Berlin, Bülowstraße 80 a. Gabriele Beyerlein

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Berlin, Bülowstraße 80 a - Gabriele Beyerlein

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Augen folgte, jedes Lächeln registrierte und sich in seinem Herzen für sie entschied, eben jetzt ...

      Und sie ahnte nicht einmal, wer es war!

      Das Blut stieg ihr in den Kopf. Ein Taumel erfasste sie, als hätte sie zu viel Wein getrunken, und es war doch nur ein einziges Glas gewesen.

      Die Musik endete. Der Fähnrich verneigte sich mit militärischer Knappheit. „Verbindlichen Dank, gnädiges Fräulein. Sie tanzen wunderbar!“ Er hielt ihr seinen Arm hin, um sie zum Platz zurückzugeleiten, doch da trat Frau General von Klaasen neben den Konzertflügel und verkündete, dass nun als Höhepunkt des Festes der Kotillon getanzt und ihre Enkelin, Fräulein von Dabarow, als Gütige den Herren ihre Dame zuweisen würde. Die Damen mögen sich doch bitte im großen Kreis aufstellen.

      Ein Stuhl wurde in die Mitte getragen, Fräulein von Dabarow setzte sich darauf, die Tanzkapelle hob wieder mit der Musik an, die Damen begannen sich im Kreis zu drehen, einer der Herren nach dem anderen näherte sich Fräulein von Klaasen, neigte sich höflich zu ihr herab und ließ sich durch einen Fingerzeig die Dame zuweisen, mit der er den Kotillon zu tanzen habe.

      Das ist das Schicksal!, dachte Sophie. Vielleicht werde ich jetzt mit ihm zusammengeführt, mit dem einen ...

      Ein Schaudern war auf ihrer Haut. Wenn ihr Herr sie dann nach dem Tanz nicht sofort an ihren Platz geleitete, sondern nach einem Vorwand suchte, sich weiter mit ihr zu unterhalten, dann war er der Richtige.

      Schon war die Hälfte der Damen vergeben, wurde der Kreis der mit ihr Tanzenden immer kleiner. Da wies Fräulein von Klaasen auf sie.

      Es war ein Offizier, groß, breitschultrig, blond. Eigentlich müsste er ihr gefallen. Aber etwas ließ sie sofort auf Distanz gehen. Vielleicht lag es daran, dass er das Schneidige so offensichtlich vor sich her trug, dass sie es einfältig fand. Er verneigte sich eine Spur zu zackig. „Habe die Ehre, gnädiges Fräulein! Leutnant von Oßdorf. 2. Garde-Ulanen-Regiment.“

      Garde-Ulanen, an Renommee kaum zu übertreffen. Der Mutter würde das gefallen. Dennoch, musste er gleich damit Eindruck zu schinden versuchen? Eine kühle Klarheit war plötzlich in ihr, die sie so noch nicht kannte. Die Worte kamen ganz von selber, all die einstudierten Anstandsregeln und Verhaltensweisen waren auf einmal wie ihre Natur. Sie tanzte perfekt, lächelte strahlend, doch immer ein wenig an Leutnant von Oßdorf vorbei. Der Kotillon und dann der Wiener Walzer. Ihr schien, sie berührte kaum den Boden. Ein Schwindel in ihrem Kopf, drehen und drehen und drehen, Leichtigkeit erfüllte sie. Es war nicht nötig, dass er der eine war, auf den sie wartete, dieser Ulan hier mit seinem Kavalleriestolz, er tanzte gut, das war das Einzige, worauf es jetzt ankam, sie war jung und das Leben lag vor ihr.

      Der Ballsaal flog an ihr vorbei, nichts existierte mehr, kein fester Bezugspunkt, keine Welt, nur dies: der Tanz im wirbelnden Kreisel. Als die Musik verstummte, taumelte sie vor Schwindel. Sofort fasste er nach ihrem Arm, hielt sie, presste sie dabei an sich.

      „Wollen wir ein wenig durch die Gänge wandeln?“, fragte er dicht an ihrem Ohr. „Die Kühle im Wintergarten würde Ihnen nach der Hitze des Tanzes sicher guttun!“

      Sie rückte leicht von ihm ab, lächelte und bat mit vollendeter Höflichkeit darum, an ihren Platz geleitet zu werden.

      So etwas wie mit Natascha und Fürst Andrej gab es nur in Romanen, und an Fürst Andrej kam Leutnant von Oßdorf jedenfalls nicht heran.

