ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR. Eberhard Weidner

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ZAHLTAG IN DER MORTUARY BAR - Eberhard Weidner

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Designerkleidung, eine teure Armbanduhr, ein Schlüsselbund, eine dicke Brieftasche und ein paar zerbrochene, ausgelutschte Knochenstücke ein, ehe er hinter den Tresen zurückkehrte und begann, die Gläser abzuräumen.

      Während er die Gläser spülte, öffnete sich die hintere Tür ein weiteres Mal und entließ einen Schwung merkwürdiger, schweigsamer Gestalten. Die neuen Gäste kamen ebenso wortlos und diszipliniert, wie die alten zuvor das Feld geräumt hatten, in die Bar und verteilten sich anschließend an der Theke und auf die Sitznischen.

      Trotz der leisen Hintergrundmusik hörte der Barmann schon bald darauf, wie draußen ein Wagen in die Gasse fuhr und neben dem Porsche des kürzlich verstorbenen Multimillionärs Max Ackermann anhielt, dann verstummte der Motor. Der Barkeeper wartete noch eine halbe Minute, ehe er auf einen unter dem Tresen verborgenen Knopf drückte, wodurch die Neonbeleuchtung über dem Eingang – mit Ausnahme des ausgefallenen o in Mortuary – wieder zu leuchtendem Leben erweckt wurde.

      Kurz darauf hörte man, wie eine Autotür zuschlug und zaghafte Schritte die steinernen Stufen vor der Tür herunterkamen.

      Die unheimlichen Gestalten in den Schatten und der Barkeeper warteten stumm und reglos auf den nächsten Gast, der in dieser besonderen Nacht hierher bestellt worden war und gleich durch die Tür in die Bar kommen würde.

      Da sollte noch mal einer behaupten, das Geschäft in dieser Gegend liefe schlecht. Genau das Gegenteil war der Fall. Schließlich war heute Zahltag in der Mortuary Bar!

      PETERS GEHEIMNIS

      Kevin ließ seinen aufmerksamen Blick über den Teil des Friedhofs gleiten, den er von seinem Versteck aus einsehen konnte, entdeckte seinen Freund aber nirgends. Wo steckte Peter bloß? Vorsichtig ließ Kevin die Äste der Büsche, die er mit den Händen geteilt hatte, an ihren Platz zurückgleiten, lehnte sich dann mit dem Rücken gegen die Friedhofsmauer und dachte nach, was er tun sollte.

      Natürlich konnte er nicht einfach über den Friedhof spazieren, um nach Peter zu suchen, denn viele Besucher – in seinen Augen größtenteils uralte Leute, die bald für immer hier wohnen würden – mochten es nicht, wenn Kinder an diesem Ort der Trauer spielten, herumtobten und Lärm machten. Und der Friedhofsarbeiter, den sie wegen seines merkwürdigen Aussehens und seines humpelnden Gangs Quasimodo getauft hatten, jagte sie mit seinem Gehstock, sobald er sie entdeckte. Peter hatte ihm erzählt, der Mann würde alle Kinder, die er erwischte, in kleine Särge stecken, die er in seinem Häuschen neben dem Friedhof selbst anfertigte, und heimlich vergraben. Nachts könnte man manchmal ihre gedämpften Schreie hören, sofern man überhaupt den Mut hatte, zu dieser Zeit über den Friedhof zu gehen.

      Kevin hatte es bei der Geschichte ziemlich gegruselt, obwohl er nicht sagen konnte, ob er wirklich daran glaubte. Peter erzählte ständig solche Geschichten. Aber wenn sie wirklich stimmte, hätte man Quasimodo doch längst ins Gefängnis gesteckt, oder? Andererseits sah der Mann ganz so aus, als wäre er zu derartigen Dingen in der Lage. Kevin erschauerte bei dem Gedanken unwillkürlich und sah sich furchtsam um, ob Quasimodo sich nicht heimlich angeschlichen hatte und in diesem Moment seine krummen Finger, an denen in der Regel noch die Erde eines frisch ausgehobenen Grabes klebte, nach ihm ausstreckte. Zu seiner Erleichterung war jedoch niemand in der Nähe.

      Kevin verstand ohnehin nicht, warum die Erwachsenen nicht wollten, dass sie hier waren. Sie machten schließlich nichts kaputt. Und außerdem konnte man hier prima spielen. Besser als auf dem Spielplatz, wo einen die größeren Jungs ärgerten, der Sandkasten voller Hundescheiße war und die meisten Spielgeräte seit Langem kaputt waren. Hier wuchsen entlang der Mauer, die den ganzen Friedhof umgab, so viele Büsche und Bäume, dass es mindestens zwanzig, wenn nicht sogar hundert gute Verstecke gab.

