Fara - Kampf um Villa Patria. Rolf Berkamm
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Faras Blick wanderte zu Wisgards mit Schnitzereien verziertem Stock. „Du bist auch keine Römerin.“
Wisgard sah ebenfalls den kugelförmigen Knauf ihres Stockes an. „Nein, das sind Ornamente der Markomannen. Ich war an einem großen Fürstenhof die Heilerin. Als die Fürstin und ihr Kind bei der Geburt starben, gab der Fürst mir die Schuld dafür. Ich musste fliehen und hatte Glück, dass mich Markus‘ Vater aufgelesen hat und mir anbot, ihm ins Römische Reich zu folgen. So bin ich bei Clarissa untergekommen, weil hier weit und breit keine Heilerin mehr da war. Clarissa hält die Hand schützend über mich, auch wenn ich manchmal recht anstrengend bin. Aber es ist immer zum Wohle von Vinea Clarissa.“
Wieder kamen die zwei Frauen mit Wasser und einem Bündel Sachen herein.
Wisgard streckte die Hand nach Fara aus. „Komm, Fara, gib die alten Lumpen her. Ich werde sie verbrennen. Damit kannst Du symbolisch die schreckliche Zeit beim Sklavenhändler abschließen.“
Nach kurzem Zögern nickte Fara und streifte die Tunika über den Kopf und blickte nackt zur Holzwanne. Rina und Dara schüttelten nur mitleidig den Kopf, weil Fara so verdreckt und von Ungeziefer zerstochen war.
Wisgard schnappte sich die verdreckten Lumpen, nahm ihren Stock und ging ihre Kräuter holen. Ihr Weg führte an der Küche vorbei, wo sie Faras Tunika in das Feuer für den Wasserkessel warf. Dann beauftragte sie eine Küchenfrau, leichtes Essen und Minztee in die Badestube zu bringen.
Mit einem Korb beladen, trat Wisgard wieder in die Badestube. Dort stand schon das Essen auf dem Tisch. Fara saß relativ entspannt in der Wanne und ließ sich die Haare waschen. Rina nickte Wisgard zu und deutete mit dem Kamm auf die Haare.
Wisgard wandte sich an Fara. „Ich habe hier einen kleinen Krug mit Weinessig. Der hilft gegen das Ungeziefer in deinen Haaren. Das riecht etwas streng, aber es hilft meist mit nur einer Behandlung. Bist du einverstanden, Fara?“
Fara nickte. „Ich weiß, dass ich Läuse und Flöhe habe. Wenn der Filz in meinen Haaren nicht heraus zu kämmen ist, dann schneidet sie ab. Aber lass, bitte, so viel Haare übrig, wie es geht, Rina.“
Wisgard wies auf das Essen. „Ich habe leichtes Essen bringen lassen und Minztee. So hungrig, wie du bist, solltest du vorsichtig mit dem ersten Essen sein, sonst bringst du das alles wieder heraus.“
„Das weiß ich“, sagte Fara, stieg aus der Holzwanne und wurde von Dara mit Leinentüchern abgetrocknet.
Wisgard trat mit einer Kerze an Fara heran und bat sie, sich langsam zu drehen. „Tut dir irgendetwas weh, was man von außen nicht sieht?“
„Nein, nichts. Nur die Handgelenke sind entzündet“, beantwortete Fara die Frage.
„Gut, dann ziehe die neuen Sachen hier an. Das hier ist eine Art Unterkleidung unter der Tunika. Ich weiß nicht, ob du das kennst. Das Eine ist ein Brustband und das Andere ist ein Subligaculum. Du klemmst das Tuch zwischen die Beine und bindest die Tuchenden über den Hüften links und rechts zusammen. Ich finde es sinnvoll. Die Tunika hat weite Ärmel und reicht bis fast zu den Füßen. Diese Kordel kannst du als Gürtel verwenden wie Dara hier. Da sind Sandalen und ein Sagum. Abends und nachts ist es noch recht kalt.“ Dara half beim Anlegen der Unterkleidung, die bei den Barbaren nicht üblich war. Das wusste Wisgard und wartete geduldig, bis Fara angezogen war.
„Iss‘ ein wenig. Rina kann dabei deine Haare weiter kämmen. Jetzt sehe ich mir deine Handgelenke an. Die Entzündung muss ich mit ausgewählten Kräutern behandeln, damit sie zurückgeht.“
„Welche Kräuter verwendest du dazu?“, fragte Fara.
