Für immer Rosa. Claudia A. Wieland
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Tom schaute sie mit ernsten Augen an, sagte aber nichts. Er wandte sich wieder seinem Dessert zu, schien plötzlich ganz versunken in das Vermischen der Sahne mit der Mousse au Chocolat. Vorbei war die Alberei mit Charlotte, wie weggeblasen der fröhliche, jungenhafte Ausdruck in seinem Gesicht. Rosa schluckte betreten. Ihr Trotz hatte sich sofort wieder verflüchtigt. Wenn sie die Ursache für Toms Stimmungswandel war, dann tat es ihr von Herzen leid.
Es war spät geworden und man beendete das Essen. Rosa, die noch einen längeren Weg auf der dunklen Küstenstraße vor sich hatte, stand als erste auf und verabschiedete sich mit ein paar allgemeinen Worten in die Runde. Dann schüttelte sie Hank, der sich ebenfalls erhoben hatte, die Hand und wandte sich zum Gehen. Sie durchquerte schnellen Schrittes den Saal und ging zum Eingangsportal.
Plötzlich war Tom neben ihr. Er musste über den Tisch gesprungen und durch den Saal geflogen sein. Mit ernstem Gesichtsausdruck reichte er ihr die Hand. »Es war eine sehr schöne Fahrt hierher. Ich hoffe, dass Sie morgen wiederkommen. Ich möchte noch so viel von Ihnen erfahren. Gute Nacht, Rosa!«
Nicht nur seine Worte, sondern auch die Festigkeit seines Händedrucks gaben ihr Zuversicht. »Gute Nacht, Tom!« Sie lächelte ihn noch einmal an. Dann drehte sie sich um und verließ das Hotel.
Rosa war verwirrt. Jetzt musste sie erst einmal ihre Gefühlswelt sortieren.
2. Kapitel
Rosa hatte beschlossen, am Nachmittag wieder an den Strand von SAINT-JEAN-DU-DOIGT zu fahren, an dem laut Plan den ganzen Tag Dreharbeiten stattfinden sollten. Es zog sie unwiderstehlich dorthin.
Die Sonne schien und ein leichter Wind wehte, der die Wipfel der Pinien in dem kleinen Hain, der weiter östlich zu sehen war, vergnüglich tanzen ließ. Im Hintergrund hörte man ganz leise die Brandung des Meeres, das sich immer weiter und weiter zurückzog.
Die Filmleute arbeiteten an einer neuen Szene:
Victor täuscht seinen Ertrinkungstod vor. Er hinterlässt seine Kleider sorgfältig gefaltet am Strand, läuft ins Meer hinein, schwimmt ein Stück hinaus, durchquert dann die Bucht in östlicher Richtung und klettert über die Felsen an Land. Im Pinienhain zieht er sich die von ihm vorher dort versteckte Ersatzkleidung an und schleicht sich davon.
Tom spielte den ersten Part. Er zog sich bis auf eine Badehose aus, faltete seine Kleidung und legte sie auf den Sand. Einen Augenblick stand er einfach so da, wie erstarrt, und schaute nachdenklich auf das Meer hinaus. In seinen Augen lag Wehmut. Doch plötzlich schien er sich endgültig entschieden zu haben, die Vergangenheit für immer hinter sich zu lassen. Mit einem Ruck löste er sich aus seiner Bewegungslosigkeit und lief Richtung Meer, hinein in das Wasser, bis es ihm über die Hüften reichte. Er deutete einen Kopfsprung an. Schnitt. Das war es für Tom.
Seine Assistentin Kate, eine ziemlich gutaussehende Blondine Mitte Dreißig, mit langer, wehender Mähne und bernsteinfarbenen Katzenaugen, eilte ihm gleich nach Beendigung der Aufnahme barfuss bis ins Wasser entgegen und legte ihm, überaus reizvoll lächelnd, eine warme Decke um die Schultern. Das war schließlich ihr Job, dachte Rosa unsicher.
Tom kam direkt auf Rosa zu und sagte: »Warten Sie bitte einen Augenblick? Ich bin gleich wieder hier. Ich muss erstmal das nasse Zeug loswerden. Im Wasser ist es höllisch kalt.« Dann verschwand er in seinem Trailer. Rosa ahnte, dass er jetzt den Drehort verlassen konnte. Seine Arbeit war für heute getan. Den zweiten Part der Szene, das Schwimmen und den ganzen Rest, übernahm Toms Double, der wegen des eiskalten Wassers einen Neoprenanzug trug.
