Wind über der Prärie. Regan Holdridge

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Wind über der Prärie - Regan Holdridge

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du möchtest ihn laufen lassen?“

      „Zuerst muss ich die Kugel herausholen und sein Bein verbinden!“

      „Ihn auch noch verarzten?“, brüllte Torbjörn. Er schlug mit dem Lauf seiner Winchester nach ihr. „Nicht hier, nicht auf meinem Grund und Boden!“

      „Wo denn sonst?“ Ärgerlich schüttelte Julie den Kopf. „Mit in die Stadt nehmen kann ich ihn schlecht. Ich glaube kaum, dass ich ihn dorthin bekomme.“

      „Sie hat recht!“ Unbemerkt war Geerjte herausgekommen, um nachzusehen, ob alles in Ordnung war. Keiner von beiden hatte sie kommen bemerkt. „Du kannst diesen jungen Kerl nicht einfach erschießen!“ Ihre blauen Augen ruhten vorwurfsvoll auf ihrem Ehemann. „Das wärst nicht du! Das wäre nicht mehr der Torbjörn, den ich liebe und den ich geheiratet habe!“

      Er schluckte. Sein Stolz verbot es ihm, Nachsicht walten zu lassen und sein Zorn war noch immer ungebrochen. Mit einer schnellen, fahrigen Bewegung strich er durch das hellblonde Haar.

      „Sie werden zurückkommen!“, stieß er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Und dann...“

      „Wenn du ihn erschießt, werden sie das ganz bestimmt“, erwiderte Geertje mit einer Schärfe, die ihr kaum zuzutrauen war. „Aber wenn du ihm hilfst, wird er es vielleicht weitererzählen und sie werden uns verschonen!“

      Es kostete Torbjörn einige Überwindung, doch die Worte seiner Frau schmerzten ihn. Er erkannte sich ja selbst kaum wieder! Endlich nickte er. „Also gut. Bringen wir ihn ins Haus.“

      Zufrieden nahm Geertje ihm das Gewehr ab, damit er Julie helfen konnte, den jungen Indianer hineinzutragen. Kaum jedoch, dass Torbjörn ihn fassen wollte, versuchte dieser aufzuspringen. Hasserfüllt starrten seine dunklen Augen sie an. Sein verwundetes Bein konnte kein Gewicht tragen, es gab unter ihm nach und er sackte zusammen, doch irgendwie gelang es ihm, sich noch zu fangen und er landete nur auf den Knien.

      „Wir...wir wollen dir helfen“, sagte Julie. Die großen Augen starrten sie misstrauisch an. Er verstand ganz offensichtlich nichts von dem, was sie sagte. „Helfen!“, sagte sie erneut und deutete auf seine Wunde. Als er nicht reagierte, beugte sie sich hinab und berührte sacht die Stelle, wo die Patrone in das Fleisch gedrungen war. Er zuckte vor Schmerz zurück und Julie wunderte sich über ihren eigenen Mut. Seine unergründlichen Augen fixierten sie noch immer, doch sie glaubte, ein Verstehen darin zu erkennen.

      „Komm“, sagte sie und gab Torbjörn einen auffordernden Wink. „Geertje, bitte, bring das Gewehr irgendwohin, wo er es nicht sehen kann!“

      Diesmal erlaubte der junge Indianer ihnen, ihn zu stützen und ihn zum Haus zu schleifen. Julie legte ihren Arm um seine kräftigen Schultern und wunderte sich, dass er es mit solch stoischer Ruhe geschehen ließ. Wie eigenartig und fremd musste das alles für ihn wirken, erst recht, nachdem er nichts von ihrem Gespräch zu verstehen schien. Sie hatten ihm noch nicht einmal das Messer weggenommen und halfen ihm stattdessen ins Haus! War es schiere Leichtfertigkeit oder waren sie einfach nur vollkommen dumm und naiv? Julie beobachtete ihn genau. Schweiftropfen bildeten sich auf seiner Stirn und sie fragte sich, ob sie von den Schmerzen verursacht wurden oder ob ihm ebenfalls so ungeheuerlich zumute war wie ihnen.

      „Legt ihn auf den Tisch“, ordnete Geertje an, die vorausgeeilt war und das Gewehr hinter den Ofen stellte. „Ich koche Wasser auf!“

      „Und ich werde die beiden Pferde einfangen und seinen Kumpanen darauf festbinden, damit er ihn später mitnehmen kann“, erklärte Torbjörn mit einem letzten, kritischen Blick auf den jungen Indianer, ehe er sich abwandte und hinauseilte. Er traute dem Kerl nicht, genauso wenig wie dieser ihnen traute.

      „Was wirst du jetzt tun?“, fragte Geertje. Die Aufregung und Furcht war ihr anzumerken.

