Karibien. Xaver Engelhard

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Karibien - Xaver Engelhard

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style="font-size:15px;">      Waldo, an dem die hellbraune Windjacke und die Cordhose lose herab hingen, die aus dem Fundus des Krankenhauses stammten, hob die Arme und ließ sie wie gebrochene Flügel wieder fallen. Er trug eine grüne Kappe, auf deren Vorderseite Zoloft stand.

      „Wenn du wüsstest, was die einem hier zu essen geben, wärst du nicht so überrascht. Und dann noch die widerlichen Tischmanieren mancher Mitinsassen!” Er winkte traurig ab.

      „Das klingt, als bräuchtest du ein anständiges Frühstück“, rief Rodney betont fröhlich. Waldo nickte müde.

      Sie kletterten in Rodneys Lieferwagen: Rodney, Waldo und Finch saßen vorne; und Schmiss ließ sich auf dem mit einer alten Wolldecke gepolsterten Reserverad nieder, das hinten auf der Ladefläche lag.

      „Was haben die denn mit dir so lang da drin gemacht?”, fragte er von hinten.

      „Das Gleiche wie sonst: Sie haben mich justiert.” Waldo machte sich nicht die Mühe, sich umzudrehen.

      „Dich justiert? Wie ‘nen Vergaser oder so was?”

      „Genau! Welche Pillen, welche Dosierung und so!”

      „Damit du die armen Touristen nicht mehr erschreckst?” Finch, der kein Auto hatte und auch nur selten in einem mitfuhr, blickte mit kindlicher Freude aus dem Seitenfenster.

      „Der Arzt da drinnen meinte, ich erinner’ ihn an einen dieser Japsen, die sich dreißig Jahre lang auf irgendwelchen Pazifikinseln im Dschungel versteckt gehalten haben, ohne mitzukriegen, dass der Krieg längst vorbei ist.”

      „Hat Humor, der Mann!”

      „Eins steht fest: Ich lass’ mich von den Typen nicht noch einmal vollspritzen. Eher blas’ ich mir selbst was ins Hirn.” Waldo betrachtete seine blassen Hände, als wären sie ihm fremd. „Ich erkenn’ mich gar nicht wieder.“

      „Wir dich auch nicht!“, verriet Rodney grinsend. „Du hast noch nicht ein einziges Mal geflucht.”

      „Wenn diese Spritzen die einzige Möglichkeit sind, diesen scheiß Krieg loszuwerden, behalt’ ich ihn lieber. Es ist alles so gedämpft. Kennt ihr das: Du gibst das Kommando Arm nach oben!, und dann vergehen erst einmal fünf Sekunden, bevor was passiert? Genauso ist es im Moment. Und es ist alles weit, weit weg.”

      „Nichts, wogegen unser House of Pancakes nicht ein geeignetes Mittel hätte!“, rief Rodney und stellte den Dodge auf dem Parkplatz von Wilbournes einzigem Restaurant ab.

      „Als wenn dein Kopf mit Watte vollgestopft wäre! Als wenn ich Handschuhe anhätte!“, murmelte Waldo. „So kann man nicht Schachspielen!”

      „Das ist jetzt auch gar nicht nötig. Für ‘s Erste reicht es, wenn du eine belgische Waffel vertilgst.” Finch, den die Arthritis plagte, ließ sich vorsichtig von der Sitzbank auf den Asphalt des Parkplatzes gleiten. Das dünne weiße Haar, das unter der Kapitänsmütze hervorschaute, flatterte im Wind.

      „Ich könnte ‘ne 16jährige Muschi essen und würde nichts dabei spüren.”

      „Hey, habt ihr das gehört?”, rief Rodney. „Ein schweinischer Gedanke! Es scheint so, als würden die Pfannkuchen bereits ihre Wirkung tun. Muss der Geruch sein oder die Aura oder so was!”

      „Ich seh’ schon, hinterher müssen wir ihn noch zum Macmanimous karren, damit er sich dort eine von den Damen krallt.” Finch streckte sich andeutungsweise.

      „Ich hab’ euch doch schon oft gesagt, von denen kann keine mit meinen Schwedinnen mithalten. Die stecken dich nicht mit irgendwelchen Krankheiten an, und die rauben dir nicht mit ihrem zynischen Mundwerk deine Illusionen.”

