Paulo bereist die Seidenstraße (4). HaMuJu

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Paulo bereist die Seidenstraße (4) - HaMuJu

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beiden Erdspalten verschwunden. Die oberste Schicht füllten wir mit Mutterboden auf, dann war nichts mehr zu sehen. Fuat kam natürlich allein nicht so schnell voran, seine Mutter half ihm aber, so gut sie konnte. Am Ende des zweiten Tages nach dem Erdbeben war jedenfalls eine Menge passiert und alle waren wieder zufrieden. Fuats Mutter freute sich auf das neue Haus und auch der Vater war froh, den alten Kotten hinter sich gelassen zu haben. Ob sie jemals wieder Ziegen züchten würden, wussten die Alten noch nicht.

      Nach vier Tagen war das Wohnzimmer hoch gezogen und Fuat begann, das Dach aus einer Balkenlage zu errichten. Er hatte längst Fenster in Auftrag gegeben, die ich mit seinem Vater abholen sollte. Er hatte die Balkenlage verbrettert und oben und unten mit einer Styroporlage gedämmt. Dann wurde das Dach mit Dachblechen abgedichtet und das Wohnzimmer war wieder bewohnbar. Als nächstes erneuerte Fuat das Dach über seinem Zimmer nach der gleichen Methode. Das Wetter war die ganze Zeit über gut, sodass die Arbeit voran ging. Nach dem vierten Tag sagte ich, dass ich weiter wollte, wenn Fuat meine Hilfe nicht mehr benötigte. Mein letzter Abend in Bingöl war angebrochen.

      Fuat sagte, dass er mich mit dem LKW bis nach Ekinyolu bringen wollte, dort könnte ich in den Bus nach Van einsteigen. Er kannte Schleichwege, denn durch Bingöl wäre kein Durchkommen.

      Noch einmal saßen wir am Abend zusammen und erzählten am Feuer, die Alten hatten das Unglück, das über sie gekommen war, verwunden. Später erfuhren wir, dass das Erdbeben eine Stärke von 7.2 hatte, also gewaltig war.

      Bingöl lag in einem Erdbebengebiet, das letzte Beben hatte es dort 2003 gegeben, es hatte eine stärke von 6.4. Nördlich der Anatolischen Platte verlief ein tektonischer Graben, alle Orte, die dort lagen, waren extrem gefährdet. Am Ende des Grabens lag Istanbul, ein Beben der Stärke in Istanbul wäre eine Katastrophe, nicht auszudenken, wie viele Menschenleben und welche Sachschäden das kosten würde! Aber was sollte man dagegen tun? Die Stadt evakuieren? Man konnte nur auf die Katastrophe warten, so schrecklich das auch war.

      Das gleiche Schicksal blühte den Städten am Sankt-Andreas-Graben in Kalifornien.

      Am nächsten Morgen verabschiedete ich mich von Fuats Eltern und dankte ihnen für alles. Fuats Mutter gab mir ein Lunchpaket mit, Sesamkringel, Ziegenkäse, Honig, Baklava und Pide. Ich wünschte alles Gute beim Wiederaufbau des Hofes. Dann fuhr ich mit Fuat nach Ekinyolu.

      Der Blick auf Bingöl zeigte noch einmal die Verwüstung, die die Stadt getroffen hatte. Auch die kleinen Orte unterwegs waren zerstört. Die Straße war heil geblieben, sodass der Bus fahren konnte. Ich umarmte Fuat und sagte ihm, dass ich mich melden würde, er würde auf jeden Fall Post von mir bekommen. Wir hatten Schlimmes zusammen erlebt, das würde ich so schnell nicht vergessen. Vielleicht käme ich mal zum Duschen in seinem neuen Badezimmer vorbei, scherzte ich. Dann kam der Bus, Fuat hatte Tränen in den Augen, ich auch. Wir winkten uns noch zu. bis der Bus hinter einer Kurve verschwand.

      Ich dachte noch lange Zeit an das schreckliche Erdbeben, der Blick aus dem Busfenster zeigte lange noch die Schäden an den Häusern. Ich holte meine Kladde aus dem Rucksack und schrieb die Erlebnisse der letzten Tage auf. Die Fahrt verlief völlig problemlos, zog sich aber mal wieder in die Länge. Wir fuhren zunächst nach Mus, wo wir eine kleine Pause einlegten, ich setzte mich in den Schatten und aß einen Sesamkringel mit Ziegenkäse, meine Wasserflasche füllte ich noch einmal auf. Es war um die Mittagszeit sehr heiß. Mus zeigte reichlich Zerstörungen, aber längst nicht so viele wie Bingöl. Mus lag 1000 m hoch, in der Nähe vereinigten sich der Karasu und der Murat zum Euphrat. Unser nächster Stopp wurde in Tatvan am Van-See gemacht. Dort gab es so gut wie gar keine Verwüstungen. Von Tatvan gab es eine Eisenbahnfähre nach Van. Im Ort wehte ein angenehmes Lüftchen vom See herüber, das die Hitze erträglich machte. Auch lag der See 1729 m hoch, das ließ die Temperaturen nicht ganz so stark ansteigen. Tatvan war ein touristischer Ort, man konnte mit der Fähre zur Insel Akdamar fahren, die Insel wurde gerne zum Grillen und Baden angesteuert. 12 km westlich von Tatvan lag der 3050 m hohe Vulkan Nemrut, er war seit 600 Jahren inaktiv und bildete einen sehr großen Kratersee. Wir fuhren nach unserer Pause weiter nach Van, das waren noch hundertdreißig Kilometer, wozu wir zweieinhalb Stunden brauchten. Van lag auf 850 m Höhe ganz im Osten der Türkei. Wir kamen am späten Nachmittag im Ort an.