      „Ich muss versuchen, die Kugel zu entfernen und die Blutung zu stillen“, entgegnete Julie, während sie bereits mit einem Messer das lederne Hosenbein aufschnitt, um sich die Wunde ansehen zu können. „Reiß irgendein sauberes Leintuch in Streifen“, bat sie, ohne aufzusehen. Der junge Mann musste große Schmerzen haben, denn er ballte seine Hände zu Fäusten und hörte nicht auf, mit den Zähnen zu knirschen. Julie arbeitete flink und geschickt. Sie hatte nur ein einziges Mal dabei zugesehen, wie Doktor Retzner einem jungen Cowboy eine Kugel entfernt hatte und das war in St. Louis gewesen. Sie konnte sich jedoch an alles exakt erinnern, was er ihr damals erklärt hatte. Sie wusste, welches Risiko sie einging. Ein falscher Schnitt und das Leben dieses jungen Indianers wäre vorüber, aber sie hatte keine andere Wahl. Mit der Kugel im Bein stand es ebenso schlecht um ihn. Sie bemühte sich, die Messerschneide schnell und gezielt zu setzen, um an die Kugel heranzukommen. Bald waren ihre Finger blutverschmiert, doch sie spürte unter der Haut und dem Fleisch, dass sie diese gleich zu fassen bekommen würde.

      Sie wusste nicht, wie lange sie gebraucht hatte, dann hielt sie die Kugel zwischen den Enden der Pinzette und wunderte sich, welch mächtige Geschoße ein Gewehr abzufeuern vermochte. Hastig schüttete sie etwas Alkohol über die Wunde, ehe sie ein Stück des Leintuchs darauf presste und mit einem weiteren Streifen festband.

      Erst jetzt richtete sie ihre Augen wieder auf das Gesicht des jungen Indianers. Seine Augen starrten regungslos zur Decke, die Lippen zu einem schmalen Streifen zusammengebissen. Nicht ein Laut, nicht eine Klage war während der ganzen Prozedur aus seiner Kehle gekommen. Julie hatte nicht bemerkt, dass Geertje die ganze Zeit über neben ihm gestanden und ihm mit einem feuchten Lappen den Schweiß vom Gesicht gewischt hatte. Dabei waren auch die beiden weißen Streifen auf jeder Wange abgewaschen worden und jetzt wirkte er nicht mehr ganz so furchterregend. Fasziniert betrachtete Julie sein kantiges Gesicht. Es war von eigentümlich bräunlicher Farbe, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. Er schien ihren Blick zu bemerken, denn seine dunklen Augen suchten die ihren. Im Schein des Feuers, das im offenen Kamin brannte, leuchteten Julies bernsteinfarbene Augen beinahe golden und sie lächelte – weshalb, sie wusste es nicht. Sie lächelte einfach auf diesen fremden, jungen Wilden hinab, dem sie womöglich soeben das Leben gerettet hatte. Es war ihr unmöglich einzuschätzen, ob er es schaffen konnte oder nicht. Sie war kein Arzt, sie war nur ein törichtes Mädchen, das gelernt hatte, einem studierten Mediziner zu assistieren. Nie wieder, das schwor sie sich, würde sie es wagen, eine Operation auf eigene Faust durchzuführen, ganz gleich unter welchen Umständen.

      „Hier!“ Geertjes leise Stimme riss sie aus den Gedanken. Noch immer starrte der junge Mann sie mit undefinierbarem Ausdruck an. Kein Zucken einer Wimper verriet, was in ihm vorging.

      „Oh!“, machte Julie dankbar und tauchte ihre Hände in die Schüssel kalten Wassers. Das Blut hatte bereits zu trocknen begonnen und war nur schwer wieder abzuwaschen. Sie fühlte sich furchtbar müde und wie erschlagen. Erst jetzt fiel ihr auf, wie dunkel es durch die Regenwolken draußen geworden war.

      „Du liebe Güte!“, entfuhr es ihr, als sie die Bäche von Wasser bemerkte, die vom Himmel stürzten und auf das Dach des Hauses trommelten.

      „Ja“, erwiderte Geertje. „Kein besonders gutes Wetter für deinen langen Heimritt!“

      Julies Blick richtete sich wieder auf den Indianer. „Wir lassen ihn noch ein wenig liegen. Ich bin sicher, er wird entweder darauf aus sein, uns den Garaus zu machen oder zu entkommen. Aber ich würde sagen, er ist zu beidem nicht in der besten Verfassung.“

      „Soll ich ihm etwas zu trinken geben? Vielleicht Kaffee?“, fragte Geertje.

      „Lieber nicht!“ Julie schüttelte den Kopf. „Lieber Wasser, denn ich bezweifle, dass er Kaffee jemals zu sich genommen hat.“

      Bald darauf kam Torbjörn zurück,

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