Schmerz und überließ mich ganz der Wärme seines Körpers und der Zärtlichkeit seiner Berührungen. Schließlich überlief es Daniels Körper wie ein Schauer, er bäumte sich über mir auf und stöhnte laut, danach sank er fürs Erste erschöpft an meiner Brust zusammen.

      Eine Weile lagen wir einfach so miteinander verschmolzen da. Schließlich zog Daniel sich zurück, lag neben mir und sah mit großen Augen zur Decke. „Bin ich so besonders?“, fragte er plötzlich.

      Ich fuhr wie aus einer Trance auf und wälzte mich auf den Bauch, stützte mich auf die Ellenbogen und sah in sein Gesicht. „Wie meinst du das?“, stellte ich die Gegenfrage.

      „Du hast dir deine Jungfräulichkeit bis heute bewahrt und dann …“ Er unterbrach sich. „Ich meine, du kennst mich doch praktisch gar nicht.“

      Was sollte ich darauf antworten? Dass ich ihm das Leben retten wollte? Das klang nicht nur hochgestochen, sondern auch total bescheuert.

      „Ich weiß nicht“, sagte ich stattdessen. „Es hat sich halt nie ergeben.“ Das klang allerdings noch viel dümmer. „Ich meine, es ist sonst nicht meine Art, Männern gleich um den Hals zu fallen. Ja, vielleicht bist du wirklich etwas Besonderes.“

      „Das hat mir noch keine Frau zuvor gesagt.“ Er küsste mich zärtlich. „Denk jetzt bloß nicht, ich hätte so viel Erfahrung“, beeilte er sich zu versichern.

      Ich sah auf ihn hinab, strich ihm durchs Haar und über die Wange. Anschließend fanden sich unsere Lippen erneut. Während des Kusses spürte ich die Wärme seiner Haut und atmete den Geruch seines Körpers. Eine seiner Hände wanderte wieder über meinen Rücken und meinen Po, die andere berührte sanft meine Brüste. Ich streichelte seine Brust, seinen Bauch und suchte dann auch tiefer.

      Wir erforschten uns. Es war kein wildes Übereinanderherfallen wie beim ersten Mal, sondern ein langsames Einanderentdecken. Auch Daniel genoss es auf diese beschauliche Art und Weise. Andante, Andante …

      Er küsste mich und streichelte mich an jeder erdenklichen Partie meines Körpers. Schauer fuhren über meinen Rücken und ließen mich unter der Berührung erzittern.

      Als er diesmal in mich eindrang, überließ ich mich einfach der Lust dieses Augenblicks. Es war unbeschreiblich. Ich vibrierte wie eine angeschlagene Klaviersaite. Ich wollte diesen Mann nicht einfach in mir spüren, ich wollte ihn ganz in mich aufsaugen, jede Faser seines Körpers sollte mit meinem verschmelzen. Im Moment des Höhepunktes schrie und heulte ich in den höchsten Tönen, und Sie können mir glauben, wenn eine Banshee etwas kann, dann ist es Schreien und Heulen. Aber ich weinte nicht, ich schrie vor Lust, vor Glück. Das konnte nicht Tod bedeuten. Das musste Leben bedeuten. Ja, ja, ja! Wie es in dem alten irischen Volkslied heißt: ‚Alive alive o!‘

      Ich riss die Augen auf, die ich zuvor geschlossen gehalten hatte, als die Lust mich übermannt hatte (übermannt ist so passend). Und ich sah Daniel in die Augen und ich sah nur ihn. Ich sah keine Zukunft, ich sah keinen Tod, ich sah nur sein Gesicht und wusste, dass sich ein Kreis geschlossen hatte. Ich war zu William zurückgekehrt, durch eine Ewigkeit von sechshundert Jahren war ich jetzt doch seine Frau geworden und ich war glücklich.

      In diesem Moment hatte ich Hoffnung auf ein neues Leben: Ich würde keinen Tod mehr sehen. Ich würde leben wie andere Frauen auch.

      Ich kuschelte mich an seiner Seite an, streichelte sanft sein Gesicht und musste dem Geist von Molly Malone aus tiefstem Herzen zustimmen. Nichts war so schön, wie sich lebendig zu fühlen: Alive, alive o! Alive, alive o! Crying cockles and mussels, alive, alive o!

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