Die Adria entlang von Görz bis Bar. Josef Mugler

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Die Adria entlang von Görz bis Bar - Josef Mugler

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1900 bestand die Bevölkerung Triests zu ca. 75% aus Italienern, 18% Slawen (vorwiegend Slowenen, welche in der Umgebung bei weitem die Bevölkerungsmehrheit bildeten), 5% Deutschsprachigen und einem multikulturellen Rest. „Es ist doch eine italienische Stadt. Aber sie darf nicht. Daher der Unwille, den man überall spürt. Es ist eine Stadt, die eine unwillige Existenz führt… Der Staat tut alles, um die Stadt zu verkrüppeln, und wundert sich dann, wenn sie nicht wächst. Auf jede Forderung der Stadt antwortet er: Werdet zuerst Patrioten, dann wird man etwas für euch tun! Während sich die Leute natürlich denken: Tut erst etwas, wofür es sich lohnt Patrioten zu sein!“ So sah das seinerzeit Hermann Bahr (Bahr 1909, S. 9).

      Als am 3. November 1918, also erst nach Ende der Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg, der Weg für die italienische Marine nach Triest frei gemacht werden musste, legte als erstes der Zerstörer Audace am Molo San Carlo an, der dafür seit 1922 Molo Audace heißt. Bald entstand das folgende Bonmot: „Was den Österreichern in Jahrhunderten nicht gelungen war, gelang den Italienern in wenigen Minuten: nämlich aus den Triestinern gute Österreicher zu machen.“

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      Der Molo Audace, früher Molo San Carlo (2009)

       Der Anker des Audace ist übrigens am Fuß jenes Leuchtturms ausgestellt, der in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als „Faro della Vittoria“ auf den Fundamenten einer alten österreichischen Festung zum Gedenken an die „Caduti sul Mare“ (die gefallenen Marinesoldaten im Ersten Weltkrieg) erbaut wurde. Im Friedensvertrag von Saint Germain wurde Triest 1919 offiziell samt einem Großteil Istriens und des Friaul Italien zugesprochen und unter der Herrschaft Mussolinis wurde die slawische Bevölkerung unterdrückt oder vertrieben.

      Dies bekamen auch die slowenischen Einwohner Triests zu spüren. Die Serie der Gewalttaten begann mit der Zerstörung des „Narodni dom“ (vulgo „Hotel Balkan“) an der heutigen Piazza Dalmazia am 13. Juli 1920 und setzte eine Spirale der Gewalt in Gang. Der Triestiner Hafen wurde in der Zwischenkriegszeit aber auch für rund 150.000 Juden zur „Porta di Sion“ (Tor Zions): Transithafen nach Palästina – bis zur Besetzung Triests durch deutsche Truppen nach der Kapitulation Italiens am 8. September 1943. Die italienischen Rassengesetze von 1938 hatten zuvor schon die jüdische Einwohnerschaft zum Rückzug aus Wirtschaft und Kultur gezwungen.

      Ende April 1945 traf die jugoslawische Armee im Raum Triest ein. Der Kampf um Triest und Istrien entbrannte von neuem: diesmal zwischen Jugoslawien und Italien. Titos Truppen und Partisanen herrschten vierzig Tage in der Stadt und Umgebung, bevor alliierte Truppen die Kontrolle übernahmen. Istrien fiel in der Folge an Jugoslawien und damit setzte die „Vertreibung der Vertreiber“ ein. Nur eine Zone, die ungefähr von Duino bis Novigrad (Cittanova) reichte, wurde 1947 zum „Free Territory of Trieste“ erklärt. Bis zur geplanten Einsetzung eines UNO-Gouverneurs wurde dieses Territorium in zwei Zonen getrennt verwaltet: die italienisch dominierte Zone A von Duino bis südlich von Muggia, wo heute die Grenze zu Slowenien verläuft, und die jugoslawisch dominierte Zone B im Anschluss daran. Nachdem die Einsetzung des UNO-Gouverneurs immer wieder scheiterte, wurden im Jahr 1954 die beiden Zonen Italien und Jugoslawien auch offiziell angegliedert.

      Von all diesen Wirren ahnt man nichts, wenn man heute auf der prächtigen Piazza dell‘ Unità d’Italia, der früheren Piazza Grande steht. Der Platz ist zum Meer hin offen und an den übrigen drei Seiten von prächtigen Gebäuden umrahmt. Die Häuser, welche den Platz vom Meer trennten, wurden in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entfernt, was ihm erst die heutige „Grandezza“ verlieh.

