Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes. Michael Schenk

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Die Pferdelords 09 - Die Nachtläufer des Todes - Michael Schenk Die Pferdelords

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Nächten drängten sich die Männer dicht beisammen. Die Hüterinnen lagerten ein Stück abseits, doch ihre Wachen ließen die unwillkommenen Besucher nicht aus den Augen.

      Niemand wanderte während der Nächte. Der Dschungel war zu gefährlich, und früher waren Menschen in ihm verschwunden, die nie wieder gesehen worden waren. Sobald die Sonne versank, suchte man den Schutz einer Siedlung auf und mied die Dunkelheit, bis sie erneut dem Sonnenlicht wich.

      Einmal stieß die Gruppe auf ein Dorf der Frauen. Rasch eilten zwei Hüterinnen voraus und warnten die Bewohnerinnen, die in den Häusern verschwanden, bis die Männer vorbeigezogen waren. Dann, am dritten Tag der Wanderung durch das Frauenland, erreichten sie endlich den Hügel, von dem aus man die Stadt sehen konnte.

      Julinaar.

      Der Edelstein in der Krone des Reiches von Julinaash. Die Stadt des Königs und das Zentrum unvergänglichen Ruhmes. Von hier war das verborgene Reich regiert worden.

      Der Kern der Stadt war in einem perfekten Kreis angelegt worden, doch im Laufe der Jahre war die Stadt gewachsen und hatte diese Grundform verloren. Die späteren Straßenzüge verliefen dort, wo es leicht gewesen war, den Dschungel zu roden. Im Stadtzentrum erhoben sich der alte Königspalast und eine Vielzahl hoher Gebäude, die einst von Bedeutung gewesen waren oder Bürgern von hohem Rang gehört hatten. Julinaar war nicht nur das Zentrum der Macht, sondern auch das des Wissens und der Kultur gewesen. Wissenschaft und Magie, Philosophie und Kunst hatten der Stadt ihre besondere Prägung verliehen. Die muschelförmigen Theater hoben sich von den eiförmigen Bauten der Wissenschaftler und Zauberer ab, die kastenartigen Wohnbauten bildeten hierzu einen auffälligen Kontrast. Dazwischen waren die bunten Fassaden von Händlern zu sehen. Julinaar hatte sich nie eigenständig versorgen können, und die Märkte dienten dem Handel mit Lebensmitteln und dem Austausch von Neuigkeiten.

      Die Ausdehnung der Stadt war beeindruckend. Es gab eine Mauer, die sie vollständig umschloss, aber sie war nur wenige Längen hoch und nicht befestigt. Ein schmaler Wehrgang bot gerade genug Raum für die patrouillierenden Wachen. Mehr war auch nicht erforderlich. Kein Feind hatte je seine Schritte nach Julinaash gelenkt. Seine Nordgrenze wurde vom Kaltmeer geschützt, der Rest des Landes war von dem gewaltigen Ring des Eisgebirges umgeben. Der einzige Pass im Süden war leicht zu schützen gewesen, und die Mauer der Stadt hatte nur dazu gedient, die Tiere des Dschungels fernzuhalten.

      Doch von all dem war nur wenig geblieben.

      Das einstige Königreich von Julinaash war zerfallen, und dieser Zerfall machte sich in der alten Stadt bemerkbar.

      Der Dschungel hatte begonnen sie zurückzuerobern.

      Von dem Hügel aus, auf dem die Männer und die Hüterinnen standen, war das gut zu erkennen. Im Westen und Norden war die Stadtmauer geborsten, und die üppige Pflanzenwelt hatte sich ihren Weg nach Julinaar gebahnt. Ganze Straßenzüge waren überwuchert, und kaum die Hälfte der Stadt war noch bewohnbar. Die Frauen kämpften fortwährend gegen die Ausbreitung von Farn und Gras und fällten die rasch wuchernden Kaskadenbäume.

      Doch immer wieder mussten sie vor der Macht der Natur weichen. Palisaden umgaben den Bereich innerhalb der überwachsenen alten Mauer, den die Menschen noch ihr Eigen nannten, und die Hüterinnen waren ständig auf der Hut, um die anderen Bewohnerinnen vor Raubtieren und giftigen Dschungelbewohnern zu schützen.

      „Die Stadt ist verkommen wie alles, was in ihr haust“, raunte Herdur-Mann. „Die Frauen lassen sie verfallen.“

      Sebor-Mann hatte die Bemerkung gehört und schüttelte unmerklich den Kopf. „Ich glaube eher, dass sie nicht die Kraft haben, sich dem Dschungel zu widersetzen.“

      „Dann sollen sie es wie wir machen“, knurrte der narbige Krieger. „Den Dschungel verbrennen, wenn er sich zu weit vorwagt. Aber wahrscheinlich könnten die Weiber die Flammen nicht beherrschen.“ Er lachte. „Wahrscheinlich würden sie eher ihre verdammte Stadt niederbrennen.“

      Sie verstummten, als eine Hüterin sie mit scharfem Blick musterte und dann stumm mit dem Blasrohr zur Stadt hinunterzeigte.

