Wind über der Prärie. Regan Holdridge

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wind über der Prärie - Regan Holdridge страница 41

Автор:
Серия:
Издательство:
Wind über der Prärie - Regan Holdridge

Скачать книгу

saß auf einem Stuhl neben dem Tisch. Sie beobachtete den jungen Indianer, der ihr von Zeit zu Zeit einen prüfenden Blick zuwarf. Seine Miene hatte sich ein wenig entspannt, die Schmerzen schienen allmählich erträglicher zu werden. Es war Julie unmöglich, ihren Blick von ihm abzuwenden. Einerseits war sie fasziniert von seinem fremdartigen Aussehen, andererseits spürte sie eine tiefe Furcht vor ihm. Sein schwarzes Haar hing lang, bis fast auf seine Hüften hinab und jetzt über den Rand des Tisches. Behutsam streckte Julie den Arm aus, um es zu berühren. Es fühlte sich fest und dick an, fast ein wenig wie der Schweif eines Pferdes. Die großen, dunklen Augen beobachteten sie genau, doch schienen sie nicht zu wissen, was sie davon halten sollten. Schnell, über ihr eigenes Verhalten entsetzt, zog Julie ihren Arm zurück und sprang auf.

      „Ich glaube, es ist Zeit, dass er versucht, aufzusitzen.“ Sie wartete nicht ab, bis Torbjörn ihr zu Hilfe kam, sondern griff nach dem muskulösen Arm und zog daran. Der junge Indianer verstand. Langsam richtete er sich auf, seine Hand griff nach seinem Oberschenkel. Kein Zucken, keine Veränderung seiner Miene verriet, ob er Schmerzen verspürte oder nicht. Er schwang die Beine vom Tisch und belastete das unverletzte rechte.

      Zweifelnd runzelte Torbjörn die Stirn. „Glaubst du wirklich, dass er reiten kann?“

      „Er wird müssen“, erwiderte Julie leise. „Du wirst ja kaum heute Nacht ein Auge auf ihn werfen wollen!“

      „Auf keinen Fall!“, rief Torbjörn prompt und beobachtete, wie der junge Indianer zur Tür humpelte, noch immer von Julie gestützt.

      Einen Augenblick zögerte er, als ihm der kalte, prasselnde Regen entgegenschlug, doch dann erblickte er die beiden Pferde an dem Strauch, neben Julies Fuchs, direkt am Haus. Zwei Schritte genügten, um sie zu erreichen. Sie ließ ihn los und trat zurück. Sie musste noch immer damit rechnen, dass er Rache nahm und das ausführte, weshalb sie vermutlich hergekommen waren – nämlich, die kleine Farm zu plündern und die Stromsons zu ermorden.

      Nur mit Hilfe seiner muskulösen Arme zog er sich auf den Rücken des Braunschecken, dann griff er nach den Zügeln des anderen Pferdes. Er warf einen letzten, abschätzenden Blick zurück auf die drei Weißen, die im Eingang des Hauses standen und ihn beobachteten. Er schien ihnen noch immer nicht zu trauen, denn er trieb sein Reittier sofort in Galopp und preschte mit ihm davon, den sanften Anstieg hinauf und war im nächsten Moment hinter den Bäumen verschwunden.

      „Grund gütiger!“, entfuhr es Geertje und sie atmete auf. „Was für ein Tag!“

      „Einer der Soldaten aus dem Fort hat mir erzählt“, sagte Torbjörn, die Augen zusammenkneifend, „dass die Bemalung des Gesichts bedeutet, dass sie sich auf dem Kriegspfad befinden.“

      „Auf dem Kriegspfad?“, wiederholte Julie, während ihr ein kalter Schauer über den Rücken lief. „Um Himmels Willen! Ich muss sofort zurück zur Siedlung! Vielleicht haben sie dort auch zugeschlagen und es waren deshalb bloß zwei von ihnen hier, bei euch!“

      Geistesgegenwärtig war Torbjörn ins Haus zurückgeeilt, um Julies Instrumententasche zu holen. Julies Hände zitterten, als sie diese am Sattel festknotete. Der Regen fiel noch immer in großen Tropfen auf sie herab; sie nahm es kaum wahr. Während sie einem dieser Indianer, von dem sie weder einen Namen, noch sonst etwas wusste, die Kugel entfernt hatte, war der Rest vielleicht in die Siedlung eingedrungen! Bilder, die ihr Entsetzen und ihre Panik nur noch verstärkten, erschienen vor Julies Augen. Sie konnte sich noch genau an den Brand der beiden Häuser erinnern, die durch die Pfeile der Indianer entstanden waren und sie hörte noch immer die Schüsse aus den Colts und Gewehren der Verfolger. Nie würde sie das vergessen können, niemals.

