Für immer Rosa. Claudia A. Wieland

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Für immer Rosa - Claudia A. Wieland

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dieser Stelle stieg Charlotte Bernard, die weibliche Hauptdarstellerin, in die Strandszene ein. Sie hatte sich bisher in ihrem Trailer aufgehalten, war aber jetzt in Position gegangen und wartete auf ihren Auftritt.

      Rosa hatte die zwanzigjährige Claire in ihrem Roman genau beschrieben: dunkle Haare, zarter porzellanfarbiger Teint, rosige Lippen, dunkle Rehaugen, zierliche Figur. Ihre Idealvorstellung von einer schönen, jungen Frau. Unendlich zerbrechlich in ihrem Erscheinungsbild, aber trotzig und stark in ihrem Charakter. Charlotte entsprach, zumindest äußerlich, dieser Vorstellung. Sie sah aus wie die junge Audrey Tautou in VÉNUS BEAUTÉ.

      Nachdem Hank das Signal gegeben hatte, stapfte Charlotte entschlossen durch den Sand. Sie schaute mit gebeugtem Kopf vor sich hin, so, als denke sie intensiv über etwas nach. Dann sah sie wie zufällig auf, schaute hierhin und dorthin, und plötzlich fokussierte sich ihr Blick auf etwas in der Ferne. Sie erkannte IHN, begann zu strahlen, atmete tief durch, setzte zum Spurt an und…

      »Schnitt!« Hank war offensichtlich mit Charlottes Darbietung zufrieden. Auch diese Aufnahme musste nicht wiederholt werden. Mais oui, sie war nicht schlecht!

      Jetzt kam der Kamerabully ins Spiel. Charlotte lief über den Strand, der Bully immer vor ihr her, die Kamera auf ihre Gestalt gerichtet. Das schnelle Laufen auf dem von der Flut noch nassen Sand fiel ihr sichtlich schwer. Ihre Füße sanken zu tief in den klebrigen Untergrund ein und blieben stecken. Ihr Gesicht verzog sich zu einer schiefen Grimasse und ihr Mund bewegte sich leicht, als schimpfe sie lautlos vor sich hin. Die Aufnahme wurde abgebrochen und alles musste wieder auf Anfang gesetzt werden. Künstlerpech, dachte Rosa.

      Charlotte kehrte mit hochgerecktem Kinn zu ihrem Ausgangspunkt zurück. Die Technik wurde neu ausgerichtet. Dann lief Charlotte wieder los. Dieses Mal stolperte sie und fiel hin. Ihre Assistentin, eine bleichwangige, junge Frau mit schwarzer Kleidung und Piercing in der Unterlippe, machte eine schnelle Bewegung auf Charlotte zu, aber die war schon wieder aufgesprungen und klopfte den Sand aus ihren Kleidern. Sie drehte sich um und stapfte gleichmütig zum Anfangspunkt zurück. Die Technik wurde erneut ausgerichtet. Das alles dauerte natürlich seine Zeit. Rosa trat von einem Bein auf das andere. Mon dieu!

      Die Aufnahme musste noch etliche Male wiederholt werden. Sobald die Kameras ausgeschaltet waren, zeigte sich keine Gefühlsregung auf Charlottes Gesicht. Wenn der Regisseur eine Anweisung gab, kamen aus ihrem Mund nur kurze Bestätigungen wie »Okay!« oder »Hab’ verstanden!«. Rosa fragte sich, ob Charlotte arrogant oder einfach nur gelangweilt war.

      Es folgte die nächste Einstellung.

      Tom und Charlotte fielen sich in die Arme.

      »Schnitt!« Der Regisseur schüttelte den Kopf. »Nochmal!«

      Tom und Charlotte fielen sich wieder in die Arme.

      »Schnitt!« Immer noch war es Hank nicht überzeugend genug. »Mensch, bringt mal ein bisschen mehr Gefühl da rein! Ihr habt euch ewig nicht gesehen.«

      Tom und Charlotte umarmten sich abermals. Voller Inbrunst, wie Rosa feststellen musste.

      »Schnitt!« Als Hank endlich zustimmend nickte, fingen Tom und Charlotte unisono an zu lachen. Dann legte Tom den Arm um Charlottes Schulter und zog sie grinsend an sich. Das stand aber nicht im Drehbuch, dachte Rosa irritiert.

      Sie hatte die Aufnahmen bisher aus einiger Entfernung beobachtet. Nun trat sie auf Einladung des Regisseurs hinter den Kontrollmonitor und war jetzt hautnah dabei. Die Kamera war direkt auf Toms Gesicht gerichtet. Rosa schaute gespannt auf die Großaufnahme. Der Regisseur rief wieder: »Und Action!«

       Victor erzählt von den unerträglichen seelischen Qualen, die er während seiner Trennung von Claire durchlebt hat. Von seinen Gewissensbissen, weil er sie getäuscht hat. Von seinem Ringen um eine Entscheidung.