      Unter der strengen Obhut der Frauen marschierte die Gruppe die Straße entlang und näherte sich bald dem Haupttor Julinaars. Die beiden Statuen des letzten Königs und seiner Gemahlin, rechts und links des Tores, waren zerschlagen worden. Für die Frauen der Stadt war die frühere Königin eine Verräterin, die sich bereitwillig dem Mann hingegeben hatte, der für die Unterdrückung und das Elend von Julinaash verantwortlich gewesen war.

      Die Hüterinnen der Torwache winkten der Gruppe zu und machten anzügliche Bemerkungen, die von den Männern ignoriert wurden. Sie wussten, dass man sie provozieren wollte, um einen Vorwand zu finden, sie zu töten. Auf dem kleinen Platz jenseits des Tores wartete eine weitere Gruppe Wachen gemeinsam mit jenen fünfzig Frauen, die zur Empfängnis ausgewählt worden waren. Die wenigsten von ihnen zeigten ein freundliches Gesicht. Den meisten war die Übereinkunft eine ebenso lästige wie notwendige Pflicht, um das Überleben Julinaashs zu sichern.

      Die Anführerin der Eskorte gab ein Kommando, und die Gruppe verharrte. Das Geraune, welches sich beim Anblick der Männer unter den Frauen erhoben hatte, verstummte nun und machte gespannter Erwartung Platz.

      Herdur-Mann stieß Sebor-Mann unmerklich an. „Ich kann diese Elian-Frau erkennen, die du schon oft bestiegen hast. Seltsam, sie sollte eigentlich genug haben.“ Er grinste Sebor-Mann an. „Scheinbar schätzt sie deine Fähigkeit als Bulle.“

      „Mag sein“, murmelte Sebor-Mann, ohne eine Miene zu verziehen. „Sie ist immerhin erträglich.“

      „Dann hast du Glück, mein Freund. Wenn ich meine Pflicht erfülle, starrt man mich an, als sei ich dabei, die Frau zu erwürgen.“ Herdur-Mann zuckte die Schultern. „Man muss wahrhaftig an etwas Schönes denken, sonst gibt es keinen Samen und keinen Nachwuchs.“

      „Jene, die erwählt wurden oder die Last der Empfängnis freiwillig auf sich nehmen, sie mögen nun die Wahl ihres Schmerzes treffen.“ Die Anführerin der Hüterinnen gab den anderen Wachen einen Wink, und die Bewaffneten traten zurück. „Vor jeder Tür, hinter der die Übereinkunft erfüllt wird, steht eine Hüterin bereit, um über euch zu wachen. Bei Sonnenaufgang werden die Männer wieder aus der Stadt geführt. Trefft eure Wahl, Dienerinnen des Volkes, mit dem Segen unserer Kronenträgerin.“

      Einige Frauen traten rasch zu den Männern und trafen ihre Wahl. Es war wohl weniger die Erwartung der Empfängnis als vielmehr der Wunsch, es rasch hinter sich zu bringen. Andere zögerten und mussten mit jenen Bullen vorliebnehmen, die noch keine Frau gefunden hatten.

      Sebor-Mann wurde, wie Herdur-Mann nicht anders erwartet hatte, von Elian-Frau erwählt.

      „Du musst sie hart stoßen“, riet der narbige Krieger, „damit sie dich endlich in Ruhe lässt. Oder findet sie etwa Gefallen an dir?“

      „Red nicht so einen Unsinn“, brummte Sebor-Mann. „Ich tue meine Pflicht und du tu die deine. Bei Sonnenaufgang sehen wir uns wieder.“

      Elian-Frau war eine schlanke und zierlich wirkende Person mit schwarzem Haar, das sie offen trug und das ihr bis zu den Schenkeln reichte. Sie musterte Sebor-Mann und nickte schließlich. „Gut, Bulle, bringen wir es hinter uns.“

      Elian-Frau ging voraus, gefolgt von Sebor-Mann und einer aufmerksamen Hüterin, die darauf achten würde, dass der Frau kein Leid geschah. Wenigstens keines, das nicht durch die Übereinkunft vorbestimmt war.

      Der Anblick eines Mannes innerhalb der Stadt war, trotz der alljährlichen Übereinkunft, ein seltenes Ereignis. Frauen und Mädchen

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