Iska - Die Flucht. Jürgen Ruhr

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Iska - Die Flucht - Jürgen Ruhr страница 6

Автор:
Серия:
Издательство:
Iska - Die Flucht - Jürgen Ruhr

Скачать книгу

Leben betrachtete Iska jetzt die stolzen Reiter mit ihren prächtigen Waffen und den in der Mitte des Halbkreises mit hocherhobenem Kopf auf seinem Pferd sitzenden einzelnen Römer. Seine Kleidung erschien dem Mädchen noch prächtiger und wertvoller als die der anderen. Der Mann war nicht so schlank und drahtig wie die Soldaten hinter ihm, sondern verfügte über eine enorme Leibesfülle. In dem schwammigen Gesicht saßen viel zu kleine Augen, die er jetzt halb zusammenkniff. Mit grimmigem Blick beobachtete er seine Umgebung. Jeder der Soldaten trug einen metallenen Brustpanzer, Helm, ein Schwert und einen Dolch am Gürtel. Unruhig scharrten die Pferde mit den Hufen. Es waren prächtige, große Tiere, wohlgenährt und voller Kraft. So etwas hatte Iska noch nicht gesehen und fasziniert schaute sie von einem Soldaten zum anderen. Thoralf, der Dorfälteste lehrte sie hin und wieder ein wenig zählen und rechnen, es war eines ihrer Geheimnisse, und im Stillen zählte Iska nun die Reiter. Dabei benutzte sie ihre Finger, wie Thoralf es ihr gezeigt hatte. Fünf waren an jeder Hand und Iska stellte fest, dass sie vier Hände haben müsste, wenn jeweils ein Finger für einen Soldaten stehen sollte. Den Anführer vorne noch nicht einmal mitgezählt.

      Im Dorf herrschte Stille, keiner der Dorfbewohner sagte etwas. Lediglich das Schnauben und Scharren der römischen Pferde war zu vernehmen.

      Jetzt trat der Dorfälteste vor den Mann, der von seinem Pferd auf den alten Dorfbewohner herabsah. Thoralf sagte etwas in der fremden Sprache der Römer und ein Grinsen erschien auf dem Gesicht des Reiters. Iska verfügte trotz ihrer sechzehn Jahre schon über genug Menschenkenntnis, um zu erkennen, dass es kein fröhliches Lächeln war, was der Mann jetzt zeigte. Es erschien ihr ausgesprochen bösartig. In ihrer Magengrube machte sich ein flaues Gefühl breit. Dass diese Römer nichts Gutes im Schilde führten, war offensichtlich.

      Der Römer antwortete dem Dorfältesten. Dabei sprach er laut und mit barscher Stimme. Nachdem seine kurze Rede endete, machte er eine herrische Handbewegung hin zu Thoralf. Der Dorfälteste drehte sich um und wandte sich an die Dorfbewohner. Langsam und deutlich, so dass jedermann ihn gut verstehen konnte, sprach er zu ihnen: „Leute des Dorfes. Ich soll euch übersetzen, was der römische Herr sagt, da ich die Sprache der Römer leidlich verstehe und auch sprechen kann. Die Reiter sind vor der eigentlichen Zeit, da wir ihnen Tribut zu zollen haben, in unser Dorf gekommen und ich fragte nach dem Grund.“

      Thoralf wandte sich wieder an den Anführer der Soldaten. Der sprach jetzt etwas leiser zu dem Dorfältesten, aber dafür um so eindringlicher. Iska spitzte die Ohren, konnte den fremden Worten aber keinen Sinn abgewinnen.

      Thoralf drehte sich erneut um: „Dieser Römer ist der neue Präfekt der römischen Stadt Novaesium, die nicht allzu weit entfernt von unserem kleinen Dorf in der Nähe des Flusses Rhenus liegt.“ Er hielt kurz inne, wie um sich zu erinnern. „Sein Name ist Gaius Quintus Vulturius.“ Thoralf wollte sich gerade wieder zu dem Römer wenden, als dieser sprach. Wieder übersetzte der Dorfälteste: „Der gnädige Kaiser Hadrianus hat seinen treuen Diener Gaius Quintus Vulturius in einer weisen und weitsichtigen Entscheidung als praefectus castrorum in unser Land geschickt.“ Thoralf machte eine kurze Pause und lauschte erneut den Worten des Präfekten. „Gaius Quintus Vulturius erwartet von den auf römischem Gebiet siedelnden Germanenstämmen ...“

      Iska stupste ihren Bruder an. Flüsternd fragte sie ihn: „Siedelnde Germanenstämme?“

      „Leise, Iska. Damit meint er uns. Unseren Stamm, unser Volk!“

      „... und Verbundenheit. Der Schutz, den die Römer gewähren, kommt allen Menschen hier gleich zuteil. Aber die von euch geleisteten Abgaben waren bisher zu gering. Die römischen Schutztruppen wollen versorgt sein. Daher verfüge ich, Gaius Quintus Vulturius, dass eure Abgaben ab sofort um die Hälfte der bisherigen Zahlungen erhöht werden.“

      Ein Raunen ging durch die Dorfbewohner. Einzelne missmutige Rufe wurden laut. „Thoralf, erkläre dem Römer, dass wir selbst kaum noch etwas für uns haben. Wir können keine zusätzlichen Abgaben leisten!“

