Paulo bereist die Seidenstraße (4). HaMuJu

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Paulo bereist die Seidenstraße (4) - HaMuJu

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hereingekommen und fraß aus seinem Napf die Knochen, die vom Abend zuvor übrig geblieben waren. Nach dem Frühstück ging Fuat mit mir hinaus auf die Ziegenweide. Die Weide war ein Hanggrundstück und stieg ziemlich steil an. Auf der Weide standen Aprikosen-, Apfel- und Kirschbäume. Fuat setzte sich mit mir unter einen Aprikosenbaum und fing an, mir mit seinem gebrochenen Deutsch etwas über die Kurden zu erzählen. Abdullah Öcalan wäre ein guter Mann gewesen. Als er 1999 wegen Hochverrates festgenommen und zu lebenslanger Haft verurteilt worden war, waren alle sehr traurig. Aber es mischte sich auch Wut unter die Trauer, viele Kurden wurden fanatische Kämpfer gegen die türkischen Nationalisten, sie wollten einen von der Türkei losgelösten Staat in Ostanatolien. Ich sagte, dass es auch in Deutschland Demonstrationen zur Befreiung Öcalans gegeben hätte, die PKK hätte dazu aufgerufen. Fuat meinte, dass Bingöl mitten im Siedlungsgebiet der Kurden läge, es lebten in Bingöl fast nur Kurden. Er selbst wäre Kurde, aber kein Fanatiker, könnte aber das Bestreben der Kurden nach Unabhängigkeit verstehen. Er hätte Abdullah Öcalan einmal auf einer Kundgebung in Bingöl erlebt, das wären gute Sachen gewesen, die er da von sich gegeben hätte. Es gäbe niemanden, der seine Position für die kurdische Sache übernehmen könnte, das wäre sehr schade.

      Die Ziegen drängten sich in einer Ecke der Weide. Öcalan wurde von vielen geliebt, man vertraute ihm.

      Die Ziegen fingen an, wie wild zu meckern.

      Die PKK stünde hilflos da, es fände sich auch niemand, der das Charisma Öcalans hätte.

      Die Ziegen rannten wie verrückt hin und her und als Fuat das bemerkte, war es schon zu spät.

      Die Erde bebte, zwanzig Meter vor uns tat sich eine gewaltige Erdspalte auf und hatte alle Ziegen verschlungen. Der Weidezaun war plötzlich nicht mehr vorhanden, wir waren vollkommen verschreckt und klammerten uns an den Aprikosenbaum. Der Blick zum Hof verhieß nichts Gutes, das Wohnhaus war eingestürzt. Fuat und ich wollten losrennen, als eine zweite Erdbebenwelle einsetzte. Sie riss den Platz vor dem Hof auf. Der Hühnerstall verschwand mitsamt allen Hühnern, der Ziegenstall stürzt in sich zusammen. Fuat schrie „Mama, Papa!“, nichts war zu hören. Es herrschte eine gespenstische Stille. Der LKW stand völlig unversehrt auf seinem Platz vor der Hofanlage. Fuat und ich standen vor den Trümmern des Hauses und riefen nach den Alten, wir räumten ein paar große Schuttstücke weg und fanden sie lebend unter einem Türblatt, das einen sie schützenden Hohlraum abgedeckt hatte. Fuat half beiden hoch und nahm sie in den Arm. Völlig aufgelöst und sprachlos standen wir vor den Trümmern, es herrschte absolute Stille!

      Wo war der Hund, man hätte ihn doch bellen hören müssen? Nach einigem Suchen fanden wir den Hund von einem Trümmerstück erschlagen auf dem Hof liegen, er war tot. Fuats Mutter fing an zu weinen. Niemand konnte fassen, was passiert war. Es hatte zwei große Erdbebenwellen gegeben, jede hatte etwa fünf Sekunden angehalten. In der Ferne hörte man die Sirenen von Krankenwagen und Polizei. Fuat nahm seine Mutter in den Arm und sagte, dass sie doch alle froh sein sollten, überlebt zu haben. Wir würden das Haus mit vereinten Kräften wieder aufbauen. Auch der Stall wäre schnell wieder aufgebaut. Fuat beschloss, nach Bingöl rein zu fahren, um zu sehen, ob wir irgendwo helfen könnten. Wir kamen bis zur Fuzuli Caddesi, wo sich eine gewaltige Erdspalte auftat und ein Weiterfahren unmöglich machte. Was wir sahen, war schrecklich. Es stand kein Stein auf dem anderen, Menschen schrien um Hilfe, zum Teil lagen sie halb verschüttet und eingeklemmt unter Trümmern. Ich sah auch völlig zerquetschte Tote, unbeschreiblich, dieses Elend! Hunde hetzten kläffend durch die Straßen, Gasleitungen standen in Flammen, überall brannte es, es roch nach verkohltem Fleisch. Da, wo die Feuerwehr fahren konnte, wurde gelöscht, viele standen auf der Straße und löschten mit Eimern, was natürlich gegen die lodernden Flammen nicht viel half. Obwohl Bingöl Provinzhauptstadt war, gab es in der ganzen Stadt nicht die Hilfsmittel gegen eine solche Naturkatastrophe. Ich ging mit Fuat und seinen Eltern soweit wie wir kamen und wir halfen, so gut wie wir konnten.