      Sie winkte den Stromsons zum Abschied, ehe sie den Fuchs antrieb, der dankbar in einen runden, ausgreifenden Galopp fiel. Er stand seit über drei Stunden nun schon in der Kälte und dem Regen und er wollte nach Hause, in seinen warmen, gemütlichen Stall und zu seinem Futter.

      Julie merkte kaum, wie die mittlerweile vertraute Landschaft an ihr vorbeiflog. Sicher trug der Wallach sie über Steine und Geröll, Büsche und Kaninchenlöcher hinweg ohne zu straucheln. Sie ließ ihm die Zügel lang und er suchte sich seinen Weg alleine. Er kannte ihn und sein innerer Instinkt lenkte ihn besser, als je ein Mensch dazu fähig gewesen wäre.

      Hinter der nächsten Biegung des kaum sichtbaren Pfades lag die Siedlung und Julie atmete erleichtert auf, als sie alle Häuser unversehrt vor sich auftauchen sah. Sie zügelte den Fuchs und ließ ihn im langsamen Trab die Hauptstraße hinablaufen. Er schnaubte laut und keuchend und bockte ein wenig. Er schien trotz des langen, schnellen Rittes noch nicht erschöpft zu sein. Vor der Praxis von Doktor Retzner hatte sich ein Menschenauflauf gebildet und Julie kniff verwundert die Augen zusammen. Es schien ihr, als seien alle Bewohner hier zusammengekommen, sogar die Frauen und einige Kinder. Hinter den Menschen erblickte sie einige Pferde und Soldaten und in dieser Sekunde wusste sie, dass etwas geschehen sein musste.

      „Juliane!“ Der Aufschrei ihrer Mutter brachte Bewegung in die Gruppe und aufgeregte Rufe und erleichtertes Geschrei schlugen ihr entgegen.

      „Julie!“ Hardy war als erster bei ihr, zog sie aus dem Sattel, schüttelte sie. „Sind Sie in Ordnung? Ist Ihnen auch nichts passiert?“

      Verständnislos blinzelte Julie ihn an. „Nein! Was soll mir denn passiert sein?“

      Jetzt erreichten auch ihr Vater, Hugh und Nikolaus sie. Ihr kleiner Bruder umarmte sie stürmisch und presste sein Gesicht gegen ihren Bauch.

      „Gott sei Dank!“ Friedrichs große, rauhe Hand fuhr ihr durch das zerzauste Haar. „Dir ist nichts geschehen!“

      „Was ist denn los mit euch?“ Kopfschüttelnd blickte Julie in die Runde. Sie gab sich ahnungslos. „Ich bin doch nur zu den Stromsons hinausgeritten!“

      „Die Cherokees!“, stieß Friedrich aufgeregt hervor. „Sie befinden sich auf dem Kriegspfad! Sie haben einen Siedlertreck kurz vor dem Fort überfallen und alle umgebracht, alle! Männer, Frauen und Kinder und die Tiere haben sie mitgenommen!“

      „Was bin ich froh, dass dir nichts geschehen ist!“ Tränen glänzten in Luises Augen und sie streichelte kurz die Wange ihrer Tochter, eine Geste, die Julie überhaupt nicht von ihr kannte. Sie blickte in die Runde. Auch Hugh lächelte erleichtert und Nikolaus wollte sie überhaupt nicht mehr loslassen, ebensowenig wie Hardy, dessen Arm noch immer beschützend um ihre Schulter lag. Verwirrt fasste Julie sich an die Schläfen. Siedlertreck...Kriegspfad...Tote... Sie schloss die Augen. Die Erschöpfung und Aufregung der letzten Stunden war auf einmal zu viel. Sie konnte sich nicht einmal jemandem mitteilen, zumindest nicht sofort. Dabei war sie so stolz auf sich selbst auf sich und ihre Fähigkeiten!

      „Sie sind ja ganz blass“, stellte Hardy auf einmal fest und dann hob er sie auch schon auf seine Arme, ehe sie überhaupt protestieren konnte. „Das muss der Schock sein! Hugh, mach’ mir die Türe auf! Ich bringe sie erstmal in die Praxis!“

      Julie verspürte einen eigenartigen Schwindel und dann merkte sie nur noch, wie Doktor Retzner sie fort trug, zwischen den anderen Bewohnern ihrer Stadt hindurch und wie das Stimmengewirr über ihr zusammenschlug.

      Als Julie wieder zu sich kam, war es draußen bereits finstere Nacht. Sie blinzelte, denn das schwache Licht der Petroleumlampe blendete sie im ersten Moment. Als nächstes fiel ihr Blick auf Hardy, der sich lächelnd über sie beugte und danach auf Hugh, der nur einen Schritt daneben stand.

      „Na?“, fragte der Österreicher auf Deutsch und in seinem typischen, breiten Akzent. „Sind wir wieder zurückgekehrt?“

      „Was...ist denn?“, fragte Julie, noch immer benommen. „Sind

Скачать книгу