Die Adria entlang von Görz bis Bar. Josef Mugler

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Die Adria entlang von Görz bis Bar - Josef Mugler

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es einen Damm aus Schüttmaterial aus der Lagune schon im 19. Jahrhundert, dieser war aber durch Hochwässer häufig unbrauchbar. Vor dessen Befestigung für den Auto- und neuerdings auch Radfahrverkehr musste man von der Bahnendstation in Belvedere, wo schon der heilige Markus das friulanische Festland betreten haben soll, auf Fährboote umsteigen. Erst 2008 wurden die Gleise dieser alten Bahnlinie aus dem Boden gerissen. Von Triest her konnte man direkt nach Grado anreisen: Ab 1912 verkehrten in der Hochsaison nicht weniger als drei Dampferverbindungen täglich. Auch heute gibt es im Sommer wieder einen bescheidenen Linienverkehr für Touristen auf dieser Strecke.

      Grado bot in unruhigen Zeiten Schutz vor Eroberern, in ruhigen Zeiten Erholung an seinem langen, flachen Sandstrand: Das war schon zur Blütezeit Aquileias und danach im Sturm der Hunnen, Goten, Langobarden und Awaren so. 568 floh der Patriarch von Aquileia vor den Langobarden mit dem Kirchenschatz nach Grado. Die spärlichen Reste einer Kirche auf der Piazza Marin weisen bis ins 4. Jahrhundert zurück, also in die Zeit, bevor Aquileia von den Hunnen und Langobarden zerstört wurde. Später, im 6. Jahrhundert, entstand an derselben Stelle eine dreischiffige Basilika, von der allerdings ebenfalls nur Grundmauerreste erhalten, aber seit wenigen Jahren vorbildlich freigelegt sind.

      606 kam es zu einer Spaltung in der Diözese von Aquileia und zur Einrichtung eines eigenen Patriarchats in Grado, das unter byzantinischen Einfluss geraten war. Im 12. Jahrhundert wurde das römisch-katholische Patriarchat von Grado nach Venedig verlegt, wo es bis 1451 aufrecht blieb und dann durch ein eigenständiges venezianisches ersetzt wurde. Grado war also - zumindest kirchengeschichtlich – die „Mutter“ Venedigs. Unter der Ägide des Patriarchen von Grado wurde schließlich 697 auch der erste Doge von Venedig gewählt.

      Die Basilika des Gradeser Patriarchats, Santa Eufemia, ist gut erhalten und auch heute Zentrum des Städtchens. Sie wurde ebenfalls im 6. Jahrhundert über einem Vorgängerbau aus dem 4. bis 5. Jahrhundert errichtet. Den Glockenturm krönt eine Statue des Erzengels Michael, der „Anzolo“ (angelo), der sich mit dem Wind dreht und den erfahrenen Gradesern sagt, wie das Wetter werden wird.

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      Der Anzolo zeigt das Wetter an (2010)

      Das Baptisterium stammt aus dem 5. Jahrhundert. Fast nebenan steht eine weitere Kirche: Santa Maria delle Grazie aus dem 5. bis 6. Jahrhundert. Mitten in der Lagune ragt der Turm der Wallfahrtskirche Santa Maria di Barbana auf, die 582 gegründet wurde, aber mit pseudobyzantinischem Inneren aus 1925 aufwartet.

      Als Seebad war Grado schon in römischer Zeit beliebt. Nach den Jahren des Patriarchats und bevor gegen Ende des 19. Jahrhunderts der moderne Tourismus einsetzte, war Grado vor allem Fischerdorf, ziemlich abgeschieden vom Rest der Welt, ohne Brunnen, mit Trinkwasser aus Tümpeln, aus welchen die Malaria kroch, mit einem eigenen Dialekt, den manche sogar für eine eigenständige Sprache halten. Die Abgeschiedenheit und Selbstständigkeit verhinderten, dass die alten Traditionen vom modernen Tourismusgetriebe verschüttet wurden. Das alte Fischerlied von der „Madonnina del Mare“ lebt beispielweise fort und ist ein unvergessliches Erlebnis, wenn es der Männerchor nach den Heiligen Messen in der Basilika anstimmt und alle mitsingen.

      Auch die Tradition der Lagunenfischerei lebt fort und verzeichnet sogar wieder einen Aufschwung. Es gibt angeblich noch rund 200 Fischer mit rund 100 Booten. Die Casoni, die Fischerhütten in der Lagune, sind allerdings seit wenigen Jahrzehnten nicht mehr bewohnt, allenfalls Ziel für Ausflugsfahrten von Touristen. Die Einführung von „Schonzeiten“ bewirkte, dass sich der Fisch- und „Meeresfrüchte“-Bestand nach der Beinahe-Ausrottung wieder erholte. Die Zucht in Aquakulturen verbreitet sich ebenfalls. Die Mitglieder vieler Fischerfamilien arbeiten heute auch in den Tourismusbetrieben – wenn gerade Saison ist. In der Hochsaison sind in den winkeligen Gassen Lokale aller Kategorien zu finden, gut besucht von Touristen, die überlegen, ob sie teuren Fisch oder billige Calamari oder gar Pasta oder Pizza bestellen sollen. Ortskundige wählen „Boreto“, den speziellen Gradeser Fisch-Eintopf, eine Variation des besser bekannten „Brodetto“.

