ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR. Eberhard Weidner

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ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR - Eberhard Weidner

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Außerdem waren all meine Ersparnisse weg, und den Kredit musste ich auch zurückbezahlen. Ich war nicht das einzige Opfer, Hunderten war es ähnlich ergangen. Alle waren um ihr Geld betrogen worden und saßen nicht nur in unbewohnbaren Rohbauten, sondern auch auf einem Berg von Schulden. Rechtlich war nichts zu machen, denn der vermeintliche Geschäftsführer der Bauträgerfirma war nur ein Strohmann, der von den miesen Machenschaften des wahren Eigentümers nichts gewusst hatte und selbst um seinen Lohn betrogen worden war. Er hatte kein Geld und litt darüber hinaus an einer unheilbaren Krankheit, die ihn an den Rollstuhl fesselte. Ihn zu verklagen, wäre sinnlos gewesen.«

      Leukämie!, dachte Max und grinste selbstzufrieden über seinen eigenen Einfallsreichtum, wenn es darum ging, die Geldströme von den Konten anderer Leute elegant in die eigene Tasche umzuleiten.

      »Mein Geld war natürlich mitsamt dem Betrüger spurlos verschwunden«, fuhr Anna mit tonloser Stimme fort. »Die monatliche Belastung durch die Kredittilgung und die ständig wachsenden Zinsbeträge wurde irgendwann zu viel. Ich musste mein Geschäft verkaufen, um wenigstens einen Teil meiner Schulden ausgleichen zu können. Anschließend stand ich beruflich vor dem Nichts.«

      »Schlimme Sache«, heuchelte Max Mitgefühl, das ihm wesensfremd war, während er über die Dummheit dieser Frau hinter vorgehaltener Hand heimlich grinste.

      »Am Ende sah ich keinen anderen Ausweg mehr«, fuhr Anna fort. »Von meinem letzten Bargeld kaufte ich im Baumarkt einen robusten Strick und erhängte mich im Badezimmer!«

      Ihre letzten Worte wischten das Grinsen aus Max’ Gesicht. Irritiert schreckte er hoch. Moment mal, was erzählt die Alte bloß für einen Mist? Da sie hier neben ihm hockte, konnte die Sache mit dem Erhängen ja nicht geklappt haben! Konnte diese Versagerin eigentlich gar nichts richtig machen?

      »Ganz im Gegenteil, Max. Diesmal hab ich alles richtig gemacht«, widersprach Anna, beugte sich nach vorn, bis ihr Gesicht wieder ins Licht geriet, und starrte ihn aus ihren tief in den Höhlen liegenden Augen anklagend an. »Fast eine ganze Woche hing ich an dem verdammten Seil, bis ich endlich gefunden wurde. Es war der Gerichtsvollzieher, der gekommen war, um mich aus meiner Wohnung zu werfen, weil ich die Miete nicht mehr bezahlen konnte. Und das alles nur wegen dir und deiner verfluchten Skrupellosigkeit. Du hast mich auf dem Gewissen, Max Ackermann!«

      Erschrocken wich Max zurück, so weit es ihm der Barhocker gestattete. Die Alte war ja komplett wahnsinnig! Es war gut möglich, dass er sie vor einigen Jahren tatsächlich um ihr Geld gebracht hatte. Es waren damals so viele gewesen, dass er sich nicht mehr an jeden Einzelnen erinnern konnte. Aber er hatte doch nur ihr Geld genommen und nicht ihr … ihr Leben.

      »Mein Tod geht auch auf dein Konto, Max Ackermann!«, ertönte in diesem Moment eine neue Stimme unmittelbar hinter ihm.

      Max wirbelte auf dem Hocker um die eigene Achse und sah sich nach dem Sprecher um.

      Die übrigen Gäste in der Bar hatten ihre Plätze verlassen. Während seiner Unterhaltung mit Anna waren sie lautlos und unbemerkt aus ihren Nischen geschlüpft und näher herangekommen. In einem engen Halbkreis standen sie nun vor ihm im trüben Lichtschein und präsentierten sich in all ihrer Schönheit. Und einer sah schlimmer aus als der andere.

      »Bei mir lief die Sache nahezu identisch ab«, sagte ein Mann. »Ich hab mich allerdings nicht aufgehängt, sondern mir eine Kugel in den Kopf gejagt. Das ging schneller.« Er bohrte seinen Zeigefinger in das schwarz verkrustete Einschussloch in seiner rechten Schläfe, bis die vorderen beiden Fingerglieder komplett darin verschwunden waren.

