Schicksalhafter Kompromiss. Christine Feichtinger

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Schicksalhafter Kompromiss - Christine Feichtinger

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wie die Königin, sondern so arm wie eine Kirchenmaus, hätte Patrik gerne erwidert. Sie muss sparen und ist so knausrig. Und dennoch wollte sie jedem zeigen, dass sie eine Bessere wäre und was sie sich alles leisten könne. Beim Kauf dieses Kleides, das sie unbedingt zu dieser Feier haben wollte und es ihr zu teuer war, kniete sie sich vor der Verkäuferin mit bittenden Händen nieder: „Bitte, verkaufen Sie mir das Kleid billiger, ich muss es haben. Ich fahre auf das Land zu meinen Verwandten und muss Eindruck machen und gut aussehen. Ich habe dort reiche Verwandte und werde ihr Geschäft weiterempfehlen“, log sie. Patrik hatte sich so geschämt und wäre am liebsten unsichtbar geworden.

      „Gleich wird sie wieder anfangen, sich mit ihrem Beamtengatten zu prahlen. Wenn sie auch sonst nichts spricht mit uns primitiven Bauern“, hörte Patrik die Verwandten lästern.

      „Nur weil sie einen Beamten mit ihrer vorgetäuschten Schwangerschaft überrumpelt hat und ihr dieser auf den Leim ging, bildet sie sich ein, etwas Besseres zu sein. Wir Bauern sind ihr zu dumm. Dabei ist sie die Ärmste unter uns. Lebenslang geht sie mit demselben Hut, Mantel und Handschuhen und prahlt sich, obwohl sie arm wie eine Kirchenmaus ist und nur auf Miete in zwei Räumen haust. Sie hat nur das, was sie am Körper trägt. Ihre Briefe zu Ostern und Weihnachten schreibt sie aus lauter Sparsamkeit auf Zeitungsrändern und braunen Zuckersackerln. Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz.“

      „Nie würde sie uns helfen. Arbeiten und sich dreckig machen hat die nie mögen, deshalb ist sie auch fortgegangen von hier“, höhnten andere Zuhörer.

      „Was die für Ansprüche stellt. Hoffentlich ist unser Zimmer sauber und stinkt nicht vom Stallgeruch und vom Misthaufen, weil ich dann nicht schlafen kann. Wir möchten keine Läuse und Flöhe heimbringen. Mein Mann ist Beamter, er ist was Besseres gewohnt“, scherzten sie.

      „Wir sollten den grünen Heinrich anrufen“, (in die Psychiatrie bringen lassen) lachte ein anderer.

      „Ihr Erbteil, welches wir von unseren Feldern und dreckigen, stinkenden Ställen erarbeitet haben, hat sie schon von uns genommen. Das war ihr nicht zu schmutzig“, ätzte eine andere Verwandte.

      Ein besonderes Erlebnis hörte Patrik jedes Mal, wenn er ins Dorf kam. Als Großmutter einmal nach langer Zeit ins Dorf kam und einen Rechen sah, fragte sie: „Was ist das für ein Ding?“ Sie stieg auf den Rechen, der schnellte hoch und schlug ihr auf den Kopf. Sie fürchtete, eine Beule am Kopf zu haben, weinte und schrie: „Oh du dummer Rechenstiel.“

      Jedes Mal, wenn Großmutter im Dorf auftauchte, lachten die Leute im Dorf und erzählten diese Geschichte ihren Kindern und Enkelkindern.

      „Diese neunmalgescheite Stadtdame ist grad so falsch und ein abgebrühtes Luder wie ihre Mutter es war. Ihre Mutter ist auch immer unter dem Vorwand, sie müsse ihre kaputte Nähmaschine in Ungarn reparieren lassen, nach Ungarn gegangen, wo sie einen Liebhaber hatte. Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm. Die Tochter ist genauso mit allen Wassern gewaschen wie ihre Mutter. Keine andere Frau hat es geschafft, ohne Geld nach Amerika hin und zurückzufahren. Ihre Mutter schon. Als ein Besucher aus Amerika ins Dorf kam, hat sie sich an ihn rangeworfen, damit er sie nach Amerika mitnimmt. Er hat sich in sie verliebt, hat sie mitgenommen nach Amerika und hat ihr die Fahrt im Glauben an ein gemeinsames Leben bezahlt. Dort hat sie auch nicht arbeiten mögen und konnte ihm die Fahrtkosten nicht zurückzahlen. Das Heimweh hat sie geplagt. Dann hat sie sich in Amerika einen anderen Heimkehrer angelacht und ist mit ihm kostenlos heimgefahren, denn der hat auch ihre Fahrt bezahlt. Geheiratet hat sie keinen und keinem hat sie jemals die Fahrtkosten ersetzt“, höhnte eine andere Verwandte.

      Von all dem Gespött auf ihre Person bekam Großmutter nichts mit. Als hätte sie ihre Rolle als Beamtengattin genau einstudiert, ging vor jeder Feier das Gezeter um einen geeigneten Sitzplatz los. Wo sollen wir sitzen? Zum einen war ihr nicht jeder Sitznachbar genehm, zum anderen war zu viel Zugluft am Platz, beim Fenster stank es vom Kuhstall her, sodass sie fast keinen geeigneten Sitzplatz finden konnte. Niemals wäre sie an der Seite ihrer Schwester Anna gesessen, mit der sie wegen des Erbteils zerstritten war.

      Jahrelang waren sie sich deswegen ausgewichen und als sie sich nach Jahren einmal bei einem Krankenbesuch eines Verwandten im Spital wieder trafen, erkannten sie sich nicht. Wenn dann ein geeigneter Sitzplatz gefunden war, saß seine Großmutter als Einzige beim Essen mit Hut wie eine Generalin da, um ihre vermeintliche Besserstellung als Beamtengattin und als Städterin darzutun. Wenn sie auch sonst nicht sprach mit den primitiven Leuten, wie sie die Bauern stets bezeichnete, aber dass ihr Mann ein Beamter wäre, erzählte sie jedem bis zum Kleinkind. „Mein Mann ist Beamter, er kann als Einziger unter seinen Kollegen mit der Schreibmaschine mit allen zehn Fingern schreiben, deswegen halten ihn seine Kollegen immer in den Wirtshäusern zehrungsfrei“, prahlte sie stets.

      Listig fragten die Bauern, wo denn Patriks Eltern wären und beobachteten schadenfroh, wie rot und verlegen sie wurde.

      Um das Fehlen von Patriks Eltern zu beschönigen, erklärte sie eindrucksvoll, dass Patriks Vater Schiffskapitän wäre. „Er ist nicht viel zuhause. Leider ist Patriks Mutter auch verreist, sodass heute niemand mitkommen konnte“, log sie, um Eindruck zu schinden.

      Die Verwandten lästerten: „Wer weiß, wo seine Mutter umeinander liantscht (haust) und wer weiß ob sie weiß, wer Patriks Vater ist. Vielleicht ist er bali gegangen (abgehauen).“

      Sogleich begann Großmutter am Tisch vor sich Platz zu schaffen, damit die Speisen vor ihr hingestellt werden konnten. Dann befehligte sie die Aufträgerinnen gebieterisch, die Speisen vor ihr hinzustellen. „Die haben keinen Respekt vor uns. Denen musst du alles sagen“, erzürnte sie sich zu Großvater.

      Kaum war das Essen auf dem Tisch, entrüstete sie sich zu ihrem Mann. „Es sind so viele Fliegen und Gelsen im Raum und auf dem Essen. Im Zimmer waren abends auch so viele, so dass ich nicht schlafen konnte. Das ist unter unserem Niveau.“

      Dann beklagte sie sich, das schmackhafte Essen vor sich: „Mein empfindlicher Magen kann die fetten Speisen, mit Schmalz zubereitet, nicht vertragen. Ich werde wieder Sodbrennen bekommen und vom Zwiebel im Kartoffelsalat Kopfweh bekommen“, obwohl sie aß wie ein Drescher und die Leute sie auslachten. Kurz darauf mokierte sie sich darüber, dass das Geschirr nach Abwaschwasser stinke. „Kein Wunder, sie sind noch so rückständig und waschen das Geschirr mit Waschln aus alten Baumwollunterhosen ab“, erklärte sie wütend. Und als beim Essen gekochte Dörrpflaumen als Kompott gereicht wurden, vertraute sie Patrik bedauernd an, dass diese Dörrpflaumen nicht mit dem silbernen Löffel ins Glas gegeben wurden, so wie sie es bei der Zubereitung des Kompottes immer tat.

      Als geladene Gäste bei Familienfesten aßen und tranken sie mit einer am Hals eingeklemmten Serviette übermäßig viel, so dass es jedem auffiel. Außerdem hatte seine Großmutter ständig ein Nylonsackerl bei sich, worin sie Essen ins Tascherl verschwinden ließ. „Die Wiener fangen wieder zu hamstern an“, schrie einmal ein Betrunkener, der alles beobachtet hatte. Bald lachten die Verwandten: „Habt ihr gesehen, wie viel die am Tisch gegessen haben. Gefressen haben die wie die Drescher, als hätten sie schon acht Tage lang nichts gegessen. Und wieder werden wir wie immer das restliche Essen einpacken müssen und den armen Schluckern mitgeben müssen, obwohl die angesehene Beamtengattin in ihrem Tascherl etliche Speisen und Krapfen schon verschwinden hat lassen.“

      Um Eindruck zu schinden und die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken, prahlte Großmutter laut, dass sie am Opernball in Wien gewesen wären.

      Dann haben sie ein halbes Jahr vorher nur Kartoffel gegessen, um sich das leisten zu können, hörte Patrik jemanden sagen. Sie haben es zu nichts gebracht und sind die ärmsten Leute unter uns. Aber angeben wie die Grafen. „Dass sie ab Monatsmitte nur mehr eingebrannte Linsen essen, weil sie kein Geld mehr haben, sagt sie nicht. Dabei sagt sie, dass sie sich für uns schämen muss. Wir müssen uns für sie schämen.“

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