      In Toms Gesicht spiegelte sich ein unglaublicher Schmerz wieder. Seine Stirn war plötzlich zerfurcht, seine Augen, jetzt dunkel überschattet von seinen zusammengezogenen Augenbrauen, waren von Leid verschleiert. Um seine Mundwinkel zuckte es. Er sprach stockend und mit leiser Stimme, so als versage sie gleich ihren Dienst.

      Rosa musste mit den Tränen kämpfen und schluckte heftig. Es war furchtbar quälend, ihm zuzuschauen und zu leiden, ja, MIT IHM zu leiden.

       Dann bittet Victor Claire um Verzeihung.

      Mit unendlich weicher, bittender Stimme setzte Tom an: »Ich habe dich nur getäuscht, weil ich dachte, dich schützen zu müssen. Es tut mir schrecklich leid, dass ich dir diesen Schmerz zugefügt habe. Bitte verzeih mir, dass ich dir das angetan habe! Ich weiß jetzt, dass ich meine Gefühle nicht länger verleugnen kann. Wir gehören zusammen und wir bleiben zusammen. Ich werde dafür sorgen, dass dir kein Leid geschieht.«

      Rosa war beeindruckt. Der Monolog wurde von Toms ausdrucksstarker Mimik und dem Ton seiner melodischen Stimme getragen. Das war genau die Melodramatik, die sie hatte ausdrücken wollen. In ihren Büchern konnte sie das nur mit Worten tun. Hier aber waren Worte kaum nötig. Dank Tom Savage und seiner unglaublichen Intensität. Mit nur einer einzigen Aufnahme war die Einstellung wieder im Kasten. Er war wirklich gut!

      Es folgte Charlottes großer Augenblick.

       Claire klärt Victor darüber auf, dass sie keine Adoptivgeschwister sind. Sie hat inzwischen entdeckt, dass es keine Papiere über ihre, Claires, angebliche Adoption gibt. Dass sie als Baby einer sehr entfernten Verwandten des Vaters kurz nach deren Tod einfach in der Familie aufgenommen worden war, ohne die Behörden zu informieren.

      Charlotte schien die Szene richtig auszukosten. Sie machte eine lange, bedeutungsvolle Pause, bevor sie schließlich triumphierend erklärte, dass ihre Gefühle füreinander nichts Anrüchiges oder gar Verbotenes an sich hätten. Sie dürften sich nicht nur mit aller Leidenschaft und Hingabe lieben, sie dürften unter den gegebenen Umständen sogar heiraten und eines Tages eine Familie gründen.

      Rosa war überrascht. Charlotte war wirklich sehr überzeugend. Wie sie die Worte LEIDENSCHAFT und HINGABE ausgesprochen hatte! Man hätte meinen können, sie wüsste in ihren jungen Jahren schon, worüber sie da sprach.

      Es fehlte noch die Schlusseinstellung mit dem unverzichtbaren Versöhnungskuss. Eine Kamera war jetzt auf die Körper beider Schauspieler gerichtet, eine zweite nur auf die Köpfe, eine dritte hing am Kamerakran und sollte die beiden aus der Vogelperspektive erfassen und dann langsam aufwärts gefahren werden. So entstand für den Zuschauer am Ende des Films der Eindruck, er erhebe sich über die Köpfe der beiden Protagonisten, sage ihnen ein letztes Lebewohl und entferne sich dann Richtung Himmel, um das Paar ihrem Schicksal zu überlassen. Voilà, das war Mut zum Kitsch!

      Rosa beobachtete wieder den Monitor, auf dem jetzt die Großaufnahme der Köpfe zu sehen war. Assistenten und Regisseur gaben ihre Kommandos. Tom und Charlotte näherten sich einander langsam, zaghaft, vorsichtig, als ob das, was sie jetzt im Begriff waren zu tun, einen Sturm der Empörung auslösen könnte. Dann beugte sich Tom entschlossen über Charlotte und küsste sie, zuerst behutsam, dann leidenschaftlich, genauso, wie Rosa es in ihrem Roman beschrieben hatte. Die Gefühle sahen sehr echt aus!

      Rosa spürte einen kleinen, spitzen Stich in der Brust. Bestimmt hätten Toms weibliche Fans jetzt einen wonnigen Kreischanfall bekommen. Sie liebten es sehr, ihn in ihrer Phantasie in eine romantische Geschichte mit seiner jeweiligen Filmpartnerin zu verstricken. Auch wenn es ihnen eigentlich von Herzen wehtat, ihren Schwarm zu verkuppeln: Mit jedem Film wurde ein neues Traumpaar geboren. Rosa wusste nicht, wie sie das finden sollte… Claire hätte vielleicht ÄTZEND gesagt? Hoffentlich musste diese Einstellung nicht auch noch wiederholt

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