Die Midgard-Saga - Hel. Alexandra Bauer
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Читать онлайн книгу Die Midgard-Saga - Hel - Alexandra Bauer страница 13
Juli rutschte aus dem Sattel. Kaum dass ihre Beine den Boden berührt hatten, zog Ingvar sie an sich und begrüßte sie auf die gleiche Weise wie zuvor Wal-Freya. Wieder kicherte Djarfur amüsiert. Da wandte sich Ingvar schon von Juli ab und sah zu Thea auf.
„Verdammt und eins, siehst du gut aus! Du bist gereift!“
Kaum war Thea aus dem Sattel gesprungen, da fand auch sie sich in Ingvars Umarmung gefangen. Treuherzig ließ sie sich auf den Rücken klopfen. „Du Teufelsweib! Von dir hört man ja Geschichten“, sagte Ingvar abschließend und gab ihr einen Knuff. „Ich kann es kaum erwarten, alles aus erster Hand zu erfahren. Kommt mit rein. Ich werde jemanden schicken, um eure Pferde zu versorgen.“
„Das sind keine gewöhnlichen Tiere“, mahnte Wal-Freya.
„Fressen sie etwas anderes als Müsli, Heu und Obst? Saufen sie Met statt Wasser?“ Ingvar lachte.
„Nein, das nicht. Aber ihr solltet sie mit größtmöglichem Respekt behandeln“, mahnte Wal-Freya.
„Ich denke nicht, dass ich meine Leute darauf hinweisen muss. Sie sind die Pferde unserer Götter! Nun kommt!“ Er wandte sich um und öffnete die Tür zur Halle. Stimmen wurden laut und der Geruch von frischem Braten und gerösteten Kartoffeln wurde intensiver. Nacheinander traten sie ein, das Gemurmel der Menschen ebbte ab. Von den umstehenden Tischen erhoben sich bärtige Männer und Frauen mit wundervoll hochgesteckten Haaren. Hier und da mischte sich ein Kind unter die Erwachsenen. Grüßend neigten sie die Köpfe, während Ingvar die Gruppe in Richtung seines Herrschersitzes leitete. Die Wärme innerhalb des Eisschlosses war Thea vertraut, dennoch kam sie überraschend und trieb ihr Schweißperlen auf die Stirn. Den anderen schien es ähnlich zu gehen, denn sowohl Tom, als auch Hermodr hatten die Handschuhe bereits ausgezogen und fingerten an den Verschlüssen ihrer Umhänge. Wal-Freya trug ihren bereits über dem Arm. Noch während sie Ingvar an einen freien Tisch nahe seines Herrschersitzes folgten, hatten sich alle der schweren Umhänge entledigt und warfen diese über die Stühle. Als sie sich nacheinander setzten, nahmen auch die Menschen wieder Platz. Langsam erhoben sich die Stimmen, bis sie erneut zu einem alles übertönenden Gemurmel anschwollen. Thea beobachtete Tom, der sich fasziniert umblickte und dabei hauptsächlich die Wände in den Blick nahm. Selbst als er am Tisch saß, wandte er seinen Blick nicht von ihnen ab.
„Sind sie aus Eis?“, hörte Thea ihn fragen, gerade in dem Moment, da sie ihm die Erklärung liefern wollte.
Nun kam ihr Juli zuvor: „Ja! Das sind sie tatsächlich und nein, sie schmelzen trotz der Wärme nicht!“
Ingvar nickte heftig. „Die Magie des Djinns ist geblieben. Ein Glück! Sonst müssten wir jetzt auf unser Essen verzichten!“ Er klopfte Juli auf die Schulter, die von der Wucht halb über den Tisch flog.
„Ja! Und zum Glück habe ich mich neben dich gesetzt!“, scherzte sie.
Toms Staunen war mit Ingvars Antwort noch größer geworden. „Die Magie des Djinns?“, wiederholte er.
Während eine Frau und ein Mann Teller und Bestecke auf dem Tisch verteilten, erzählte Juli in einer kurzen Zusammenfassung von den Ereignissen, die sich damals in Niflheim zugetragen hatten.