„Es ist schwierig, in dieser frühen Jahreszeit passende frische Kräuter zu finden. Ich habe über das ganze Jahr die Kräuter kleingehackt und mit Öl übergossen, damit sie nicht faulen. Ich werde Arnika und Thymian auf deine Wunden streichen.“ Wisgard zeigte die Töpfe und schob sie Fara hin. Die nahm jedes Gefäß und roch daran.
„Da ist ein Hauch Melisse dabei. Wir legen unsere Kräuter oft in Honig ein.“ Fara schaute Wisgard fragend an.
„Das stimmt. Ich mische oft verschiedene Kräuter, um die Wirkung zu verstärken. Manchmal hilft das Eine und dann das Andere. Das mit dem Honig kenne ich auch. Aber Olivenöl haben wir hier im Überfluss.“ Wisgard war überrascht, dass Fara die Melisse erkannt hatte. „Welche Kräuter werden bei euch genommen?“, fragte sie.
„Zu denen, die du genannt hast, verwenden wir Schafgarbe, Spitzwegerich oder Kamille. Was man im Wald eben findet.“ Fara zuckte vielsagend mit den Schultern.
Wisgard stutzte. „Habt ihr denn keinen Kräutergarten?“
„Dafür ist kein Platz in der Burg. Außerhalb der Burg fressen die Pferde alles Grüne weg. Deshalb suchen wir im Wald. Dort kennen wir die Stellen, an welchen Kräuter wachsen.“
„Du kennst dich recht gut mit den Heilkräutern aus“, stellte Wisgard fest.
Fara zuckte wieder mit den Schultern. „Ich wollte so viel wie möglich über die Heilkunst wissen. Deshalb bin ich oft mit unserer Heilerin mitgegangen.“
In der Zwischenzeit hatte Wisgard aus ihren Töpfchen etwas ölige Kräuterpaste auf einen Leinenstreifen gestrichen. Diesen wickelte sie um Faras Handgelenk und band ihn mit einer dünnen Schnur viermal über Kreuz gewickelt fest. Am Ende sahen beide Handgelenke aus, als ob diese mit weißen Schmuckbändern verziert waren.
„So. Fertig! Morgen erneuern wir die Kräuter und dann dauert es ein paar Tage, bis alles verheilt ist.“ Wisgard war mit ihrem Werk sichtlich zufrieden.
„Danke“, sagte Fara leise.
Wisgard schaute Fara prüfend an. „Deine Haare sind fast trocken. Clarissa und Markus werden schon ungeduldig auf uns warten. Wir nehmen das restliche Essen mit.“
Draußen war es schon dunkel und die wärmende Sonne verlor ihre Macht an die abendliche Kühle. Dankbar raffte Fara das Sagum um ihre Schultern.
Die Heilerin führte Fara über den Hof ins Herrenhaus. Am Eingang brannte eine Fackel. Durch einen Gang mit bemalten Wänden gelangten sie zum Atrium mit Säulengängen. Rechts unter einer Tür war ein Lichtschein zu sehen. Wisgard öffnete diese Tür und schob Fara hinein.
Das Zimmer, das sie betraten, war reich ausgestattet mit Liegen, Bänken und Truhen. Es brannten vier Fackeln an den Wänden, so dass ausreichend Licht war. In der Mitte stand eine Steinfigur. Fara schaute den dargestellten Mann fasziniert an. Er schien Wein zu lieben, denn er hielt eine Weintraube in einer Hand und in der anderen einen Weinkrug. Um die Hüften war er mit Weinranken verziert.
„Das ist der Wein- und Fruchtbarkeitsgott Bacchus“, sagte Clarissa, die dem Blick von Fara gefolgt war. Sie und Markus hatten je eine Liege in Beschlag genommen.
Wisgard hatte beruhigend einen Arm um Fara gelegt. „Das ist Prinzessin Fara.“
Damit deutete sie an, dass Fara ihr Schweigen aufgegeben hatte.
„Setz dich hier auf die Bank. Clarissa, darf ich bleiben?“, fragte Wisgard ihre Herrin.
„Nimm Platz und stell das Essen auf den Tisch neben euch. Wie geht es den Handgelenken?“,