Die Pferdelords 02 - Die Kristallstadt der Zwerge. Michael Schenk
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Dorkemunt blickte die Straße entlang. Nun, gegen Mittag, schien die
Sonne mit ganzer Kraft in die Schluchten des Gebirges hinein und erfüllte sie
mit gleißendem Licht und sengender Wärme. »Ich glaube, diese Straße ist
schon seit Generationen nicht mehr benutzt worden. Man sagt, früher habe
man über diese Straße Handel mit den Zwergen getrieben.«
»Zwerge.« Kormund setzte den Helm wieder auf und zurrte den
Kinnriemen fest. Er blickte zu den anderen Reitern der Schar zurück. Die
Hufe der Pferde wirbelten den feinen Staub auf, der den Boden bedeckte, und
die beiden letzten Männer der Gruppe wirkten grau gepudert. Selbst die
blauen Rosshaarschweife ihrer Helme hatten an Farbkraft eingebüßt. »Sie
gehören sicher zum Reich der Sage, diese Zwerge.«
»Ja.« Dorkemunt lachte. »Genauso wie die Elfen.«
Die beiden erfahrenen Pferdelords grinsten einander an. Vor Jahren hatten
sie alle geglaubt, es gäbe keine Elfen, doch dann waren Lotaras und Leoryn in
die Hochmark gekommen. »Nun gut, es mag sie geben«, räumte Kormund
ein. »Irgendwo im Gebirge, mein Freund.« Er grinste breit. »Vielleicht reiten
wir gerade in diesem Augenblick über eine ihrer Städte hinweg? Wer vermag
das zu sagen?«
»Wir sind jetzt drei volle Tage unterwegs«, meinte einer der Reiter hinter
ihnen. »Was können wir hier noch finden? Wir sollten umkehren, Kormund.«
»Ah, Mortwin, du hast nur Angst, das Spiel zu versäumen«, sagte der
neben dem Mann reitende Pferdelord.
»Und selbst wenn.« Mortwin beugte sich im Sattel vor und spähte mit
theatralischer Geste um sich. »Hier draußen ist nichts. Nichts außer Steinen
und Staub.«
»Du brauchst dich nicht zu hetzen, Mortwin«, lachte sein Flankenreiter.
»Ihr vom Horngrundweiler werdet ohnehin verlieren.«
»Das ist nicht wahr«, ereiferte Mortwin sich. »Wir sind weitaus besser als
…«
»Haltet eure Zungen im Gehege eurer Zähne«, knurrte Kormund. »Ihr keift
wie alte Weiber. Da könnte sich ja eine ganze Legion von Orks anschleichen,
ohne dass wir etwas mitbekommen.« Er hob die Hand. »Wir rasten hier,
Männer. Sitzt ab, aber haltet Augen und Ohren offen. Wir werden danach
noch ein kurzes Stück reiten und dann wieder umkehren.«
Sie hätten gerne Schatten aufgesucht, aber zu dieser Tageszeit boten die
umliegenden Felsen keinen Schutz. Die Männer saßen ab, nahmen die Helme
vom Kopf und füllten etwas Wasser aus den Feldflaschen hinein, um den
Tieren davon zu saufen zu geben, dann ließen sie ihre Pferde frei laufen. Es
waren ausgebildete Pferde, die sich nicht weit von ihren Reitern entfernten.
Im Kampf stellten ihre Hufe und Gebisse tödliche Waffen dar, allerdings
dauerte es seine Zeit, ein Pferd auf diese Weise zu schulen, denn es musste an
Lärm und Blut und alle sonstigen Begleiterscheinungen eines Kampfes
gewöhnt werden. Allein der flatternde Wimpel eines Beritts konnte ein Pferd
dann noch nervös machen.
Kormund stöhnte, als er die Lanze mit dem Wimpel den spitzen
Bodendorn voran in den steinigen Untergrund rammte.
Dabei beobachtete Dorkemunt, wie der stämmige Mann eine Hand unter
seinen Brustpanzer schob und sich über die Brust rieb. »Schmerzt die
Narbe?«
Kormund stöhnte erneut. »Wie verrückt. Ich glaube, wir bekommen einen
Gewittersturm. Dann schmerzt sie nämlich immer höllisch.«
Kormund war beim Angriff der Orks auf die Burg Eternas durch einen
Pfeilschuss in die Brust getroffen worden, doch er hatte überlebt. Und obwohl
die Narbe ihn sichtlich behinderte, war der Scharführer nicht bereit, es sich
selbst oder anderen einzugestehen.
Dorkemunt spähte in den blauen Himmel und sog warme Luft durch die
Nase ein. »Es wird aber keinen Gewittersturm geben.«
Kormund spülte sich den staubigen Mund mit einem Schluck aus der
Wasserflasche und spuckte aus, bevor er begann, seinen Durst zu stillen. »Das
Wetter kann in den Bergen von einem Augenblick zum andern umschlagen,
guter Freund. Ah, ich sage dir, ein Gewittersturm in den Bergen ist gewaltig.
Seine Blitze können selbst Felsen spalten.« Kormund nahm erneut einen
langen Schluck. »Mein Vater, ein guter Kämpfer, sagte immer, es sei der
Zorn toter Pferdelords, die nicht den Weg in die Goldenen Wolken gefunden
hätten. Sie seien nicht ehrenhaft gestorben und dazu verurteilt, auf ewig in
dunklem Zorn zu grollen. Er meinte, es sei das Funkeln ihrer Waffen, das die
gleißenden Blitze entsende. Vielleicht wollte er mich damit anspornen, tapfer
zu sein und als wahrer Pferdelord zu den Goldenen Wolken zu reiten.« Er rieb
sich erneut die Brust. »Ich sage dir, Dorkemunt, mein Freund, es wird einen