Der Hügel. Martin Renold

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Hügel - Martin Renold страница 10

Автор:
Серия:
Издательство:
Der Hügel - Martin Renold

Скачать книгу

Aber warum schenkt mir Manfred drei Flaschen Wein? Ich bin kein Weintrinker. Manfred weiß das. Manchmal in Gesellschaft trinke ich gerne ein Glas Wein. Aber seit ich allein lebe, habe ich kein Bedürfnis nach Wein. Wein muss man mit Freunden trinken. Allein macht es melancholisch. Wenn man nicht mit jemandem anstoßen kann, erinnert es einen, dass man allein ist. Nur Melancholiker trinken Wein, wenn sie allein sind.

      Manfred ist sicher kein Melancholiker. Er ist dreißig Jahre alt und immer noch Junggeselle. Ich habe ihn selten Wein trinken gesehen. Mag sein, dass er sich einen kleinen Vorrat hält für seine Gäste. Junge Menschen haben gerne Gesellschaft. Die Jungen von heute trinken Bier, wenn sie beisammen sind. Sie trinken es aus der Flasche. Manfreds Freunde sind anscheinend keine Biertrinker, die aus der Flasche trinken. Da ist es schon möglich, dass Manfred mit ihnen gerne einmal ein Glas Wein trinkt. Die Weine, die er seinem Vater und den Schwägern geschenkt hat, hat er sicher nicht extra als Weihnachtsgeschenke gekauft. Es scheint so, als wollte er seinen Vorrat loswerden. Ist Manfred Abstinent geworden?

      Konrad fragt nicht. Als die Weihnachtsfeier vorbei ist, steckt Konrad die Flaschen in eine Tragtasche, die ihm sein Sohn gereicht hat, verabschiedet sich von allen und geht nach Hause, sorgfältig bedacht, die Tasche nirgends anzuschlagen, weder im Zug noch im Bus oder daheim, wenn er die Tür zu seiner Zweieinhalbzimmerwohnung öffnet. Auf der Heimfahrt hat er immer wieder daran denken müssen, was wohl hinter diesem ungewohnten Weingeschenk steckt.

      Ein halbes Jahr später löst sich das Rätsel. Manfred hat seinen Vater zu einem Essen eingeladen. Nicht bei sich daheim, sondern in einem bekannten Ausflugsrestaurant in der Höhe, wo man einen schönen Rundblick auf das alte Städtchen und das ganze Land bis zu den Alpen hat. Konrad kommt diese Einladung seltsam vor. Genau wie das Weihnachtsgeschenk, an das sich Konrad jetzt erinnert. Zwei Flaschen stehen bei ihm immer noch verschlossen in einem Küchenschrank. Eine hat er mit einem Freund zur Hälfte geleert. Die andere Hälfte hat er allein an den zwei nächsten Tagen zum Mittagessen getrunken.

      Auf irgendeine Überraschung gefasst, unternimmt Konrad den Weg an gepflegten Gärten vor den Einfamilienhäusern vorbei, die in der Vormittagshitze dieses wolkenlosen Sommertags wie verlassen dastehen. Hinter den letzten Häusern geht die Autostraße durch Wiesen und Äcker. Manfred hat seinen Veston ausgezogen, hat seinen Zeigfinger durch die Aufhängung gesteckt und den Veston hinter sich auf den Rücken geworfen und trägt ihn so, bis ihm der Zeigfinger wehtut und er den Veston von der linken auf die rechte Seite wirft.

      Nachdem Konrad in eine schmalere Nebenstraße eingebogen hat, erreicht er nach einer halben Stunde Aufstieg an der glühenden Sonne sein Ziel. Als er im großen Garten des Restaurants unter den Kastanienbäumen nach seinem Sohn sucht, sieht er, dass Manfred nicht allein ist. Eine schwarzhaarige, dunkelhäutige Frau sitzt bei ihm am Tisch. Südamerikanerin denkt er sofort. Nicht dass er etwas gegen Südländerinnen gehabt hätte. Im Gegenteil, er findet sie schön. Der Schweiz mit den vielen verbohrten Schweizern, die am liebsten gar keine Fremden ins Land ließen, täte eine Blutauffrischung gut. Konrad ist gar kein Rassist. Allerdings, wenn sein Sohn eine Schwarze heiraten würde, was wäre dann? Wäre mir das egal?, fragt er sich, während er sich durch die Tische und Bänke zwängt. Die beiden Kulturen wären doch zu weit auseinander, als dass eine ungetrübte Beziehung entstehen könnte. Man hört doch immer wieder von solchen zerbrochenen Ehen, wobei meistens um die Kinder ein Kampf geführt wird. Das ist alles, was er denkt. Zu mehr reicht es nicht, denn er steht bereits vor seinem Sohn und seiner schönen, aber ein wenig schüchternen Begleiterin.

      Manfred stellt sie seinem Vater als seine Freundin und zukünftige Frau vor. Später erfährt er, dass sie aus Bolivien stammt. Ähnliche Gedanken wie vorhin flackern durch seinen Kopf, ohne darin etwas anzuzünden, denn Manfred zielt in seinem Gespräch in eine ganz andere Richtung.