„Ingvar war einst ein fahrender Händler“, erklärte Juli bedeutungsvoll. „Eines Tages gelangte die Lampe des Djinns in seinen Besitz.“ Sie blickte zu Ingvar. „Die näheren Umstände lassen wir jetzt einmal außen vor. Kaum hatte er die Lampe, wünschte er sich ewiges Leben und danach eine Burg, mächtig und reich, in die kein Dieb je eindringen könne. So geriet Ingvar nach Niflheim, denn kein Djinn handelt jemals im Guten und nicht selten bringt ein unbedacht geäußerter Wunsch dem Besitzer der Wunderlampe Schaden.“
Ingvar nickte bestätigend. „So ist es. Doch ich hatte Glück, denn in der Burg gingen die Waren und Nahrungsvorräte niemals aus. So war es mir trotz dieser lebensfeindlichen und abgeschiedenen Gegend möglich, zu existieren. Mein kleiner Staat konnte weiter bestehen.“
„Sind sie auch alle unsterblich?“, fragte Tom und betrachtete den Mann, der ihm gerade einen Becher neben den Teller stellte.
„Nein, leider nicht. Seit vielen Jahren sehe ich mein Volk aufwachsen und sterben, während ich weiter existiere.“ Wehmut klang aus Ingvars Worten.
Hermodr nahm einen bauchigen Krug von der Frau entgegen und schenkte sich ein. „Hast du nie darüber nachgedacht, deinem Leben einfach ein Ende zu setzen? Wenn du es selbst machst, sollte es doch funktionieren?“
Ingvar lachte. „Zu welchen Preis? Wer weiß schon, welcher Saal sich mir in Hel öffnen würde. Ob ich hier ein Leben in Dunkelheit führe, in dem es mir an nichts fehlt oder einen Tod in der Dunkelheit wähle, der mir möglicherweise kein Bier bietet … Nein, das ist mir zu riskant. Da bleib ich doch lieber hier.“
Hermodr lachte und prostete Ingvar zu, der sich einschenkte und den Gruß lachend erwiderte.
„Den dritten Wunsch, der dich vielleicht zurück nach Midgard hätte bringen können, hast du nie versucht zu äußern“, holte Juli das Gespräch zurück.
„Nein. Die Furcht, dass mir Jekuthiel erneut schadet, war zu groß.“
„Aber dann hast du doch noch einen Wunsch ausgesprochen, den, der dich selbst zum Djinn machte“, erinnerte Thea.
Ingvar strich sich den Schaum aus dem Bart. „Das wisst ihr doch schon alles.“
„Ich aber nicht“, erwiderte Tom rasch.
Ingvar räusperte sich und wartete ab, bis alle Schüsseln und Platten auf dem Tisch abgestellt waren. „Jekuthiel drängte mich, den dritten Wunsch zu sprechen, um endlich aus meinen Diensten treten zu können. Doch ich weigerte mich. Schließlich machte er mir weis, dass ihm das Leben langweilig würde. Er versprach, mir das Geheimnis zu verraten, das mir viele weitere Wünsche bescheren würde, nur damit er wieder Spaß am Leben hätte. Leider vergaß er zu erwähnen, dass dieser Spaß darin bestand, mich selbst zum Djinn zu machen. Er lebte fortan als Ingvar, während ich der Djinn war, der ihm mehr als drei Wünsche erfüllen musste. Er genoss jeden einzelnen Moment seines neuen Lebens.“
„Bis Thea ihm den Spaß verdorben hat“, raunte Juli.
Theas Magen zog sich zusammen, als sie an Jekuthiels Drohung dachte. Nachdem sie die Lampe in ihren Besitz gebracht hatte, forderte Jekuthiel diese von ihr zurück. Er hatte versprochen, sich dankbar zu zeigen, wenn sie seiner Bitte nachkäme. Stattdessen aber hatte Thea das einzig richtige getan, sie hatte einen Wunsch ausgesprochen, der Ingvar von seinem Dasein befreite. Dieser Wunsch verwandelte aber auch Jekuthiel zum Djinn zurück. Erbost hatte er ihr daraufhin prophezeit, dass sie sich wiedersehen würden. Zum ersten Mal verstand sie, dass sie ihm mit ihrem Wunsch etwas weggenommen hatte.
Ingvar lud sich seinen Teller voll und verlangte nach einem weiteren Humpen. „Genug von den alten Geschichten! Jetzt wollen wir erst einmal essen!“
„Wahrlich!“, stimmte Juli zu und zog die Fleischplatte heran.
Mürrisch brummelnd meldete sich Thea zu Wort. Sie konnte nicht fassen, wie Juli jetzt ans Essen denken konnte, statt nach Antworten zu suchen. „Sobald man dir etwas zu essen vor die Nase räumt, scheint dir alles andere aus dem Gehirn gewischt. Hast du vergessen, warum wir hergekommen sind?“
Unerwartet für Thea legte Wal-Freya ihre Hand auf die Hand von Juli und ergriff für sie Partei: „Ist schon