Der Hügel. Martin Renold

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Der Hügel - Martin Renold

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Auflagen veröffentlichte und durch Arthurs kleines Buch mit „Wunderlichen Geschichten“ auf ihn aufmerksam wurde. Die beiden tauschten eine Zeitlang ihre Bücher aus, und der Oberstudienrat ging immer wieder auf Arthurs neue Veröffentlichungen ein, lobte sie meistens und ermunterte ihn immer wieder, trotz der Misserfolge mit den Verlegern, das Schreiben nie aufzugeben. Ja, auch mit einem Schriftsteller aus der DDR hatte er korrespondiert, den er an einem Treffen nicht linientreuer Autoren in Ostberlin, drei Wochen vor dem Bau der Mauer kennen gelernt und in ihm eine verwandte Seele gefunden hatte. Dieser Autor, der sich selber nicht politisch und gesellschaftlich äußern durfte und sich auf das Schreiben von Gedichten und – er war Förster - von Schilderungen der Natur in kleinen Erzählungen beschränkte, hatte an Arthurs Büchern bemängelt, dass er seine Freiheit nicht nutze, um das politische Leben seines Landes zu beschreiben. Sowohl die Briefe des einen wie des anderen hatte Arthur – was er heute bedauert – nicht aufbewahrt.

      Hat eines seiner Bücher je etwas bewirken können?, fragt sich Arthur Eigenmann. Wird einmal etwas bleiben? Da erinnert er sich plötzlich an etwas, das ihm ein kurzes, fast ein wenig abschätziges Lächeln entlockt. Eigentlich gar kein Lächeln, nur ein „hmm“, ein kleiner Schluckauf. Warum handelt Ihr Krimi in Hombrechtikon und nicht in unserem Dorf?, ist er gefragt worden, als er damals in der Bibliothek seiner Wohngemeinde daraus vorlas. Warum nicht auch von einem Mord schreiben, der in unserem Dorf sich abspielt?, dachte Arthur. Da bietet sich doch der Wasserfall in der kleinen Schlucht, die gleich ein paar Schritte hinter unserem Haus beginnt, für eine solche Tat geradezu an. Gedacht – getan. Da wird also eines Nachts ein Mann vom schmalen Weg, der ganz nah über dem Wasserfall hinwegführt, hinuntergestürzt. Arthur schreibt den Krimi in der Ich-Form und ist selbst der Täter. Er ist ein wenig stolz darauf, denn das hat er sonst noch nie bei einem Krimi gesehen. Er schickt das Manuskript dem Verleger, der seinen „Mord in Hombrechtikon“ veröffentlichen will, und bittet ihn, den kleinen Krimi, den er „Tod am Wasserfall“ nennt, dem andern noch anzuhängen. Ein Exemplar des Buches schenkt er dem Gemeindepräsidenten. Als Arthur das nächste Mal durch die kleine Schlucht geht und beim Wasserfall in die Höhe steigt, sieht er, dass zwischen dem Weg und dem steil abfallenden Felsen, über den der Bach hinabstürzt, ein Zaun errichtet worden ist. Das einzige sichtbare Zeichen, dass ein Buch von Arthur etwas Gutes bewirkt hat. Aber nicht einmal das hat Bestand vor Arthurs bilanzierender Erinnerung. Denn ein Jahr später hat sich trotz des Zauns ein Verzweifelter hinabgestürzt. Es jedoch ist nicht anzunehmen, dass er Arthurs Krimi gekannt hat.

      Nachdem Arthurs letzter Verlag seinen Versprechungen nicht nachgekommen war, hatte er keinen neuen Verleger mehr gesucht. Er wusste, wie viele Verlage angeschrieben, wie viele Kurzdarstellungen und Probeseiten an die Verlage versandt werden müssten, bis man auch nur von einem oder zweien eine abschlägige Antwort erhielte. Er kannte sich aus, er war ja vom Fach. Nein, bis vielleicht einer an der ausgeworfenen Angel hängen blieb, würde er dies gar nicht mehr erleben können. So fing er an, seine Geschichten in ganz kleinen Auflagen selbst herauszugeben, als Geschenke für seine Freunde und einige treue Leser. Schließlich schrieb er nur noch für seine Freundin, die er zu ihrem Geburtstag oder zu Weihnachten mit einer neuen, schön eingebundenen Erzählung überraschte. Manchmal gelang ihm auch ein kleines Gedicht, wie jenes über den Hügel, den er jetzt, während er diese Zeilen schreibt, durch das Fenster seiner Klause sieht.

      Er ist nicht verbittert, er grämt sich nicht mehr über die literarische Welt, die von seinen Büchern kaum Notiz genommen hat, verübelt es ihr nicht und niemandem.

      Nicht einmal jenes kleine Sachbuch, von dem das Börsenblatt des deutschen Buchhandels meinte, es müsste in hunderttausend Exemplaren verbreitet werden, brachte es zu einer zweiten Auflage.

