Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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sagen:
»Die Menschen werden sterben, aber sie werden
wiederkehren.« Das Schaf machte sich auf den Weg;
als es aber an fetten Weiden vorbeikam, fing es an,
auf ihnen zu grasen und verweilte sich und vergaß
seine Botschaft.
Die Menschen vermehrten sich mehr und mehr;
aber da sie unsterblich waren, fing es an, ihnen auf
der Erde an Raum zu mangeln.
»Wenn wir unsterblich sind,« sagten sie, »so wer-
den unserer bald zu viele sein.«
Da sandte der große Geist die Ziege und befahl ihr,
den Menschen zu sagen:
»Wenn der Mensch stirbt, wird er tot sein für
immer.«
Eilig legte die Ziege ihren weg zurück, während
das Schaf noch immer graste.
»Wenn der Mensch stirbt, wird er tot sein für
immer,« rief sie den Menschen zu.
Da endlich traf das Schaf ein; – aber seine Botschaft
kam zu spät.
Wäre das Schaf schnell gewesen und vor der Ziege
gekommen, so würde der Mensch vom Tode wiederkehren;
nun aber muß er sterben.
Fußnoten
1 W i e e s k o m m t , d a ß d i e N a s e d e s
H a s e n g e s p a l t e n i s t (Hottentotten);
W a r u m e s g u t i s t , d a ß d i e M e n -
s c h e n s t e r b e n (Sage vom Viktoriasee); S a g e
v o m C h a m ä l e o n (Haussastamm); W a r u m
d e r M e n s c h s t i r b t (Goldküste); W i e d e r
T o d i n d i e W e l t k a m (Zulu) sind alles
Sagen des gleichen Inhaltes in mehr oder minder veränderter
Form. Eine wunderbare Gleichheit der Mythologie
der Bantuvölker in dem weiten afrikanischen
Gebiet ist in diesen Sagen enthalten, in allen liegt der
tiefe Gedanke an die Vergänglichkeit alles Bestehenden.
Der Hase und die Schildkröte.1
Ein Kamerunmärchen.
Ein Hase traf einst eine Schildkröte.
»Ei,« rief er höhnisch aus, »was du für kurze, häßliche
Beine hast!«
Die Schildkröte tat, als habe sie die Worte des
Hasen gar nicht gehört.
»Mit d e n Beinen kannst du gewiß nicht laufen!«
höhnte er weiter.
Noch immer tat die Schildkröte, als hätte sie gar
nicht hingehört. Das ärgerte den Hasen. Gerade wollte
er noch mehr sagen, als plötzlich die verspottete
Schildkröte sprach:
»Weißt du was, Hase, ich möchte gern mit dir
wettlaufen!«
»Wa – – a – a – s? mit mir, mit mir?« spottete der
Hase erstaunt.
»Hm! ja mit dir; warum denn nicht?«
Das ärgerte nun den Hasen, wenn er auch meinte,
es sei nur Scherz von der Schildkröte; aber solche
Scherze mochte er nicht leiden. Als er nun gar merkte,
daß die Schildkröte in vollem Ernste redete, sprach er:
»Nun meinetwegen! Was gilt die Wette?«
»Ich setze alles, was ich habe; du mußt dasselbe
tun.«
»Gut! mir ist's recht.«
Dann ging die Schildkröte gemächlich, wie es ihre
Gewohnheit war, nach Hause. Der Hase und seine
Frau lachten aber hinter ihr her.
Daheim angelangt, sprach die Schildkröte zu ihren
Kindern:
»Ich muß heute noch ausgehen, und ihr sollt mich
begleiten!« Da freuten sich die kleinen Schildkröten
sehr. So ging denn die Alte mit ihnen in den Wald.
Bei der ersten Biegung des Weges sprach sie zu ihrem
kleinsten Kinde:
»Bleibe hier stehen, und wenn morgen der Hase an
an dir vorbeilaufen wird, so ruf' ihm zu: ›Guten Tag,
lieber Hase!‹« Dann ließ sie die Worte von dem
Kinde noch einmal wiederholen und ging mit den anderen
Kleinen weiter.
»Du bleibst h i e r stehen,« sagte sie nach einer
Weile zu dem zweiten Kinde, »und wenn morgen der
Hase an dir vorbei kommt, so rufst du ihm zu: ›Guten
Tag, lieber Hase!‹«
Das Kind versprach zu tun, was die Mutter verlangte,
und diese ging weiter mit den übrigen Kindern.
Wieder nach einer Weile, gab sie denselben Befehl
einem anderen Kinde und so weiter, bis das sechste
Schildkrötchen an einem großen Stein seinen Posten
einnahm; dieser Stein sollte, wie verabredet, das
Ziel des Wettlaufes sein.
»Du rufst: