Ausm leben mittenmang. Beate Morgenstern
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Von dir?
Ja, ich war früher genauso. Es war ganz schlimm, haben meine Eltern gesagt.
Aber jetzt bist du doch überhaupt nicht stur.
Ich weiß ja auch nicht. Silvie zuckte mit den Schultern und lachte.
Annette war froh, dass sie sich Silvie zuwenden konnte. Denn nachher, wenn Gernot käme, würde sie wieder verstummen.
Nach einer ganzen Weile tauchten Jana und Gernot auf. Sie trugen die kalten Platten herein. Jana deckte den Tisch. Sie stießen mit Sekt an. Gernot trank nur wenige Schlucke. Er hielt sich an Bier. Auch aß er kaum etwas. Annette war schon klar, er war beleidigt und blieb nur Janas wegen. Annette hatte sich abgeregt. Friedlich sagte sie zu Gernot: Essen Sie doch, essen sie doch! Sonst bleibt Jana auf allem sitzen! Doch Gernot wollte nicht. Vielleicht hatte er zu viel getrunken. So langte Annette zu und nötigte Jana, die natürlich keinen Appetit hatte, und Silvie, die pflichtgemäß Annettes Aufforderungen nachkam. Silvie und Annette legten nun ihren Ehrgeiz darein, an ihrem guten Appetit Jana ihre Freundschaft zu beweisen.
Wir waren alle in einem Betrieb, sagte Jana, nachdem sie eine Weile schweigend gesessen hatten. Da sie nichts weiter zur Unterhaltung beisteuerte, nahm Annette die Erklärung zum Anlass, von den gemeinsamen Zeiten damals zu erzählen, erwähnte bewusst eine Menge Namen, mit denen Gernot natürlich nichts anfangen konnte, um ihn in die Außenseiterposition zu drängen. Silvie wunderte sich, dass sie sich nach Annettes Angaben beinahe täglich gesehen hatten. Annette musste sie scharf ansehen, damit die sich an ihre Abmachungen erinnerte. Als Annette immer stärker auftrug, begann Silvie zu kichern und Jana sagte: Genug jetzt!
Annette rückte immer mehr aus dem Lichtkegel der tief hängenden Lampe. Auch Jana, die helles Licht schlecht ertrug, und Silvie zogen sich zurück. Nur Gernot blieb unter dem Lichtkegel sitzen und versuchte, obwohl das Licht ihn blendete, die Gesichter der Freundinnen wahrzunehmen. Er hätte ausweichen können. Aber dann hätte er Jana nicht gesehen, die ihm gegenüber saß. So war er es jetzt, der den Blicken der anderen preisgegeben war, wurde beobachtet, und Annette hatte noch dazu die Schadenfreude, dass sie ihn mit einer falschen Identität betrog. Jana nahm es gleichmütig hin. Vielleicht oder sicher sogar hatte sie ein Interesse daran, das Annette Gernot gefiel. Und es hatte womöglich ihren Spaß daran, dass Gernot an der Nase herumgeführt wurde. Einmal verriet sich Annette beinahe. Aber die Fährte war zu schwach. Ach, dieses tumbe Wesen, rutschte ihr heraus.
Tumb, tumb, wiederholte Gernot. Das kommt aus dem Mittelhochdeutschen. Ich hab mich für Literatur aus der Zeit interessiert. Wer solche Worte verwendet.
Wahrscheinlich ist es aus der Oberschulzeit hängengeblieben. Die Frauen lächelten in sich hinein. Annette war nach Jahren in der Presse in einen Verlag gegangen, schrieb auch selbst und hatte erfolgreich ein erstes Erzählbändchen veröffentlicht.
Dass er sich für mitteldeutsche Literatur interessiert, dachte Annette. Ein zerrissener, merkwürdiger Mensch, dieser Gernot. Noch im Krieg geboren. Zehn Jahre älter als Jana. Aber doch eine andere Generation, seine Kindheit war eine Nachkriegskindheit gewesen. In der Schule hatte man noch andere Lehrpläne, die noch mehr am humanistischen Bildungsgut orientiert waren. Annette selbst hatte noch Latein gehabt, was nachher ganz aus den Lehrplänen gestrichen wurde.