      chapter4Image7.jpeg Casoni in der Lagune von Marano (1987)

      Nach Jahrhunderten der Stille tauchte Grado während der napoleonischen Kriege wieder in der Geschichte auf. Franzosen und Engländer lieferten sich vor der Küste Gefechte und beim Beschuss des Städtchens gingen wertvolle historische Dokumente verloren. Nach der Teilung des Friaul 1866 verblieb Grado als westlichstes adriatisches Küstenstädtchen bei Österreich. Der Florentiner Arzt Dr. Giuseppe Barellai wurde 1873 von Görzer Ärzten nach Grado eingeladen und er spielte in der Folge bei der Entdeckung der Heilwirkungen der Luft, des Sandes und des Meerwassers eine wichtige Rolle. Von da an ging es steil bergauf: 1883 entstand in Grado eine Kuranstalt und 1892 wurde es durch ein Dekret Kaiser Franz Josephs offiziell Kurort.

      Aber für größere Touristenströme fehlte noch etwas: Trinkwasser. Gegen Ende des Jahrhunderts setzte jemand seine Idee durch, auf dem Lido nach Wasser zu bohren, aber ohne sofortigen Erfolg – zum Gespött der Skeptiker. „…Da entschloss man sich zu einem letzten verzweifelten Versuch und mitten in der Nacht – vom 3. zum 4. April im Jahre des Heils 1900 – schoss plötzlich mit Brausen und Gepolter, Schlamm, Sand und Schotter schleudernd, ein mächtiger Wasserstrahl aus der ungeheuren Tiefe von 217 m.“ (Aus einem Reiseführer von 1907).

      Ein Jugendstil-Plakat mit dem Titel „Seebad Grado – Österreichisches Küstenland“ des Wiener Sezessionsmalers Josef Maria Auchentaller trug 1906 wesentlich zur Wahrnehmung von Grado als mondänes Seebad der Monarchie bei. Damals gab es erst einige wenige Unterkünfte, darunter die heute wieder renovierten Ville Bianchi oder das Hotel der Brüder Fonzari. Schräg gegenüber, direkt am Ufer, errichtete Auchentallers Frau Emma auf den Ruinen eines napoleonischen Forts ihre Pension „Fortino“. Das Gebäude täuschte vom Meer her die Silhouette eines Schiffes vor. Daher wählte Egyd Gstättner für seinen biografischen Roman, in dem er erzählt, warum Josef Maria Auchentaller nicht so berühmt wie Gustav Klimt wurde, den Titel „Das Geisterschiff“. An der betreffenden Stelle steht heute eine Wohnanlage, die nur entfernt an das „Geisterschiff“ erinnern kann, weil die Engländer ihre Radaranlage, die sie im Zweiten Weltkrieg hier installiert hatten, vor ihrem Abzug sprengten.

      Schon rund dreißig Jahre vorher mussten die Auchentallers und mit ihnen die Österreicher von Grado miterleben, wie ihr Badeparadies verloren ging. Im Mai 1915 landete auf der kleinen Laguneninsel Porto Buso die italienische Kriegsmarine. Zwei Jahre später wurde Grado „rückerobert“ und im November 1917 statteten Kaiser Karl und Kaiserin Zita Grado noch einen Besuch ab. Im Friedensvertrag von Saint Germain wurde Grado 1919 – ebenso wie das gesamte östliche Friaul und Triest – Italien zugesprochen. Die Jahrhunderte währende Hegemonie der Habsburger war zu Ende.

      Von Grado nach Triest

      Von Grado ostwärts überqueren wir bald auf einer Brücke einen Meeresarm, den man nicht mit dem Fluss Isonzo verwechseln darf – der kommt erst später. Die Landschaft ist hier wenig spektakulär, war aber Schauplatz für unheimliche, geradezu unfassbare Geschichten, die viel vom Leid und wenig vom Glück der Bewohner erzählen. Auf welchem der europäischen Schlachtfelder wurde so oft und erbittert gekämpft wie hier? Römer gegen Illyrer, Hunnen, Goten und Langobarden gegen Aquileia, Patriarchen von Aquileia gegen Grafen von Görz, Venezianer und später Italiener gegen Österreicher, Deutsche gegen Partisanen, mit Millionen von Opfern, an welche lautstarke Patrioten- und Heldendenkmäler neben leisen Gedenkstätten erinnern. Jeder dieser brutalen Kämpfe – einer zu viel!

      Kurz vor Monfalcone stoßen wir auf die lange Brücke über den Isonzo, den „Schicksalsfluss“, der mitten durch die ehemaligen Schlachtfelder aus dem Norden, wo er slowenisch Soča heißt, herunter fließt, hier sanft seiner Mündung ins Meer entgegen, durch ein Naturschutzgebiet mit über

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