Die lichten Reiche. Smila Spielmann

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Die lichten Reiche - Smila Spielmann

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würden. Der Gedanke, an den Ort zurückzukehren, an dem ihre Liebsten gestorben waren, war Crystal unerträglich erschienen.

      Es hatte Tage gedauert Joy zu erklären, was passiert war; dass ihre Mutter und ihr Vater nicht wiederkommen würden, dass sie jetzt bei Lucis waren – bei Sonne, Mond und Sternen und allem was licht und gut war. Joy weinte bis sie keine Tränen mehr hatte und verkündete, dass sie ihre Eltern viel dringender brauchte als Lucis. Crystal konnte ihr die Blasphemie nicht verdenken. Der Tod war für sie nicht zu verstehen, wie konnte sie da erwarten, dass ihn ein Kind verstand. Crystal spürte den sanften Druck von Joys Hand und erinnerte sich daran, dass alle versammelt standen und darauf warteten, dass sie sprach. „Ihr habt euch während meiner Abwesenheit gut um die Burg gekümmert und dafür danke ich euch. Wir alle haben einen schweren Verlust erlitten, doch wir müssen weitermachen so gut wir eben können.“ Crystal merkte, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen und sie verfluchte sich im Stillen. Es war wirklich ihre Aufgabe, mit gutem Beispiel voranzugehen. Also nahm sie sich zusammen und richtete ihren Blick auf die Versammelten. „Ich würde mir wünschen, dass das Lachen und das Glück bald wieder auf der Burg Einzug halten und bin mir sicher, dass ich mit eurer Unterstützung rechnen kann.“ Marthe nickte entschlossen und die Übrigen stimmten ihr zu. Das erste echte Lächeln seit dem Tod ihres Bruders und dessen Frau stahl sich auf Crystals Lippen. Sie war wieder zu Hause.

      Thorben führte sie zum Kopfende der Tafel und nahm neben ihr Platz. Wie üblich kletterte Joy auf ihren Schoß und versteckte ihren Kopf an Crystals Hals. Seit jener Nacht war sie furchtbar schüchtern geworden. An Crystals rechter Seite nahm Prudence Platz. Sie war nur ein paar Jahre älter als Crystal und war in die Dienste der Trenmains getreten, nachdem ihr eigenes Kind tot zu Welt gekommen war und Lady Lucias Milch nicht fließen wollte. Joy war inzwischen eigentlich zu alt für eine Amme, doch Prudence gehörte mittlerweile zur Familie und es wäre niemandem eingefallen sie wegzuschicken.

      „Joy“, flüsterte die junge Frau ihrem Zögling leise zu und Crystal konnte sehen, wie sich ihr Gesicht schmerzlich verzog, als diese sich weigerte eine Reaktion zu zeigen. Kurz fühlte sie sich versucht das Kind einfach zu nehmen und in die Arme ihrer Amme zu setzen, doch die Kleine brauchte wohl Zeit. „Ich habe gut auf deine Puppen Acht gegeben, während du weg warst“, erklärte sie dem Hinterkopf des Mädchens.

      Schließlich hob sich der dunkle Schopf und Joy sah ihre Amme interessiert an. „Ist Annabell noch krank?“, erkundigte sie sich so ernsthaft, als würde sie sich nach dem Wohlergehen eines echten Menschen erkundigen.

      „Es geht ihr bereits viel besser“, versicherte Prudence ebenso ernsthaft.

      Joy nickte, dann rutschte sie von Crystals Schoß. „Ich würde sie gerne sehen. Kommst du mit?“, fragte sie an ihre Amme gewandt. Prudence nickte glücklich und Hand in Hand verließen die Beiden die Halle. Crystal sah ihnen nachdenklich hinterher. In den letzten Tagen waren das Mädchen und sie keinen Augenblick getrennt gewesen und Crystal ahnte, dass sie die Schrecken jener Nacht ohne die kleine Joy nicht so gut überstanden hätte. Dadurch dass sie für jemanden verantwortlich war, der sich ganz und gar auf sie verließ, hatte sie ihren eigenen Schmerz unterdrücken müssen und hatte weitergemacht.

      „Es tut mir so leid, Crystal.“ Thorben sah sie ernsthaft an. Tiefer Kummer sprach aus seiner Stimme. Crystal nickte. Es war ja nicht seine Schuld, dass er zu spät gekommen war, doch er konnte sich einfach nicht verzeihen. Seit jener Nacht schienen ihn Schuldgefühle zu plagen. Sie griff nach seiner Hand und drückte sie leicht; dann wandte sie sich ab und ihre Blicke suchten den Magus Horten.