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      Die Piazza dell' Unità d'Italia (2009)

      Dem Meer gegenüber steht die prächtige Fassade des Rathauses. Davor sprudelt seit 1750 ein Brunnen, der die damals bekannten vier Kontinente darstellt und an die von Maria Theresia veranlasste Wasserleitung für Triest erinnert. Hinter dem Rathaus landeinwärts steigt der Hügel von San Giusto an, auf dem die Kathedrale und die Festung thronen. Neben der Kathedrale findet man in einem aufgelassenen Friedhof ein Lapidarium, unter anderem mit dem Grabstein für Johann Winkelmann, dem Kunsthistoriker, der 1768 auf der Durchreise in Triest einem Raubüberfall zum Opfer fiel.

      An diesem Hang liegt der älteste Teil der Stadt, der erst in den letzten Jahrzehnten renoviert wurde. Nördlich der Piazza Grande, wo sich einmal die Salinen von Triest ausbreiteten, liegt die ehemalige Maria-Theresien-Vorstadt (Borgo Teresiano) mit dem rund 300 m langen Canale Grande, in dem die Segelschiffe auch bei rauer See be- und entladen werden konnten. Südlich der Piazza liegt der Borgo Giuseppino, benannt nach Kaiser Joseph II., der im Rahmen der zweiten Stadterweiterung im 18. Jahrhundert entstand.

      Heinrich Freiherr von Ferstel, auch Architekt einiger Palais und der Universität in Wien, plante den Palast des „Österreichischen Lloyd“ (des heutigen „Lloyd Triestino“) an der Südflanke der Piazza Grande, wo sich vorher der Fischmarkt befunden hatte, „in jenem sinnlosen und grundlosen Ringstraßenstil, der wie eine tote Sprache klingt. Ich habe einen alten ungarischen Pfarrer gekannt, der eine Vorliebe hatte, lateinisch zu reden. Gulasch essen und lateinisch reden. Und genau so wirkt dieser Bau. Und dann bin ich immer traurig, beim Lloyd“, klagte seinerzeit Hermann Bahr (1909, S. 12). Aber schön, wenn auch ein bisserl protzig, ist er doch, der Palast im Verein mit den anderen Palästen, hier an der Piazza Grande, pardon: Piazza dell‘ Unità d’Italia!

      chapter6Image5.jpeg Der Lloyd-Palast (1988)

      Immerhin pflegt Triest heute die Erinnerung an habsburgische Zeiten durch mehrere Denkmäler für die ehemaligen „Unterdrücker“: für Kaiser Leopold I. auf der Piazza della Borsa, Kaiser Karl VI. auf der Piazza Unitá und Kaiserin Elisabeth vor dem Südbahnhof (Trieste Centrale). Und jetzt dazu auch wieder Kaiser Maximilian auf der Piazza Venezia, nachdem er viele Jahre im Park von Miramar "abgestellt" war.

      chapter6Image6.jpeg Kaiser Maximilian auf der Piazza Venezia (2015)

      Italien ehrte nach dem Ersten Weltkrieg „natürlich“ auch „seine“ Freiheitskämpfer, die freilich aus österreichischer Sicht üble Hochverräter waren, wie etwa der aus Istrien stammende österreichische Staatsbürger und Überläufer zur italienischen Flotte Nazario Sauro, der 1916 in Pola hingerichtet wurde und vor der Stazione Marittima (Hafenterminal) an der Riva Bersaglieri ein Denkmal aufgestellt bekam. Das Hafenterminal aus 1933 ist heute ein Kongresszentrum. Und aus der alten Pescheria (Fischhalle) aus 1913, ein paar Schritte weiter, ist inzwischen die Ausstellungshalle Salone degli Incanti (Salon der Zaubereien) geworden. Nur das kurioserweise im selben Gebäude untergebrachte Aquarium durfte bleiben.

      Triest hat eine Kaffeehaustradition ähnlich wie Wien. Schließlich kam der Wiener Kaffee zu einem Gutteil über den Hafen Triest. Der „Viennese“ ist ein Kaffee mit Milchschaum ähnlich der Wiener Melange. Die Kaffeehäuser waren Treffpunkte von Schriftstellern, deren berühmtester James Joyce war, der hier seinen Ulysses begann. Als Fundgrube für alte Literatur gilt das Antiquariat, das der Schriftsteller Umberto Saba in der Via San Nicoló begründete.

      Triest hat ein auf hohem Niveau bespieltes Opernhaus: das Teatro Communale Giuseppe Verdi, das 1801 fertiggestellt wurde. Das Theater steht nur wenige Schritte nördlich der Piazza Unitá und gegenüber gelangt man durch die Galerie des Tergesteo-Palastes auf die Piazza della Borsa, die vom klassizistischen säulengeschmückten Gebäude der Alten Börse und Sitz der Handelskammer beherrscht wird.

      Triest hatte auch einige Straßenbahnlinien, wovon eine noch in Betrieb ist: Diese fährt seit 1902 teilweise mit Zahnradunterstützung

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