Veyron Swift und der Schattenkönig. Tobias Fischer
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Читать онлайн книгу Veyron Swift und der Schattenkönig - Tobias Fischer страница 23
Mandy Sikes wirkte sichtlich erleichtert, sie loszuwerden. Die beiden Sicherheitsmänner geleiteten sie zum Lift und erklärten ihnen – ausgesucht höflich auf einmal –, wohin sie fahren müssten. Dann wandten sie sich ab.
Tom betrat hinter Veyron den Lift. Hunter drückte die Taste für den 28. Stock; Danny schaute neugierig umher.
Nachdem sie wieder unter sich waren, wandte sich Tom an seinen Paten. »Sie kannten diese Miss Sikes also? Was hatte sie mit dem Supersonic-Vorfall zu tun?«
»Prinzipiell gar nichts. Ich habe mich nur an ihren Namen und ihre Stimme erinnert. Ich hatte sie am Telefon, als ich damals unsere Sitzplätze gebucht habe – nach dem kleinen Trick, an den du dich vielleicht noch erinnerst.«
»Sie erinnern sich an die Stimme und den Namen einer Frau, mit der sie nur ein einziges Mal zwei Minuten am Telefon gesprochen haben? Nach fast zwei Jahren?«, mischte sich Hunter mit deutlich hörbarem Unglauben ein.
Veyron drehte sich zu ihr um. »Selbstverständlich«, sagte er und schaute sie an, als wäre es das Normalste auf der ganzen Welt.
Danny lachte laut auf. »Klasse! Sie sind echt ’ne Marke!«
Tom grinste und wünschte, Hunter könnte ihr eigenes, vollkommen perplexes Gesicht sehen.
Kurz darauf standen sie vor der Bürotür von Mr. Kevin Uxbridge. Die Vorzimmerdame ließ sie eintreten und meldete ihre Ankunft.
Kevin Uxbridge, ein hagerer Mann mit rotblondem Schopf und großen grünen Augen, hieß sie mit überschwänglicher Freundlichkeit willkommen.
»Endlich, endlich, endlich! Ich habe ja schon viel von Ihren Unternehmungen gehört, Mr. Swift. Von dem Vorfall mit den Vampiren von Surrey zum Beispiel, oder diese Sache mit dem Troll von Notting Hill. Mann, Mann, Mann! Endlich lerne ich Sie einmal persönlich kennen«, rief er begeistert und schüttelte Veyrons Hand kräftig und anhaltend.
Tom musste schmunzeln, als er den leicht verstörten Gesichtsausdruck seines Paten bemerkte. Veyron betrachtete seine Fälle und ihre Lösungen stets mit distanzierter Nüchternheit und machte aus ihnen nie eine große Sache.
»Ihre Begeisterung ehrt mich, Mr. Uxbridge, aber wir sind wegen ernster Angelegenheiten hier. Wir brauchen dringend einen sicheren Weg nach Elderwelt. Ich weiß, dass die Ramer-Stiftung über mehr als einen Durchgang dorthin verfügt«, versuchte Veyron mit erhobener Stimme zur Sache zu kommen.
Uxbridges glühende Begeisterung ließ sich jedoch kaum bremsen. »Aber klar, aber klar, aber klar. Kein Problem. Ich habe bereits mit Mr. Farin Nachrichten ausgetauscht und die Erlaubnis erhalten, Sie rüberzuschicken. Sie wissen ja gar nicht, wie aufregend diese Sache für mich ist. Der König zählt Sie zu seinen engsten Freunden, wissen Sie? Das ist etwas, das nur ganz wenige Menschen dieser Seite des Unsichtbaren Vorhangs von sich behaupten können. Seit zehn Jahren hat Seine Majestät diesen Teil der Welt nicht mehr besucht und lässt auch niemanden hinüber. Leider. Dass man Ihnen diese Erlaubnis gewährt, dürfen Sie als ausgesprochene Ehre ansehen«, plapperte der Mann drauflos.
Veyron stand, wie Tom mutmaßte, kurz davor, die Augen zu verdrehen, aber er beließ es bei einem geschäftsmäßigen Lächeln.
Uxbridge erklärte seiner Vorzimmerdame, dass er die Gäste nach ›unten‹ bringen würde, und dann verließen sie geschlossen das Büro. Hunter wollte schon den Weg zurück zum Aufzug einschlagen, als sie Uxbridge an der Schulter fasste und in eine andere Richtung drehte. »Nein, nein, nein. Nicht diese Aufzüge. Die gehen nur hinunter in die Lobby und die Tiefgarage. Wir müssen noch ein paar Stockwerke tiefer, wissen Sie? Wir nehmen die gesperrten Lifte. Das ist alles so aufregend! Ich habe erst vor ein paar Minuten den Schlüssel dafür von Mr. Farin erhalten. Normalerweise werden diese Lifte nie benutzt, wissen Sie?«, erklärte er und führte sie den Korridor hinunter. Dabei kamen sie an zahlreichen Bürotüren vorbei, die nicht beschildert waren. Dieser Teil des Wolkenkratzers stand offensichtlich leer.