      „Ich hab’ bisher weder die einen noch die anderen ausprobiert, aber mir scheint, dass deine Video-Bekanntschaften aus etwas zu viel Illusion und die Damen des Macmanimous aus etwas zu viel Realität bestehen.”

      „Du hast sie noch nicht probiert?!“, höhnte Waldo. „Für was warst du denn Seemann?”

      „Ich bin immer noch Seemann, und als solcher weiß ich, dass die aufgegebenen Wracks des Macmanimous einen niemals die süßen Mädels der Karibik vergessen lassen würden. Eher im Gegenteil!“ Finch schüttelte sich, damit die Knochen seines Skeletts die eine weitgehend schmerzfreie Position einnahmen, die ihnen noch blieb.

      „Du warst in Karibien?” Schmiss, der aus dem Laderaum klettern wollte, hielt erstaunt inne. „Stimmt es, dass es dort Affen gibt und Löwen und diese ganzen seltsamen Früchte?”

      „Seltsame Früchte trifft es ganz gut“, brummte Finch und warf Rodney und Waldo einen kurzen Blick zu. Sie warteten, bis Schmiss die Tür des Lieferwagens geschlossen hatte, und machten sich auf den Weg zu dem Klinkergebäude, über das tiefe, graue Wolken geblasen wurden.

      „Hast du viele von ihnen gegessen?”

      „So viele wie möglich!” Finch erreichte als erster den Eingang und hielt den anderen die Glastür auf.

      „Mann, da würd’ ich auch gern mal hinfahren.” Schmiss rammte Rodney einen Ellbogen in die Seite. „Muss gar keine Kreuzfahrt sein.”

      „Spar dir das Geld!” Finch war vor einer Tafel stehen geblieben, die im Windfang stand. „Das Angebot der Woche sind Belgische Waffeln mit Mangos. Exotischer wird ‘s auch in der Karibik nicht.”

      „Ja, aber trotzdem ...” Schmiss wirkte nicht überzeugt und kratzte sich am Kopf, während sie zu viert die Tafel und das darauf mit einem kleinen Magneten befestigte Foto einer mit Sahne und Früchten überladenen Waffel studierten. „Die Affen und Löwen! Die würd’ ich trotzdem gern sehen. Und die Papageien! Ich hab’ gehört, die fliegen da einfach so rum. Und die Mädels ...”

      „… die kommen dort ohne Regenzeug aus, das schon“, bestätigte Finch. „Aber ich hab’ die sieben Weltmeere befahren, und ich kann dir sagen, nichts ist so schön wie die Heimat!“

      „Mag sein!“ Rodney verzog das Gesicht. „Allerdings wird es unsere Heimat in ungefähr einem Jahr nicht mehr geben!“

      „Vielleicht wird es dann doch Zeit, endlich den Anker zu lichten.“ Finch kräuselte grimmig die Stirn und hielt den anderen auch noch die innere Tür des Windfangs auf.

      Es hatte Sylvie große Überwindung gekostet, aber schließlich hatte sie sich doch von einer Locke getrennt und diese dem Brief der angeblichen Entführer beigelegt. Ihr Haar hatte zwar nicht mehr die Farbe, die es bei der Abreise ihres Vaters gehabt hatte – diese änderte sich ungefähr alle vier Wochen -, aber Sylvie war zuversichtlich, dass er es trotzdem als das ihre erkennen würde. Sie wühlte zwischen ihren Kleidungsstücken herum; und es dauerte eine Dreiviertelstunde, bis sie entschieden hatte, an welchem Pullover ihr am wenigsten lag. Mit diesem wischte sie über den Boden des Trailers, damit er dreckig und verwahrlost wirkte. Sie zerschnitt ihn ein wenig mit einer Schere, streifte ihn über, befahl Rodney, sie auf ein altes Bettgestell im Schuppen zu fesseln, sog die Backen ein, damit sie möglichst leidend und hungrig wirkte, und ließ sich mit einer Sofortbildkamera fotografieren. Rodney präsentierte ihr das Ergebnis. Der melodramatische Effekt der Inszenierung rührte sie beinahe zu Tränen.

      „Oh Gott, ich seh’ ja schrecklich aus! Wie ein armes, ausgesetztes Kätzchen! Er wird sofort zahlen. Das erträgt er keine Minute. Er wird alles machen, was ich will.” Sie zerrte an den Paketschnüren,

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