Sonnenwarm und Regensanft - Band 4. Agnes M. Holdborg

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Sonnenwarm und Regensanft - Band 4 - Agnes M. Holdborg

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Le­na schloss An­na in die Ar­me und be­merk­te, dass ih­rer Schwes­ter, wie so oft, vor Rüh­rung ei­ne ein­zel­ne Trä­ne die Wan­ge hin­a­b­lief. An­na sag­te nichts, als sie sich ab­wand­te. Das fiel ihr schein­bar zu schwer. Vik­tor nick­te ih­nen zu, be­vor sie die Kü­che ver­lie­ßen.

      ***

      Zu­erst herrsch­te be­tre­te­nes Schwei­gen, das aus­ge­rech­net Vi­tus‘ wort­kar­ger Eli­te­wach­mann Ke­tu durch­brach. Er sah Vik­to­ria aus ru­hi­gen hell­brau­nen Au­gen zärt­lich an.

      »Wir wis­sen, dass An­na viel stär­ker ist, als sie manch­mal wirkt.«

      »Hhm«, mein­te Vik­to­ria nur.

      Vi­tus da­ge­gen blieb zu­nächst auf­fäl­lig schweig­sam. Er hat­te sei­nen Geist tief ver­schlos­sen, woll­te er sei­ne Über­le­gun­gen doch ger­ne für sich be­hal­ten. Ihm war durch­aus be­wusst, dass die­se Ver­hand­lung nicht nur An­na, son­dern auch Vik­tor schwer zu schaf­fen mach­te. Er wür­de ge­dank­lich mit sei­nem Sohn ver­bun­den blei­ben, um ihn not­falls zu be­ru­hi­gen. Dann je­doch macht er sei­nen Kopf da­von frei. Bis zum Pro­zess war ja noch et­was Zeit. Al­so wand­te er sich in sei­ner ty­pisch spon­ta­nen Art an Sen­tran: »Was sagt denn Lin­na ei­gent­lich zu un­se­rem Vor­ha­ben?«

      Sen­tran be­tupf­te sich mit ei­ner Ser­vi­et­te den Mund, be­vor er ant­wor­te­te: »Mei­ne Mut­ter ist über­g­lü­ck­lich, mein Kö­nig, was sie üb­ri­gens be­reits vor­her schon war. Na­tür­lich hält sie es für maß­los über­trie­ben, dass du ihr ein Haus auf dem Schloss­ge­län­de bau­en willst, und dem pflich­te ich un­um­wun­den bei. Den­noch freut sie sich über al­le Ma­ßen. Noch nie hat sich je­mand der­art um sie ge­küm­mert.«

      Jetzt muss­te Vi­tus grin­sen. »In ei­nem Punkt hast du mich schein­bar falsch ver­stan­den, Sen­tran. Das wird nicht nur ein Haus für Lin­na, son­dern eben­so für dich.«

      Vi­tus ver­gnüg­te sich an Lo­a­nas of­fen­sicht­li­che Ver­wun­de­rung dar­über, dass sein Grin­sen sich we­gen Sen­trans ver­blüff­ter Mie­ne noch wei­ter aus­dehn­te.

      »Na ja, falls du ein­mal ei­ne Fa­mi­lie grün­dest, brauchst du Platz. Al­so soll­te das Haus groß ge­nug wer­den.«

      »Mein Kö­nig, ich weiß nicht, was ich sa­gen soll.«

      »Dann lass es halt, Sen­tran. Schließ­lich ha­be ich mir den Mund oft ge­nug fus­se­lig ge­re­det, wenn ich euch sechs Wach­män­nern zu er­klä­ren ver­such­te, dass ihr zu mei­ner Fa­mi­lie ge­hört. Al­ler­dings wirst du im Mo­ment noch kei­ne Zeit ha­ben, dich um den Bau zu küm­mern. Über­lass das al­so dem Bau­meis­ter und dei­ner Mut­ter.«

      Vi­tus fuhr auf­grund Sen­trans fra­gen­dem Ge­sichts­aus­druck fort: »Ich ha­be Tim­mun und Es­sem mit ih­ren Frau­en für zwei Wo­chen in Ur­laub ge­schickt. Das war schon lan­ge fäl­lig. Zu­dem wird An­nam erst in ei­ner Wo­che vom Be­such bei sei­ner Fa­mi­lie im Fer­nen Os­ten zu­rück sein. Tja, und Vol­tran ist noch mit Kir­sa im Nor­den. Ihr Auf­ent­halt bei Jeo­mi und auch Ta­hi­ti selbst hat ih­nen bei­den gut­ge­tan. Jetzt muss Kir­sa sich dar­über im Kla­ren wer­den, ob sie hier­her zu Vol­tran zie­hen möch­te.«

      Vi­tus seufz­te. »Ich den­ke, ich wer­de mit dem Bau­meis­ter we­gen ei­nes wei­te­ren Hau­ses spre­chen müs­sen. Denn Kir­sa wird mit­kom­men und sie wird Vol­tran hei­ra­ten. Da bin ich mir si­cher.«

      Die letz­ten Sät­ze hat­te er mehr zu sich selbst ge­sagt. Da­her wun­der­te er sich über die stau­nen­den Ge­sich­ter der An­we­sen­den, so sehr war er mit sei­nen Zu­kunfts­plä­nen be­schäf­tigt.

