Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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Hause; denn es war spät, und sie wollte schlafen.
Der Hase tat in der Nacht vor Aufregung kein Auge
zu.
»Wie lächerlich von dir!« sagte seine Frau, »als ob
eine Schildkröte einen Hasen im Wettlauf schlagen
könnte!«
Am anderen Morgen kam ein Freund des Hasen,
der Zeuge sein sollte, und holte ihn ab. Darauf ging's
zur Schildkröte. Diese war bereit, und man begab sich
zu der bezeichneten Stelle im Walde.
»Eins, zwei, drei!« und der Wettlauf ging los.
Nach einer kleinen Weile drehte die Schildkröte auf
einem Seitenwege um und ging heim.
Dort wartete sie auf ihre Kinder.
Der Hase lief, so schnell er konnte und dachte weiter
nichts bei sich, als er plötzlich neben sich hörte:
»Guten Tag, Herr Hase!«
Ei, wie er da eilig weiterrannte!
»Guten Tag, Herr Hase!« klang's da noch einmal,
und wieder: »Guten Tag, Herr Hase.«
Er war außer sich; wütend!
Nun noch ein kleines Stück, und das Ziel war erreicht.
Der Hase keuchte weiter.
»Gewonnen! Hier bin ich!« scholl es da.
Da war es aus mit der Kraft des Hasen; erschöpft
und ohnmächtig fiel er zu Boden.
Die alte Schildkröte aber sah glückselig ihre Kinder
wiederkehren und freute sich ihrer gelungenen
List.
Nach geraumer Zeit kam die Frau des Hasen, klagte
und weinte und bat die Schildkröte zu vergessen
und zu vergeben, wie tief der Hase sie gekränkt habe.
»Er liegt krank daheim,« fügte sie hinzu, »und nun
müssen wir dir den Preis zahlen!«
»Geh nur heim!« sagte die Schildkröte, »ich werde
mir die Sache überlegen. Morgen komme ich zu dir.«
Am anderen Tage ging sie denn auch wirklich zu
ihrem kranken Gegner, sprach ein paar freundliche
Worte zu ihm und nahm nur ganz wenig von dem,
was ihr zukam.
»Eins aber merke dir,« sagte sie ernsthaft, »du
mußt nie wieder spotten über das Aussehen anderer
Leute; so wie wir gemacht sind, müssen wir bleiben,
und es ist gut so.«
Fußnoten
1 Wem fiele beim Lesen dieser Sage unserer schwarzen
Landsleute nicht sofort der bekannte deutsche
Swinegel ein, der den Wettlauf mit dem Hasen eingeht?
Die Ähnlichkeit beider Märchen ist eine so
frappierende, daß man geneigt ist, die Originalität des
einen oder des anderen zu bezweifeln; dennoch sind
beide echt. Die Märchenwelt eines Volkes ist eben
nichts anderes, als das Buch seiner Kinderstubengeschichte,
diese aber wiederholen sich allerorten, wie
auch Spiele und Gewohnheiten von Kindern stets wiederkehren;
der kindliche Geist hat zu jeder Zeit seine
ihm eigene, sich wiederholende Phantasie.
Die Ziege, der Löwe und die Schlange.1
Eine Sage der Basoto, eines Eingeborenenstammes
aus dem Kongogebiet.
Eines Tages spazierten eine Ziege und ein Löwe am
Rande eines tiefen Waldes miteinander. Nicht weit
von dem Dickicht lag ein friedliches Dorf, in dessen
Hütten zufriedene Menschen lebten, und welches von
einem hohen geflochtenen Zaun umgeben war.
»Wo kommst du heute her, lieber Freund?« fragte
die Ziege den Löwen.
»Geradenwegs von einem Festmahl, welches ich
guten Freunden von mir veranstaltet habe. Der Leopard,
die Hyäne, der Wolf, der Schakal, die wilde
Katze, der Büffel, das Zebra waren meine Gäste.
Auch die Giraffe, das Elentier und der Springbock
kamen zu mir.«
»Wie großartig das gewesen sein muß!« seufzte die
Ziege. »Ich bin wirklich recht vereinsamt in dieser
Welt; niemand kümmert sich um mich. Indessen darf
ich nicht klagen; denn im allgemeinen finde ich Gras
und Kraut im Überfluß, auch zumeist ein schattiges
Plätzchen, um zu ruhen, und kenne eigentlich keinen
wahren Kummer, also habe ich alle Ursache zufrieden
zu sein.«
»Du kannst doch unmöglich behaupten wollen,«
fuhr der Löwe auf, »daß du mich nicht beneidest um
meine Kraft und Stärke wie um meine Würde?«
»Ich beneide dich in der Tat nicht«, entgegnete die
Ziege gleichmütig, »denn bisher war mir weder deine
Kraft noch deine Würde bekannt!«
»Wie? du weißt nicht, daß ich der stärkste von