      Ihre Mutter war nicht am Platz, aber Frau General von Klaasen beugte sich zu Sophie herüber und forderte sie auf, näher zu rücken. „Wie gut Sie sich machen, Sophie!“, sagte sie freundlich. „Kaum zu glauben, ich sehe Sie noch als kleines Mädchen im kurzen Kleidchen vor mir, und nun sind Sie eine junge Dame und machen auf dem Ball eine ausgesprochen gute Figur.“

      „Ich danke Ihnen, Frau General. Sie sind so gütig.“

      „Ach was! Ich darf so etwas sagen, und mir dürfen Sie es glauben, in meinem Alter ist man über das Schmeicheln hinaus. Dieser Ulanen-Leutnant wollte zudringlich werden, nicht wahr? Hervorragend, wie Sie sich da gehalten und ihn in aller Freundlichkeit in die Schranken gewiesen haben! Ihr Herr Vater hätte heute seine reinste Freude an Ihnen gehabt!“

      Ihr Herr Vater. Dies Wort fuhr Sophie ins Herz. Und auf einmal wusste sie: Das war die Gelegenheit, die sie nicht ungenutzt vorübergehen lassen konnte. Frau von Klaasen war eine alte Freundin der Mutter. Frau von Klaasen würde die Antwort auf die ewig brennende Frage nach dem Tod des Vaters wissen.

      Aber wie es anfangen? Nicht verraten, dass ich selbst sie nicht weiß, sonst wird Frau von Klaasen mir nichts sagen. Die Vermutung als Tatsache hinstellen und aus der Reaktion schließen, ob sie die Wahrheit ist.

      „Ach ja“, erwiderte Sophie. „Was gäbe ich darum, wenn er heute hier dabei wäre, und nicht nur heute! Es ist nicht leicht, so früh den Vater zu verlieren, und dann auch noch“, sie stockte kurz, versuchte ihrer Stimme einen festen Klang zu geben, jetzt kam es darauf an. Sie blickte Frau von Klaasen an, um genau zu sehen, wie ihre Worte aufgenommen wurden: „Und dann auch noch durch ein Duell.“

      Frau von Klaasen nickte, tätschelte leicht ihren Handrücken und verfiel in vertraulichen Ton. „Ich weiß, mein Kind. Aber siehst du, so ist es nun einmal. Mancher junge Mensch hier hat seinen Vater in einem der letzten Kriege verloren, ihn vielleicht nicht einmal kennengelernt. Und die Ehre eines Offiziers geht nun mal über sein Leben.“

      Also war es die Wahrheit. Das Herz schlug Sophie dumpf und schwer. Jetzt musste sie alles erfahren, auch das andere: was zu dem Duell geführt hatte und wer der Gegner gewesen war. „Und mein Vater, weshalb ...“, begann sie mühsam. „Sophie“, hörte sie da die Stimme ihrer Mutter, die soeben an ihren Platz zurückkehrte und die letzten Worte des Gesprächs gehört haben musste, „sei so gut und besorge mir meinen Schal, mir ist etwas kühl!“ Dabei warf die Mutter Frau von Klaasen einen Blick zu, der mehr als deutlich machte: Der Vater, das ist ein Thema, über das vor meiner Tochter nicht gesprochen wird.

      Sophie stand auf. Die Gelegenheit war vorüber und würde nicht mehr wiederkehren. Während sie den Schal holte, würde Frau von Klaasen über das gewünschte Stillschweigen informiert werden.

      Was um alles in der Welt war damals vorgefallen, dass die Mutter ein solch unaussprechliches Geheimnis daraus machte?

      Ein Duell war tragisch, ja. Eine tödliche Krankheit, das wäre etwas anderes gewesen, da hätte man mehr den unerforschlichen Willen Gottes dahinter sehen können und nicht irgendwelche Menschenhändel. Aber ein Duell war doch nichts Unaussprechliches! Einen anderen zum Duell zu fordern, das war eben in manchen Fällen ein Gebot der Ehre, auch wenn es eigentlich verboten war. Aber wenn ein Offizier ein Duell ablehnte, dann verlor er dadurch sein Offizierspatent und musste den Abschied nehmen und war gesellschaftlich untendurch. Wenn das Duell also nur der Ehre des Vaters entsprochen hatte, warum dann dieses Schweigen?

      „Und dann waren wir im Tiergarten Schlittschuh laufen. Mama und Papa waren natürlich dabei, aber sie konnten mit unserer Geschwindigkeit nicht Schritt halten, vor allem Papa, er ist etwas kurzatmig, und wir taten so, als würden wir nicht merken, dass sie immer weiter zurückblieben. Aber du hörst mir ja gar nicht richtig zu!“, rief Cecilie ärgerlich. „Ich berichte dir hier, wie ich das erste Mal mit ihm alleine war, und du zählst die Fäden deiner albernen Stickerei! Interessiert es dich denn gar nicht?“

      „Entschuldige“, erwiderte Sophie, „natürlich interessiert es mich, das weißt du doch. Schlittschuh laufen, ja, das täte ich auch gern. Und dann allein mit Herrn Rosenstock ...“ Ihre Stimme zitterte nicht.

      Samuel Rosenstock,

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