      Kevin hatte nur ganz selten richtig Angst, wenn er hier war. Nur manchmal, wenn sie in ihrem Lieblingsversteck saßen, während es schon dunkel wurde, und Peter eine seiner Gruselgeschichten erzählte, dann hatte er schon ein bisschen Angst. Aber eigentlich nur ganz wenig, nicht mal halb so viel wie beim Zahnarzt.

      Natürlich, unser Lieblingsversteck!, dachte Kevin und lächelte. Warum bin ich Hirni nicht gleich darauf gekommen? Er klatschte sich mit der Handfläche gegen die Stirn, stieß sich von der Mauer ab und spähte durch eine Lücke in den Büschen nach draußen. Im Moment war niemand zu sehen, weder ein Besucher noch der fiese Quasimodo, der Kinder jagte, um sie nachts heimlich zu verscharren.

      Kevin schlüpfte vorsichtig aus dem Versteck und rannte dann geduckt über das Gräberfeld, so wie sie es in den Soldatenfilmen machten, wenn sich die Kompanie an feindliche Linien anschlich. Sein Ziel war die gegenüberliegende Seite des Friedhofs, wo sich ihr bestes und liebstes Versteck befand. Zwei Bäume waren dort schief gegeneinander gewachsen und bildeten so ein natürliches Dach, unter dem die beiden Freunde bequem Platz und bei schlechtem Wetter sogar Schutz vor den Elementen fanden. Außerdem wurde die Stelle durch mehrere Büsche vor den Blicken anderer Leute abgeschirmt und bot so den idealen Unterschlupf.

      Kevin stoppte auf halber Strecke hinter einem schwarzen polierten Grabstein aus Granit und spähte daran vorbei. Ein gutes Stück entfernt kauerte eine dunkel gekleidete, schon ziemlich alte Frau vor einem Grab und goss die Pflanzen aus einer grünen Plastikgießkanne. Kevin glaubte nicht, dass sie ihn hören konnte, denn dazu war sie viel zu weit weg. Außerdem war sie höchstwahrscheinlich schon genauso schwerhörig wie Oma Gertrud.

      Er rannte weiter und kam in den neueren Teil des Friedhofs. Er spurtete an einem frischen Grab vorbei, das mit welkenden, intensiv riechenden Blumen und zahlreichen Kränzen übersät war und noch keinen Grabstein, sondern nur ein schlichtes hellbraunes Holzkreuz besaß, auf dem lediglich der Vorname der Person stand, die hier begraben lag. Auf einer Schleife, die im leichten Wind flatterte, konnte er im Vorbeilaufen die Worte »Unser geliebter Sohn« lesen, dann war er aber schon vorbei und sauste zu den Büschen. Er teilte sie gekonnt mit den Armen, ohne mit der Kleidung irgendwo hängen zu bleiben oder sich wehzutun, und schob sich dann hindurch, als würde er im Sommer mit einem Hechtsprung ins Schwimmbecken des Freibads eintauchen.

      »Na, endlich lässt du dich auch mal blicken«, begrüßte ihn Peter. »Wo warst du denn so lange?«

      Kevin ließ sich vor seinem besten Freund auf die Knie fallen und atmete schwer. Peter lag auf der Seite, hatte den Kopf lässig in eine Hand gestützt und schaute betont cool auf seine Lego-Armbanduhr, um die Kevin ihn insgeheim beneidete.

      »Ich musste erst noch Schularbeiten machen«, antwortete Kevin, als er wieder einigermaßen zu Atem gekommen war. »Und dann war ich erst im falschen Versteck, bevor mir einfiel, dass du vermutlich hier bist.«

      »Schularbeiten?«, fragte Peter und verzog dabei angewidert das Gesicht, als wäre von etwas furchtbar Ekligem die Rede, beispielsweise von Eukalyptusbonbons, die Kevin immer lutschen musste, wenn er erkältet war, oder Spinat, den er mehr als alles andere verabscheute.

      »Ja, Schularbeiten!«, wiederholte Kevin und streckte seinem Freund die Zunge heraus. »Und wieso warst du heute eigentlich nicht in der Schule? Bist du etwa krank?«

      Peter zuckte mit den Schultern. »Nö! Ich hatte keine Lust. Wieso, hat jemand nach mir gefragt?«

      Kevin überlegte, zuckte dann mit den Schultern und schüttelte gleichzeitig den Kopf. »Nö.«

      »Siehst du. Die trotteligen Lehrer bemerken es noch nicht mal, wenn ich nicht da bin.«

      »Und wo warst du dann?«

      Peter sah sich um, als befürchtete er, jemand könnte ihr Gespräch belauschen. Aber sie waren noch immer unter sich. »Ich war an einem geheimen

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