      Iska erkannte in dem Sprecher ihren Vater. Zustimmendes Gemurmel erhob sich. Der Dorfälteste wandte sich dem Römer zu und übersetzte. Iska sah, wie sich das Gesicht des Präfekten vor Zorn verzerrte. Er warf dem Dorfältesten ein paar Worte hin und forderte ihn mit einer Handbewegung auf, zu übersetzen. Schon sprach Thoralf wieder zu den Dorfbewohnern: „Die Höhe der Abgaben steht unumstößlich fest. Wir müssen Rom unseren Tribut zollen. Wenn wir das nicht können, so sagt der Präfekt, dann sind wir nicht des Schutzes der Römer wert und dürfen nicht länger auf römischem Boden siedeln.“

      Iskas Vater löste sich aus der Gruppe der Dorfbewohner und trat vor Thoralf hin: „Thoralf, dies war und ist unser Boden, Land der Ubier! Schon unsere Vorfahren haben hier gelebt. Viele viele Generationen. Lange bevor die Römer überhaupt unser Land überfielen. Wir können und wollen keine höheren Abgaben leisten. Selbst wenn wir dem Römer unsere letzten Vorräte und Tiere geben würden, beschützt er uns dann vor dem Winter? Kaum einer von uns könnte überleben. Uns fehlen das Korn und das Vieh. Wir müssten elendig verhungern. Schon jetzt wird es für uns schwer genug den kommenden Winter zu überstehen. Hat nicht der bisherige Präfekt enorm hohe Tributzahlungen gefordert? Und ist nicht letzten Winter, vor unseren Augen, die weise Gefion verhungert und niemand konnte ihr helfen? Und das, obwohl wir alle an Nahrung sparten und selber kaum überlebten?“

      „Gerwolf, du hast weise gesprochen,“ Der Dorfälteste schaute Iskas Vater fest an, „aber das ist kein Argument bei den Verhandlungen mit dem Präfekten. Sieh dir den Mann an, seht euch alle den Römer an,“ Thoralf breitete die Arme aus, „sieht dieser Römer aus, als würde er Nachsicht üben?“ Während Thoralf noch zu den Dorfbewohnern sprach, stiegen fünf der Soldaten auf einen Wink ihres Anführers von den Pferden. Wie zufällig lagen ihre Hände über den Griffen der Schwerter. Wieder sprach der Präfekt und wieder musste der Dorfälteste übersetzen: „Rom fordert seinen Tribut. Jetzt. Seid ihr nicht bereit dem Caesar des römischen Reiches und damit auch eurem Herrn das Seinige zu geben, so sehe ich mich gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen! Ich verlange von euch auf der Stelle die Zahlung von fünftausend Denarii.“

      Als Thoralf dies übersetzte, ging ein ungläubiges Raunen durch die Menge. Iska vernahm Wortfetzen, aus denen sie die immer gleiche Frage heraushörte: ‚Wie viel ist das, fünftausend Denarii?‘ Gerade wollte sie die gleiche Frage Wiborg stellen, als Thoralf rasch zu dem Präfekten sprach: „Herr, ich glaube, Ihr seid nicht richtig informiert über unser armes Dorf. Wir verfügen über kein Gold oder Silber oder gar römische Münzen. Bisher haben wir unseren Tribut in Weizen und Tieren gezahlt und euer Vorgänger war stets zufrieden mit unseren Zahlungen. Wie sollten wir armen Bauern zu Münzen kommen, kann doch kaum einer von uns lesen oder schreiben, noch Eure Sprache sprechen? Ich bitte euch, seht von solch unerfüllbaren Forderungen ab!“

      Der Präfekt wurde während der Rede des Dorfältesten immer ungehaltener. Mit hochrotem Kopf rief er seinen Soldaten einige Anweisungen zu. Weitere fünf Männer sprangen von ihren Pferden. Wie auf ein geheimes Kommando zogen alle Soldaten gleichzeitig ihre Schwerter. Diejenigen, die noch auf ihren Pferden saßen, lenkten diese jetzt um die Dorfbewohner herum, so dass sie alle von einem lockeren Ring berittener Soldaten umgeben waren. Der Anführer erhob wieder das Wort und seine Stimme klang jetzt schrill und bösartig.

      Thoralf übersetzte erneut: „Ihr verweigert Rom das, was Rom zusteht! Meine Soldaten werden jetzt die Hütten und Ställe durchsuchen. Schenkt mir Glauben, wenn ich euch sage, dass Rom auch von euch den zustehenden Tribut erhalten wird!“ Noch während der Dorfälteste die Worte übersetzte, gab der Präfekt seinen Leuten ein Zeichen. Die zehn Soldaten, die zuvor von ihren Pferden gestiegen waren, schwärmten in die Hütten. Keiner der Dorfbewohner wagte es, sich zu rühren. Alsbald kehrten die Männer zu ihrem Anführer zurück. Es war offensichtlich, dass ihm die Soldaten berichten mussten, weder Geld noch Gold oder Edelmetalle gefunden zu haben. Der Präfekt ließ sein Pferd vor Wut vor- und zurücktänzeln, dann wechselte er einige Worte mit einem der Soldaten. Wieder verteilten sich die Männer. Diesmal

Скачать книгу