      Nach zwei Stunden rückte Militär an, unterstützt von Hubschraubern begannen die Soldaten, die Stadt zu sichern und da, wo es möglich war, zu helfen. Plünderungen mussten vermieden werden. Bingöl war ein einziges Trümmermeer. Wir schauten uns an, jeder hatte dreckverschmierte Kleidung an, die Gesichter klebten von Schweiß, es war inzwischen heiß geworden. Fuat sagte, dass wir wieder zurückkehren sollten, wir könnten ohnehin nicht mehr helfen, auch hätten die Soldaten zu verstehen gegeben, dass wir unerwünscht wären. Also fuhren wir wieder zurück. Das Bild, das sich dort bot, war schrecklich, ein einziges Trümmerfeld, zerborstene Fenster und Türen, zersplittertes Holz, kaputtes Geschirr, lediglich die Mauern von Fuats Zimmer waren stehengeblieben und auch der alte Steinofen war relativ intakt. Aber es gab nirgendwo ein Dach und es gab keine Möglichkeit, sich hinzusetzen. Das war das Erste, was wir machten, wir bauten aus einem Türblatt, das wir mit Steinen abstützten einen Tisch, dann nahmen wir zwei Bohlen, stützen auch die mit Steinen ab und hatten zwei Bänke. Wenigstens konnte man so am Tisch sitzen. Fuat und ich suchten in dem Hausschutt nach noch brauchbaren Gegenständen und brachten alles, was wir fanden und was unversehrt war, zum Tisch, auch Cay. Dann machten wir Feuer im Steinofen und baten Fuats Mutter, Cay zu kochen. Wir fanden auch noch einige Baklava vom Vortag, nach dem ersten Tee und einem Stück Gebäck sah die Welt schon ganz anders aus.

      Fuat sagte, dass er in Malatya anrufen und sich zwei Wochen Urlaub geben lassen würde. Für die Urlaubszeit wollte er sich den LKW ausleihen, um den gröbsten Schutt wegzufahren. Ich erklärte mich bereit, einige Tage zu bleiben und bei den Aufräumungsarbeiten zu helfen. Fuat fuhr mit mir nach Mirzan, zwei Tonnen Sand und zehn Säcke Zement holen. Als wir wieder zurück waren, ging es sofort an die Arbeit. Mühsam wurde von Hand Speis gemischt und das Haus aus den Trümmern wieder aufgebaut. Die Alten halfen, indem sie von den Steinen, die nicht kaputt waren, den Speis abschlugen. Das ging sehr leicht, weil man früher wohl nicht mit Zement gearbeitet hatte. Ich reichte Fuat immer die Steine und den Speis, Fuat mauerte. Am frühen Abend konnte man tatsächlich schon erste Erfolge sehen.

      Fuats Mutter machte sich am Steinofen zu schaffen, sein Vater holte Lebensmittel aus der Vorratskammer, die einmal hinter dem Haus gestanden hatte und relativ unbeschädigt geblieben war. Die Mutter backte Fladenbrot und briet Fleisch. Fast war alles so wie immer, wir saßen aber im Freien. Fuat schlug über die Reste seines Zimmers ein Dach aus Folie, die er mit Balken beschwerte. Dort konnten die Eltern übernachten. Fuat schlief im LKW und ich würde in meinen Schlafsack kriechen und auf der Ziegenweide schlafen. Es wurde schnell frisch und wir machten ein Feuer auf dem Hof. Der Vater hatte Bier und Raki herbeigeschafft, das tat gut, sogar Fuats Mutter trank zwei Raki. Das war die Zeit, wo alle einmal durchatmeten und dankbar waren, noch am Leben und gesund zu sein. Ich war ziemlich müde, die Arbeit hatte mich doch angestrengt, Fuat hatte geschuftet wie zwei Arbeiter auf einmal.

      Er hatte das Wohnzimmer bis unter die Fenster schon wieder hochgezogen. Er hatte sich überlegt, das Haus nach energetischen Gesichtspunkten zu bauen. Er würde acht Zentimeter dickes Styropor vor die Klinker setzen und noch einmal die gleiche Wand dagegen bauen. Dann würde er doppelt verglaste Fenster einsetzen und das Dach dämmen, er würde eine Fotovoltaikanlage installieren lassen und ein richtiges Badezimmer bauen. Er würde dann eben mehrere Male kommen müssen und weiter arbeiten. Auch eine Küche würde er seiner Mutter bauen, den Steinofen würde er aber bestehen lassen.

      Ich verabschiedete mich, wusch mich am Brunnen, und legte mich auf der Ziegenweide in meinen Schlafsack, ein schönes Gefühl! Ich dachte lange über die schrecklichen Ereignisse nach und musste immer wieder sagen, wie glücklich wir alle sein konnten, mit dem Leben davongekommen zu sein.

      Am nächsten Morgen wurde schnell gefrühstückt, dann begruben wir den Hund. Fuats Vater, Fuat und ich gingen durch das Gelände und begutachteten die Schäden, einige Bäume waren entwurzelt, kein Problem. Die beiden großen Erdspalten müsste man verfüllen, in jede würden mit Sicherheit fünf LKW-Ladungen Schutt passen. Fuat bat mich, das zu übernehmen. Ich setzte mich hinter das Steuer des LKWs und fuhr mit dem Vater nach Bingöl. Direkt an der Fuzuli Caddesi war ein Bagger mit Aufräumarbeiten beschäftigt. Fuats Vater bat den Baggerführer, unseren LKW voll Schutt zu laden,

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