      Vater Konrad weiß, dass sein Sohn in einem Musikaliengeschäft arbeitet. Durch seine Arbeit in dem Geschäft, so sagt ihm Manfred, habe er Betty kennen gelernt. Eines Tages nämlich, seien zwei Männer von der Kirche der Heiligen der Letzten Tage – du kennst sie wohl eher unter dem Namen Mormonen – in das Geschäft gekommen, weil sie eine Orgel für ihr Gemeindehaus kaufen wollten.

      Weißt du, fährt Manfred fort, ich habe schon seit der Konfirmation nach etwas gesucht, das mich spirituell mehr ergreift als die Predigten unserer Pfarrer in der reformierten Kirche. Ich habe auch den Buddhismus, alle anderen östlichen Religionen studiert, aber jetzt, nachdem die beiden Männer mich in ihre Gemeinde eingeladen haben, weiß ich, wo ich das finden kann, wonach ich gesucht habe – einen lebendigen Glauben, der in der Gemeinschaft, aber auch in der Familie gelebt wird. Ich bin der Kirche der Heiligen der Letzten Tage beigetreten. Und dort habe ich Betty kennen gelernt.

      Konrad ist, so kann man sagen, ein gläubiger Christ, ein reformierter Christ, der ab und zu in die Kirche geht. Er selbst hat auch als junger Mann buddhistische Bücher gelesen. Er hat sich in Büchern auch über die Sekten schlau gemacht.

      Von all den Sekten, denkt er, ist die Kirche der Mormonen ihm noch die sympathischste. Er hat Mormonen gekannt und weiß, dass sie sehr familienfreundlich sind. Wenn nur das Buch Mormon nicht wäre. Dass Manfred daran glaubt, kann er nicht verstehen. Manfred war doch immer ein Mensch, der seine Vernunft gebraucht hat. Aber welcher Vater kann schon in die Seele seines Sohnes schauen? Er war immer ein eher stiller Mensch, der alles, auch die Trennung seiner Eltern, still in sich selbst verarbeitet hat. Wie kann er glauben, dass das Buch Mormon von einem Engel auf die Erde gebracht worden sei?

      Jeder Mensch muss selber wissen, wohin er gehört und was er glaubt, sagt sich Konrad. Es hat keinen Sinn, seinen Sohn davon abzuhalten. Ohnehin ist es schon zu spät. Gutheißen kann er es nicht. Aber er akzeptiert es stillschweigend. Er hätte viel zu Manfreds Entscheidung zu sagen gehabt. Aber er will ihn nicht in eine Diskussion über Religion und Glauben verwickeln, schon gar nicht in der Gegenwart seiner Freundin.

      Die Mormonen trinken keinen Alkohol, das weiß er, keinen Schwarztee und rauchen nicht. Jetzt erinnert sich Konrad, dass er seinen Sohn seit längerer Zeit nie mehr mit einer Zigarette im Mund gesehen hat. Na ja, schlecht ist das allemal nicht. Und nun weiß er auch, warum Manfred an Weihnachten all seinen Wein verschenkt hat.

      Die nächste Überraschung trifft Konrad ein Jahr später wie ein Doppelschlag auf beide Backen als seine älteren Töchter, Sabine und Anna, ihm erklärten, sie würden zum Katholizismus übertreten.

      Von der älteren kann er das ja noch verstehen. Sie lebt in einem katholischen Land, wohnt gerade vis-à-vis einer katholischen Kirche – die evangelische sei eine Stunde entfernt –, ist mit einem katholischen Mann verheiratet, wenn auch dieser nie eine Kirche von innen sieht, außer bei Hochzeiten oder Beerdigungen in der Verwandtschaft. Er und Sabine haben auch nicht kirchlich geheiratet.

      Sabine war als Kind sehr verletzlich. Doch Vater Konrad hat seine Tochter später doch eher für eine Frau gehalten, die mehr vom Intellekt als von den Gefühlen beherrscht wird. Darin hat er sich wohl getäuscht.

      Weißt du, sagt sie, in den evangelischen Kirchen ist mir immer kalt zumute. In der katholischen Kirche gegenüber aber wird mir warm im Herzen. Da fühle ich mich geborgen und in der Messe Gott näher als in einer evangelischen Predigt.

      In der Kirche gegenüber, denkt er, hat Sabine gesagt. Es geht ihr also gar nicht um den katholischen Glauben, sondern um das Gebäude, die Kirche, die an der Straßenecke steht.

      Heute, erwidert Konrad, bei diesen Päpsten, die das Zweite Vatikanische Konzil geradezu verraten, denen die Unversehrtheit der Kirche wichtiger ist als das Heil der Menschen und denen der Missbrauch der Kinder durch ihre Priester gleichgültig ist, solange er verschwiegen werden kann, und solche Priester schlimmstenfalls an einen anderen Ort versetzen, wo sie weiter ihr Priesteramt und ihren Missbrauch ausüben können, während Priester, die sich zu ihrer Liebe zu einer Frau bekennen, in die Wüste geschickt werden, jetzt, da viele aus der Kirche austreten, weil sie das, was aus dem Vatikan

Скачать книгу