Afrikanische Märchen auf 668 Seiten. T. von Held
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Sie erwiderte:
»Ich bin gekommen, um das Weib eures Häuptlings
zu werden.«
Die Leute blickten sie verwundert an und riefen:
»Wie kann ein Mädchen ohne seine Freunde zur
Hochzeit kommen!«
Dann fuhren sie fort:
»Der Häuptling ist nicht zu Hause. Gehe aber in
seine Hütte und bereite ihm ein Mahl, damit er seinen
Hunger stillen kann, wenn er heimkommt.«
Man gab ihr Kafferkorn und Mais. Sie bereitete
Mehl daraus; aber es war so grob, daß das Brot, welches
sie buk, nicht zu genießen war.
Am Abende hörte sie das Sausen eines mächtigen
Windes. Dies zeigte ihr die Heimkehr des Häuptlings
an. Er war aber eine große Schlange2 mit fünf Köpfen
und blitzenden Augen. Mpunzikazi erschrak sehr, als
sie ihn sah. Die Schlange ringelte sich vor die Tür der
Hütte, und befahl dem Mädchen, Essen zu bringen.
Der Name des Häuptlings war Makanda Mahlanu,
d.i. Fünfköpfiger.
Als das Mädchen die Speise brachte, die es bereitet
hatte, wurde Makanda Mahlanu sehr böse und sprach:
»Du sollst nicht mein Weib sein!« Dann schlug er
sie mit dem Schwanz, und sie starb.
Späterhin sagte die Schwester Mpunzikazis zu
ihrem Vater:
»Ich will auch das Weib eines Häuptlings werden.«
Der Vater entgegnete:
»Es ist billig, meine Tochter, daß du es wünschest.
«
Er berief seine Freunde, und sie alle begleiteten das
Mädchen auf dem Wege zu Makanda Mahlanu. Ihr
Name war Mpunzanyana.
Auf dem Wege trafen sie eine Maus.
Diese sprach: »Soll ich euch den Weg weisen?«
Mpunzanyana erwiderte:
»Bitte, tue es.«
Und die Maus tat es.
Der Weg führte durch ein Tal. Dort sah
Mpunzanyana ein altes Weib bei einem Baume stehen.
Dieses sprach:
»Du wirst zu einem Pfade kommen, der sich in
zwei Wege teilen wird. Wähle den kleineren; denn der
größere würde dir kein Glück bringen.«
Das Mädchen dankte und schritt weiter.
Da kam ein Kaninchen des Weges gelaufen. Das
sprach:
»Ihr seid nahe dem Dorfe des Häuptlings.«
Dann wandte es sich zu Mpunzanyana und sprach:
»Du wirst ein Mädchen sehen, das schöpft Wasser
aus dem Flusse. Sprich freundlich mit ihr. Man wird
dir Kafferkorn und Mais zum Mahlen geben; mache
deine Arbeit gut. Wenn dein Gatte zu dir kommt,
fürchte dich nicht.«
»Danke dir, Kaninchen,« sagte Mpunzanyana, »ich
werde deinem Rate folgen.«
Am Flusse traf sie des Häuptlings Schwester; diese
fragte: »Wohin wanderst du?«
Mpunzanyana sprach:
»Ich bin am Ziele meiner Reise.«
»Warum kommst du hierher?« fragte das Mädchen
weiter.
»Ich komme mit meinem Hochzeitsgeleite.«
Da sagte die Schwester des Häuptlings:
»Das ist recht! Aber wirst du dich nicht erschrekken,
wenn du deinen Gatten siehst.«
»O nein!« sagte Mpunzanyana fröhlich.
Darauf wies ihr das Mädchen die Hütte, in der sie
wohnen sollte. Man gab Speise und Trank an die,
welche mitgekommen waren.
Die Mutter des Häuptlings trat zu Mpunzanyana
und sprach:
»Bereite ein Mahl für deinen Gatten. Er wird bald
hier sein.«
Sie tat, wie ihr geheißen war. Am Abend erhob
sich ein starker Wind, welcher die Hütte erzittern
machte, so daß einige Pfähle, welche sie stützten, niederfielen.
Aber Mpunzanyana fürchtete sich nicht.
Darauf kam Makanda Mahlanu herein und forderte
Speise. Mpunzanyana nahm das Brot, welches sie gebacken
hatte, und gab es ihm. Er aß, und da es ihm
mundete, sprach er:
»Du sollst mein Weib sein.«
Dann gab er ihr vielen Perlenschmuck, und sie
freute sich darüber.
Späterhin glitt Makanda Mahlanu aus der Schlangenhaut
heraus und wurde ein großer, stattlicher
Mann. Mpunzanyana blieb von seinen Frauen diejenige,
welche er stets am meisten liebte.
Fußnoten
1 Bei den Festlichkeiten einer Kaffernhochzeit