Nach nur wenigen Minuten tauchte Tom wieder auf und war sofort bei ihr. »Was wollen wir mit dem angebrochenen Tag machen?«, fragte er erwartungsvoll, wobei er seine Augenbrauen hochzog und seine Augen weit öffnete. »Ich meine, falls Sie mir überhaupt etwas zeigen möchten?«
Rosa zögerte nicht den Bruchteil einer Sekunde, um mit ihrem Vorschlag herauszurücken. »Also, wenn Sie jetzt nicht gerade eine heiße Dusche brauchen, dann würde ich Ihnen gerne etwas ganz Besonderes zeigen. Etwas sehr Mystisches, Geheimnisvolles. Und Sie kriegen garantiert wieder eine Gänsehaut. Ich verspreche es.«
»Na dann vergessen Sie mal die Dusche! Lassen Sie uns fahren!«
XXX
Sie standen vor einem langgezogenen Bauwerk aus Bruchgestein, das sich hoch oben auf einem Hügel befand. Tom schaute Rosa fragend an. Sie entfernte sich ein paar Schritte von ihm, drehte sich dann um, breitete theatralisch die Arme aus und begann laut zu deklamieren:
»Dies ist der Cairn von Barnenez. Er wurde zwischen 4000 und 5000 vor Christus erbaut. Damit ist er ungefähr 2000 Jahre älter als die ägyptischen Pyramiden.« Sie machte eine bedeutungsvolle Pause. »Der Cairn ist ein Tumulus, ein von Menschenhand errichteter Grabhügel aus Steinen, in dem sich insgesamt elf Grabkammern befinden.«
Der Wind wehte auf dieser Anhöhe so stark, dass Rosas Stimme fast im Wind verhallte. Tom kam näher und machte mit einem Finger eine kreisende Bewegung an seinem Ohr, um ihr anzuzeigen, dass er sie kaum hören konnte. Rosa musste gegen den Wind ankämpfen und sprach jetzt noch lauter, ja sie schrie fast.
»Der Cairn von Barnenez ist zweiundsiebzig Meter lang, bis zu fünfundzwanzig Meter breit und über acht Meter hoch. Man schätzt sein Gewicht auf 12000 bis 14000 Tonnen. Das entspricht in etwa dem Gewicht von 2400 bis 2800 ausgewachsenen, afrikanischen Elefantenbullen.« Wieder machte sie eine Pause, um die letzte Information gebührend sinken zu lassen. »Der Cairn gehört zu den ältesten megalithischen Bauwerken in Europa, vielleicht ist er sogar DAS älteste megalithische Bauwerk.«
Rosa beschrieb mit dem Arm einen Halbkreis: »Wir befinden uns hier auf dem höchsten Punkt der Halbinsel Kernéléhen. Dort unten, zu Füßen dieses Hügels, breitet sich die Bucht von Morlaix aus. Früher war dort einmal fruchtbares Land, bevor das Meer gierig von allem Besitz ergriff.«
Rosa winkte Tom zu sich heran und sie spazierten Seite an Seite hügelabwärts, an der Längsseite des Tumulus entlang, vorbei an den Öffnungen zu den Grabkammern, bis zu der dem Meer zugewandten Seite. Dort entfernte sich Rosa wieder von Tom und ging einige Schritte auf die Bucht zu. Sie blieb mit dem Rücken zu ihm gewandt stehen und schaute fasziniert auf das Meer und den breiten, orange-goldenen Streifen, den die Sonne, die sich langsam dem Wasser näherte, auf die Oberfläche malte.
»Ist es nicht ergreifend schön hier?«, sagte sie leise, mehr zu sich selber als zu Tom, der sie wegen des Windes sowieso nicht hätte hören können. Aber sie fühlte, dass er dicht hinter ihr stand. Sie spürte ihn, spürte seine Aura, die unaufhörlich, wie mit tausend wehenden Armen, nach ihr zu greifen schien. Sie hielt den Atem an, um jedes Wort, jede seiner Bewegungen wahrzunehmen. Alle ihre Sinne waren geschärft.
Dann fühlte sie seine Hand auf ihrer Schulter, diesen sanften Druck, als wolle er sie festhalten, damit sie sich nicht wieder von ihm entfernte. Sie erzitterte unter der Berührung, drehte sich zu ihm herum und … stutzte. Er stand gar nicht da. Sie hätte gar keine Berührung spüren dürfen. Tom war mindestens fünf Meter von ihr entfernt und hatte seinen versonnenen Blick auf ihre Gestalt gerichtet, schaute aber wie durch sie hindurch, vielleicht auf den sich hinter ihr ankündigenden Sonnenuntergang. War es seine Energie, die ihre Schultern gestreift hatte? Nein, die Ausstrahlung eines anderen Menschen körperlich zu spüren, wenn man dicht bei ihm stand, war EINE Sache. Auch darüber konnte man sich natürlich streiten. Aber auf diese Entfernung etwas wahrzunehmen?