Manchmal ging Gernot in die Küche, um zu rauchen. Jana sagte, sie hätte es schwer, ihn zum Bleiben zu überreden. Einmal überraschte sie ihn, wie er einen Zettel an sie schrieb. Es war Annettes Schuld. Aber sie fühlte sich nicht schuldig. Und er kam ja immer wieder. Manchmal ohne Jana. Dass er zu viel Bier getrunken hatte, nahmen die Frauen nicht wahr. Nun wurde seine Blicke zuweilen schwer und konnten sich nicht von Annette lösen.
Eine Vergeudung, sagte er und starrte auf Annettes Pullover.
Ihr war sofort klar, was er meinte. Sie reagierte ruhig. Wieso soll man auf solch einer Feier nichts Festliches tragen?
Aber ausgeschnitten. Und niemand sieht es. Niemand kann es würdigen.
Jaja, jetzt können Sie es würdigen.
Und ein wenig Schmuck trägt sie, sagte er. Es störte ihn nicht, dass Jana wieder im Zimmer war. Ein wenig Gold am Finger. Ein Kettchen um den Hals.
Ist mir gar nicht aufgefallen. Ich trag das immer. Übrigens trägt Jana auch immer Schmuck.
Ja, das trägt sie. Ich bemerkte es schon. Gernot wagte kaum, zu Jana zu sehen. Sein Verlangen war zu groß.
Annette schaute auf die Uhr. Wir werden uns jetzt aufmachen, sagte sie.
So früh? Wegen ihm?
Das macht doch nichts.
Aber er muss sowieso halb elf zu Hause sein, begehrte Jana auf. Zehn, halb elf, hat er seiner Frau gesagt. Wollt ihr mich alle drei hier sitzen lassen? Und aufgegessen habt ihr auch nicht.
Annette zögerte, aber Silvie leuchtete ein, was Jana sagte, und setzte sich wieder. Sie hatte keine Lust, den weiten Weg nach Hause schon jetzt anzutreten. Vielleicht würde ja auch noch etwas geschehen, was sie für den bisher so unglücklich verlaufenden Abend entschädigte.
Das helle Licht stört, sagte Gernot. Kannst du nicht Kerzen anzünden?
Ja, natürlich, sagte Jana.
Annette gefiel der Vorschlag nicht. Sie würde in eine Intimität hineingezogen. Aber was sollte sie widersprechen.
Wie sie eine Weile zu viert im Kerzenschein saßen, freundlich und ruhig die drei Frauen, sagte Gernot: Darf ich einen Wunsch äußern?
Äußern schon, sagte Annette scharf und wusste, dass er die Gelegenheit beim Schopf packen würde, welcher Mann würde es nicht tun. Und damit wäre seine Rechnung aufgegangen.
Aber erst müsst ihr mir versprechen, dass ihr einverstanden seid.
Auf keinen Fall, sagte Annette.
Also, was ist?, fragte Jana.
Kann ich mit euch tanzen? Erst mit … Er deutete auf Silvie, dann mit ..., er zeigte auf Annette. Und dann mit Jana.
Nein, sagte Annette.
Ja, sagte Jana.
Ja, sagte Silvie.
Was ist mit Jana los?, dachte Annette. Warum ist sie so weich, so gefügig.
Silvie tanzte mit Gernot. Beide hatten die Schuhe ausgezogen, das war Gernots Bedingung. So hatten sie eine Größe. Sie tanzten eng umschlungen. Silvie anlehnungsbedürftig, gedankenlos. Jana hatte Annette von ihren gemeinsamen Unternehmungen in der Zeit vor ihrer Ehe erzählt, wie sie sich geärgert hatte, dass Silvie so gar keine Bedenken kannte. Silvie hatte wohl einen großen Hunger nach Zärtlichkeit. Dass sie sich nur über ihr Alleinsein hinwegtröstete und nicht zu ständigem Wechsel neigte, zeigte sich, als sie Dieter kennenlernte. Der war, eben geschieden, genauso entschlossen zu heiraten wie Silvie und hatte, wie viele Männer nach der Scheidung, panische Angst vor dem Alleinsein.
Jana schaute unbeteiligt zu. Vielleicht war ihr es recht, dass ihre Freundinnen mit Gernot tanzten. Vielleicht war ihr der ganze Abend ihr ganz genau auf diese Weise recht. Vielleicht wollte sie etwas über Annette erfahren. Fast schien es ihr so. Sie waren