      »Mich hast du auch über den Tisch gezogen, Max Ackermann«, meldete sich ein weiterer Mann zu Wort, dessen verzerrte Gesichtszüge Max sogar vage vertraut vorkamen. »Du hast mir meine Firma gestohlen! Am Ende blieb mir nichts anderes übrig, als meine ganze Familie mit in den Tod zu nehmen, um ihnen ein Leben in Armut und Schande zu ersparen.«

      Die Frau an seiner Seite nickte heftig. Man konnte noch immer sehen, dass sie einmal sehr schön gewesen sein musste. Doch jetzt sah ihr Schädel aus, als wäre er von einem brutalen Axthieb in zwei ungleichmäßige Hälften gespalten worden. Auch die Körper und Köpfe der beiden kleinen Kinder, die in ihren mit Comicfiguren bedruckten Schlafanzügen vor dem Paar standen und Max aus großen leblosen Augen finster anstierten, sahen schrecklich deformiert und verunstaltet aus.

      »Du hast meine gesamten Ersparnisse gestohlen, die ich dir für Anlagezwecke anvertraut hatte!«, rief eine Frau aus dem Hintergrund. Sie hob ihre Arme und präsentierte ihm ihre blutleeren aufgeschlitzten Handgelenke, als wären es grauenerregende Trophäen.

      »Meine auch, du Betrüger!«

      »Ackermann, du hast uns ruiniert!«

      »Gemeiner Dieb!«

      »Wir haben alles verloren!«

      Nachdem so ziemlich jeder der Anwesenden mit Ausnahme des Barmanns seinem Unmut lautstark Luft gemacht hatte, kehrte zunächst wieder Ruhe ein. Sogar die Hintergrundmusik war mittlerweile verstummt.

      Max war während der anklagenden Worte unwillkürlich auf der Sitzfläche des Hockers immer weiter nach hinten gerutscht, bis er mit dem Rücken gegen die Bar stieß und nicht mehr weiter zurückweichen konnte.

      »Was auch immer du jedem Einzelnen von uns angetan hast, Max Ackermann«, meldete sich da wieder Anna zu Wort, »heute ist endlich der lang ersehnte Zahltag gekommen. Denn heute Nacht wirst du für deine Untaten bezahlen – mit deinem Leben, mit deinem Blut und mit deinem Fleisch!«

      Max wandte rasch den Kopf, obwohl er am liebsten alle Anwesenden gleichzeitig im Auge behalten hätte. Die Frau, die sich ihm mit dem Namen Anna vorgestellt hatte, stand nun unmittelbar neben ihm im düsteren Licht. Er konnte die schwarzen Wundmale an ihrem Hals erkennen, wo sich der Strick tief in ihr nachgiebiges Fleisch gegraben hatte.

      Max räusperte sich und setzte zum Sprechen an. Er wollte die Menge mit den beruhigenden Worten des geborenen Verführers, der er war und ihm bisher so viel Erfolg beschert hatte, zur Vernunft bringen. Zur Not würde er ihnen sogar versprechen, das Geld mit Zins und Zinseszins zurückzuerstatten.

      Doch die gierige Meute vor ihm kannte nun kein Halten mehr. Als wären Annas Worte der Startschuss gewesen, stürzten sich alle gleichzeitig schreiend und heulend auf den Mann in ihrer Mitte, den sie zuvor bereits mit Worten zu der Strafe verurteilt hatten, die sie nun eigenhändig vollstrecken wollten.

      Max schrie gellend, als zahlreiche eisig kalte Klauen gleichzeitig nach ihm griffen und an seinen Armen und Beinen zerrten. Zähne gruben sich an mehreren Stellen durch seine Kleidung und tief in sein Fleisch. Ein besonders gieriges Maul schloss sich um sein rechtes Ohr und riss es ihm mit einem einzigen extrem schmerzhaften Ruck vom Kopf. Etwas Spitzes bohrte sich in sein rechtes Auge und hebelte den Augapfel aus seiner Höhle. Dann wühlten sich gekrümmte Klauenfinger in seinen Hals und rissen ihm den Kehlkopf heraus.

      Max Ackermanns qualvoller Schrei endete wie abgeschnitten. Im Hintergrund setzte wieder leise Barmusik ein, als der Barmann den CD-Spieler anmachte, und begleitete das Reißen nachgebenden Fleisches und das Krachen berstender Knochen. Nach einer Weile wurden diese Geräusche jedoch leiser und durch lautes Schlürfen und genießerisches Schmatzen ersetzt. Gelegentlich rülpste sogar jemand laut.

      Nachdem die erbarmungslose, rachsüchtige Meute ihr grausiges Mahl vollendet hatte, wandte sie sich stumm von den Überresten ab und verschwand wie eine Prozession von Geistern einer nach dem anderen geräuschlos durch eine im Schatten liegende Tür im hinteren Teil der Bar.

      Der schweigsame Barkeeper nahm einen Lappen und einen Eimer mit Wasser

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