      Arthur ist jetzt allein schon glücklich, wenn er seine Freundin mit seinen literarischen Ergüssen glücklich machen kann. Sie liebt seine Gedichte und seine Erzählungen, aber sie liebt ihn nicht wegen dem, was er für sie in literarischer Form schreibt, sondern vielmehr wegen dem, was er ihr jeden Tag als Zeichen seiner Liebe als elektronischen Brief übermittelt, vor allem aber liebt sie ihn um seiner selbst willen, so wie sie ihn vom ersten Tag, von der ersten Begegnung vor über fünfzig Jahren an – auch während der langen Jahre der von beiden selbstgewählten Trennung – geliebt hat.

      Arthur beendet den kleinen Rückblick auf sein Leben und stützt die Ellbogen auf den Schreibtisch. Er hat die Finger vor seinem Mund ineinander verschlungen wie ein Beter, stützt mit den Daumen sein Kinn und schaut andächtig zu dem Hügel. Kein Sonnenstrahl trifft die Hänge und die Wälder. Er sieht am Horizont das alleinstehende Bäumchen und lächelt still vor sich hin. Viel Liebe hat er in seine Schriften hineingelegt. Sein ganzes Leben war Liebe, Liebe für die Frau, die er gesucht und erahnt und gefunden hat, auf die er Jahre und Jahrzehnte verzichten musste und die er am Abend seines Lebens wieder gefunden hat, gefunden, weil sie nie verloren war, weil sie vielleicht von Ewigkeit her füreinander bestimmt waren:

      Sina und Arthur

      Vater Konrad und seine Kinder

      Es begann an jener Weihnacht, als Manfred seinem Vater drei Flaschen Wein schenkte.

      Die Familie – es war eigentlich keine intakte mehr, sondern eine zerrissene und deshalb gar nicht als solche zu nennen – fand sich bei der zweitjüngsten Tochter von Konrad, dem Familienoberhaupt, zusammen. Auch Oberhaupt darf nicht als die Familie beherrschende Instanz aufgefasst werden, denn Konrad selbst würde sich nicht als Oberhaupt bezeichnen, so wenig wie seine Nachkommen und schon gar nicht wie seine geschiedene Frau, mit der ihn zwar seit der Scheidung eine, mehr von ihr aus als Freundschaft empfundene Beziehung verbindet. Für ihn ist sie einfach die Mutter seiner Kinder. Nein, Konrad war einfach der Älteste von allen. Außer ihm befand sich in dieser Weihnachtsgesellschaft die bereits erwähnte geschiedene Ehefrau Klara, die ebenfalls bereits bekannte Tochter Anna mit ihrem Mann und den zwei Kindern, zwei Knaben von vier und sechs Jahren, die älteste, kinderlose Tochter Sabine, die mit ihrem Mann aus Wien zu diesem Fest hergereist war, und Manfred, der einzige und noch unverheiratete Sohn.

      Die jüngste Tochter, Claudia, die durch Brasilien getourt war und in einem Heim für sozial geschädigte Kinder als Hilfe einen vorübergehenden Job gefunden hatte, war wegen Unabkömmlichkeit verhindert und hatte sich mit einem kurzen Gruß entschuldigt.

      Beim Essen saß Konrad neben Klara, die er seinerzeit nicht aus Liebe, sondern weil er ihr nicht durch eine Trennung wehtun wollte, geheiratet hatte. Man hätte Klara auch das heimliche Oberhaupt der Familie nennen können, war doch sie es, die ständig mit ihren Kindern in telefonischem Kontakt stand und so zumindest die jüngere Generation der Familie zusammenzuhalten versuchte. Sie war es auch, die beim Essen, das mit einem Tischgebet eröffnet worden war, das Gespräch führte.

      Die beiden kleinen Kinder wurden ungeduldig, wollten vom Tisch weggehen und die Geschenke auspacken gehen, die sie unter dem Christbaum im Zimmer nebenan bereits erspäht hatten. Doch ihr Vater forderte sie auf zu bleiben, was sie unwillig befolgten.

      Nachdem dann doch die Kerzen am Christbaum leuchteten, wurde Vater Konrad wie jedes Jahr gebeten, die Weihnachtsgeschichte aus dem Lukas-Evangelium vorzulesen, dann wurde ein Weihnachtslied gesungen, bevor endlich – die aufgeregten Kinder konnten es kaum mehr erwarten – die Geschenke verteilt wurden.

      Als alle Kinder und auch die Erwachsenen beschenkt waren, erhob sich Manfred, ging in eine Ecke des Zimmers und trug eine Schachtel zum Tisch, aus der er neun Flaschen Wein herauszauberte. Die unterschiedlichen Flaschen waren nicht festlich verpackt, auch nicht mit einer schmückenden Masche um den Flaschenhals versehen. Er stellte sie einfach, je drei, vor seinen Vater und seine beiden Schwäger hin auf den Tisch. Noch nie zuvor hatte Manfred seinem Vater eine Flasche Wein geschenkt oder sonst ein alkoholisches Getränk, zu Weihnachten nicht und schon gar nicht zu seinem Geburtstag.

      Die eine Flasche vor ihm war ein spanischer Rioja, die andere ein italienischer

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