»Ich verstehe immer noch nicht, wie wir hinüber nach Elderwelt gelangen sollen«, sagte Hunter halblaut.
Uxbridge in seiner grenzenlosen Euphorie setzte zu einer Erklärung an, doch Tom unterbrach ihn sofort. »Nein, sagen Sie es ihr nicht!«
»Nur zu, Uxbridge«, widersprach Veyron, »erklären Sie es ihr. Miss Hunter genießt unser volles Vertrauen. Sie darf ruhig in das Geheimnis eingeweiht werden.«
Tom hielt diese Auffassung seines Paten für sehr leichtfertig.
Uxbridge zwinkerte seine leichte Verwirrung fort. »Ja, warum auch nicht? Also, vor vielen Jahrtausenden gab es einen Orden mächtiger Zauberer, die Illauri. Sie haben eine Trennwand zwischen unserer Welt und Elderwelt geschaffen, um die mystischen Länder und ihre ebenso mystischen Bewohner vor der Zerstörungswut der Menschen zu beschützen. Eigentlich ist es keine richtige Trennwand, sondern eine Art Verschiebung des … Ach, das ist viel zu kompliziert, das versteht sowieso niemand, der nicht mindestens Quantenphysik studiert hat. Und selbst da kommen die hellsten Köpfe der Erde auf keine endgültig schlüssige Theorie, das können Sie mir glauben. Die Könige Talassairs setzen schon seit achtzig Jahren die besten Wissenschaftler darauf an, doch niemand konnte es bisher erklären. Auf jeden Fall müssen Sie sich das so vorstellen, dass nichts diesen Vorhang durchbrechen kann. Elderwelt ist hier, mitten unter uns, und doch können wir es nicht sehen, kein Satellit kann es aufspüren. Dieser Vorhang ist undurchdringlich, selbst für Licht, Schall und sogar Strahlung. Einfach alles wird darum herumgeleitet. Die Illauri wollten jedoch die Möglichkeit eines gegenseitigen Besuchs aufrecht halten. Darum haben sie überall auf der Erde Durchgänge errichtet, getarnt als Torbögen aus Fels, oder Bäume, die wie Torbögen miteinander verwachsen sind. Ein paar Durchgänge hat die Ramer-Stiftung über die Jahre identifizieren können und nutzt sie seither für den Technologietransfer zwischen hier und Talassair. Wir haben sogar einen Durchgang hier, mitten im Haus – nun ja, nicht direkt mitten im Haus, viel eher unter dem Haus«, erklärte Uxbridge und lachte plötzlich hell auf.
Tom kannte diese Erklärungen inzwischen zur Genüge, darum hörte er gar nicht richtig hin. Gelangweilt schaute er sich die vielen Bürotüren an und versuchte zu begreifen, warum hier eigentlich niemand arbeitete. Gerade wollte er Uxbridge danach fragen, als ihm an der nächsten Korridorkreuzung eine Bewegung auffiel. Ein Schatten, der zur Seite huschte – er sah ihn nur für den Bruchteil einer Sekunde. Tom blieb stehen und schaute genauer hin, doch der Korridor war leer. Wohl nur eine Einbildung, vielleicht auch nur ihr eigener Schatten, von der Deckenbeleuchtung in eine andere Richtung geworfen. Er zuckte mit der Schulter und ging weiter. Ein paar Schritte weiter überlief ihn Gänsehaut. Seit er die Bewegung wahrgenommen hatte, schien es immer kühler zu werden. Mit einem Mal hatte er das unangenehme Gefühl, als würde ihn jemand beobachten. Er fuhr herum, und da sah er ihn, hoch aufragend, fast bis zur Decke des Korridors, schwarz gekleidet wie der leibhaftige Tod: der Schattenkönig. Seine fahlen Augen leuchteten unter der Kapuze hervor, und ein Teil seines Kinns war zu sehen, die dunkelgraue Haut erschien Tom wie uraltes, vertrocknetes Leder, über die Knochen gespannt.
»Veyron! Er ist hier!«, schrie Tom und fasste sich an den Gürtel. Das Daring-Schwert war nach ihrem Sturz in den Paddington-Branch verschwunden, doch Tom spürte die unsichtbare Präsenz an seiner Hüfte. Er brauchte nur zuzugreifen, und es wäre es wieder da.
Alle fuhren herum, doch da war der Schattenkönig auch schon wieder verschwunden, eingetaucht in den Schatten der gegenüberliegenden