      Van

      Vom Erdbeben war in Van nichts zu sehen, Van hatte aber eine eigene Erdbebengeschichte, die Stadt war 1957 zerstört worden. Van lag als Neugründung ungefähr vier Kilometer vom Seeufer entfernt. Der See war riesig, er hatte eine Länge von hundertzwanzig Kilometern, ein Breite von achtzig Kilometern und war 457 m tief. Er war über siebenmal so groß wie der Bodensee. Die Regulierung des Wasserstandes erfolgte ausschließlich über die Verdunstung, die Höhe des Wasserstands schwankte um bis zu vier Meter. Van war eine große Stadt mit 332000 Einwohnern, sie war Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und wurde zu über neunzig Prozent von Kurden bewohnt. Ich stieg aus dem Bus und hatte zum ersten Mal das Gefühl, allein zu sein. Ich hatte meine „Raichle“ und die „Northface“-Jacke an und lief in die Stadt. Ich war dann ganz im Osten der Türkei, hundert Kilometer von der iranischen Grenze entfernt. Ich kam an ein Reisebüro und überlegte nicht lange. Ich ging hinein und fragte, wie ich denn wohl am besten nach Täbriz käme. Man war sehr entgegenkommend und zeigte mir mehrere Möglichkeiten auf. Die für mich günstigste Möglichkeit wäre der Zug nach Teheran über Täbriz. Es führen aber auch Busse über Saray in den Iran. Ich könnte sofort ein Ticket kaufen und am nächsten Tag in den Iran reisen. Ich könnte aber auch noch einen Tag in Van bleiben, das Ticket behielte seine Gültigkeit. Ich kaufte ein Zugticket.

      Es war schon früher Abend geworden und ich fragte nach einem billigen Hotel. Die nette junge Dame vom Reisebüro schickte mich zum Hotel ihres Bruders gleich um die Ecke. Ich sollte nach Birol fragen und sagen, dass Ayse mich geschickt hätte. Birol könnte auch ein paar Brocken Deutsch, Ayse hatte viele Jahre in Deutschland gelebt und eine Ausbildung zur Reisebürokauffrau absolviert. Birol hätte ebenfalls in Deutschland gelebt und bei Thyssen in Duisburg gearbeitet.

      Ich dankte Ayse für ihre Hilfe und lief zu Birols Hotel. Es hieß „Hotel Van“ und war klein, aber sehr gemütlich, wie ich schnell feststellen konnte. Birol erwies sich als ausgesprochen gastfreundlicher Mensch und begrüßte mich sehr herzlich. Als ich ihm sagte, dass ich aus Essen käme, war er sehr erfreut. Duisburg wäre Essens Nachbarstadt gewesen, sagte Birol. Er wäre einmal auf einer PKK-Versammlung in Essen gewesen, in Altenessen, um genau zu sein.

      Wir kamen schnell ins Gespräch. Birol zeigte mir erst einmal mein Zimmer, er würde auf mich beim Essen warten. Ich war froh, so schnell wieder Anschluss gefunden zu haben. Zum ersten Mal seit längerer Zeit ging ich mal wieder duschen, das tat gut. Dann zog ich frische Sachen an und ging wieder runter in den Gastraum. Da saß Birol schon am Tisch und erwartete mich. Er erzählte sofort von Thyssen, wie gut seine Arbeit dort gewesen wäre und vor allem, wie viel Geld er dort verdient hätte. Das ganze Geld steckte in seinem Hotel, er hätte zehn Jahre in Deutschland gearbeitet, das wäre eine schöne Zeit gewesen. Er hätte in Duisburg-Ruhrort gewohnt, in der Nähe des Friedrichsplatzes und wäre immer mit der Linie 901 bis zum Tor 30 gefahren. Er hätte viele Arbeitskollegen aus der Türkei gehabt, er träfe sich noch mit ihnen, viele kämen nach Van, um Urlaub zu machen und wohnten dann in seinem Hotel.

      In der Ecke lief der Fernseher, es wurde eine Statistik gezeigt, wie viele Tote welche Stadt bei dem Erdbeben von vor zwei Tagen zu beklagen gehabt hätte., Bingöl hatte 462 Tote, die Stadt war zu siebzig Prozent zerstört.

      Ich erzählte Birol, dass ich zum Zeitpunkt des Erdbebens in Bingöl gewesen wäre. Birol sagte, dass es in Van kaum spürbar gebebt hätte, die Hunde der ganzen Stadt hätten wie verrückt gekläfft. Er hätte schon mehrere Berichte im Fernsehen gesehen, das wäre ziemlich schrecklich gewesen, was da in mancher Stadt geschehen wäre. Auch Van läge in einem Erdbebengebiet, er hätte zwar noch nie eines erlebt, rechnen müsste man aber jederzeit damit. Dann wurde das Abendessen serviert,

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