      Er sprang vom Stuhl. Da­bei schau­te er Ke­tu und Sen­tran ge­spielt ernst an. »Ja, guckt nicht so ver­dutzt. Ihr bei­den Wach­män­ner seid nun mal zur­zeit die ein­zi­gen von den Sech­sen, die Vik­tor und mir zur Sei­te ste­hen.«

      Er klatsch­te auf­for­dernd in die Hän­de. »Al­so, auf, auf! Es gibt viel zu tun.«

      Dar­auf­hin wand­te er sich sei­ner Frau, Vik­to­ria und Le­na zu. »Ihr wer­det bis heu­te Mit­tag wohl oder übel oh­ne uns aus­kom­men müs­sen.«

      Wut im Bauch

      An­na war furcht­bar blass und die­se durch­schei­nen­de Bläs­se ließ sich ein­fach nicht ver­trei­ben.

      »Leg dich bit­te hin, Sü­ße«, sorg­te sich Vik­tor. »Du bist ja ganz wa­cke­lig, komm schon.« Er schob sie in dem klei­nen Wohn­zim­mer der Nells Rich­tung So­fa, drück­te sie dort be­hut­sam in die Kis­sen und deck­te sie mit ei­ner wär­me­n­den De­cke zu. »Ich ho­le dir erst ein­mal et­was zu trin­ken und mach dir ein Brot. Bin gleich zu­rück.«

      Mit ei­nem Stirn­run­zeln re­gis­trier­te er, dass sie ihm nicht das kleins­te Wi­der­wort gab, und das, ob­wohl er von Es­sen ge­spro­chen hat­te. Das ließ sei­ne Be­sorg­nis noch an­wach­sen. Schnell mach­te er in der Kü­che einen Tel­ler mit be­leg­ten Bro­t­en zu­recht, füll­te ein Glas mit Co­la, ein wei­te­res mit Mi­ne­ral­was­ser und ba­lan­cier­te al­les auf ei­nem Ta­blett zur Couch. Dort lag An­na noch ge­nau so, wie er sie ver­las­sen hat­te.

      »Komm her, Klei­nes.«

      Er hob ih­ren Kopf an und ha­lf ihr, ein paar Schlu­cke Co­la zu neh­men, in der Hoff­nung, der Kof­fe­in­kick wür­de sie be­le­ben. Gleich­zei­tig ver­sorg­te er sie mit ei­nem gu­ten Maß an Son­ne. Zu sei­ner Freu­de kehr­te ein we­nig Fa­r­be in ihr Ge­sicht zu­rück.

      »War­um ha­be ich das ge­tan, Vik­tor?«, frag­te sie matt. »Ich woll­te das doch gar nicht. Ich woll­te mich nur da hin­set­zen, er­zäh­len, was pas­siert ist, und Fra­gen be­ant­wor­ten. Statt­des­sen ren­ne ich zu die­sem Schwein und … Du mei­ne Gü­te!«

      Er muss­te sich ein La­chen ver­knei­fen, als An­na laut auf­stöhn­te bei der Er­in­ne­rung, die für ihn gut sicht­bar in ihr auf­stieg. Sie hat­te dem Un­ge­heu­er ei­ne Ohr­fei­ge ver­passt. Mit­ten im Ge­richts­saal!

      … Kaum be­trat sie den gro­ßen un­freund­li­chen Raum, sah sie nur noch rot. Völ­lig un­ver­hofft, von ei­nem Mo­ment zum nächs­ten, hat­te es sie über­kom­men. Sie stürm­te an­statt zu ih­rem Zeu­gen­stuhl zum An­ge­klag­ten, ih­rem ehe­ma­li­gen Bio­lo­gie­leh­rer Nils Zitt, und ver­pass­te ihm wort­los ei­ne schal­len­de Ohr­fei­ge. An­nas Va­ter rann­te so schnell wie mög­lich da­zu, um sie dar­an zu hin­dern, wei­ter auf den jam­mern­den Mann ein­zu­dre­schen. Die Hand hat­te sie be­reits er­neut er­ho­ben.

      Jo­han­nes nahm sei­ne Toch­ter zärt­lich in den Arm, re­de­te be­gü­ti­gend auf sie ein. Da­nach ent­schul­dig­te er sich beim Vor­sit­zen­den für An­nas Ver­hal­ten, gab gleich­zei­tig ih­re see­li­sche Ver­fas­sung zu be­den­ken und bat um rich­ter­li­che Nach­sicht.

      Der Rich­ter re­a­gier­te

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