      Sie winkte ihn zu sich und wartete bis er Platz genommen hatte. „Wie geht es Euch, Magus?“

      Horten seufzte und strich sich mit müden Fingern über die graue Robe, die ihm bis auf die Knöchel fiel. „Die Knochen machen mir wieder zu schaffen. Nun ja, wir werden alle nicht jünger, mein Kind.“ Crystal unterdrückte ein Schmunzeln. Magus Horten hatte sich schon über seine Knochen beschwert, als sie noch ein kleines Mädchen gewesen war und er würde wohl nie damit aufhören, sie als Kind zu bezeichnen. Vielleicht fühlt er sich dadurch jünger. „Ich wollte nicht gleich bei deiner Ankunft damit herausplatzen, doch vor ein paar Tagen ist ein Talosreiter zur Burg gekommen. Wir haben ihm ein Zimmer gerichtet, denn er wollte auf dich warten“, erzählte der alte Mann.

      Crystal war nicht sonderlich überrascht. Vermutlich hatte der König gehört, was hier passiert war und der Talosreiter sollte ihr, der neuen Herrin Kornthals, nun die Wünsche seines Herrn übermitteln. „Schickt ihn zu mir“, nickte sie. Einen Talosreiter ließ man besser nicht warten.

      Kurze Zeit später betrat ein Mann die Halle, dessen wehender roter Umhang ihn für jedermann deutlich als den auswies, der er war: ein Bote seines Herrn. Er verneigte sich knapp vor Crystal, die ihrerseits aufgestanden war um den Mann zu begrüßen. „Möge das Licht Eure Wege erleuchten“, richtete sie den gebräuchlichen mittelländischen Gruß an ihn.

      „Mögen die Lichten ihre schützende Hand über Euch halten. Ich möchte Euch mein Beileid aussprechen, Lady Crystal.“

      Crystal nickte kurz. „Ich danke Euch.“

      „Es tut mir leid, wenn ich für neue Unruhe sorgen muss, doch mein Herr befiehlt Euch in den Palast.“ Trotz der höflichen Worte klang der Tonfall des Reiters nicht gerade freundlich, sondern eher streng, fand Crystal; als würden sie eine stumme Warnung enthalten, dass es nicht ratsam wäre gegen den Willen des Königs zu handeln.

      Crystal nickte und ignorierte Thorben, der hinter ihr nach Luft schnappte. Seine Reaktion bestätigte ihr, was sie selbst geahnt hatte: dass es ganz und gar ungewöhnlich war, dass irgendjemand in den Palast gebeten wurde. „Wann…“, begann sie und stockte dann. Der Gedanke die Burg schon wieder zu verlassen, war tatsächlich unangenehm, vor allem da sie dieses Mal Joy nicht würde mitnehmen können.

      „So bald als möglich“, erwiderte der Talosreiter, der ihre Zweifel nicht bemerkte oder nicht bemerken wollte.

      „Dann werde ich packen und mich von meiner Nichte verabschieden“, seufzte Crystal. Es hatte keinen Sinn das Unvermeidliche hinauszuzögern.

      Kapitel 2

      Der Schankraum war voller Menschen und dem Jungen, der gerade dabei war seine Zauberkunststücke zu zeigen, wurde eifrig Beifall gespendet. Dawn stand am hinteren Rand der Bühne und grinste. Wenn man sich hier von Corus’ Kunststücken beeindrucken ließ, dann bedeutete das wohl, dass hier nicht allzu viele Gaukler vorbeikamen – sie würden hier gutes Geld verdienen. Vielleicht konnte sie ihren Vater sogar dazu überreden ihr einen neuen Satz Messer zu kaufen. Das wäre wunderbar…

      „He Dawn, hast du deinen Kopf mal wieder zwischen den Wolken?“, riss die strenge Stimme ihres Vaters sie aus ihren Tagträumen. „Du bist dran.“

      Ärgerlich schüttelte sie den Kopf. Warum musste sie sich auch erwischen lassen, wenn sie sich wieder mal aus der Wirklichkeit fortträumte. Sie nahm sich zusammen, sprang auf die Bühne und verbeugte sich leicht. Ihre Nummer begann damit, dass sie Bälle jonglierte; eine Übung, die sie in ihrem vierten Jahr bereits bis zur Perfektion beherrscht hatte. Erst drei, dann vier und letztendlich fünf Bälle wirbelten durch die Luft. Sie machte ein angestrengtes Gesicht und tat zweimal so, als würden ihr die Bälle beinahe aus der Hand fallen. Das brachte die Menschen dazu genauer hinzusehen, hatte ihr Vater ihr erklärt. Anfangs hatte sie das nicht verstanden. Warum sollten die Menschen Missgeschicke sehen wollen? Doch mit der Zeit hatte sie begriffen, dass ihr Vater Recht hatte. Dawn beendete den ersten Teil ihres Auftrittes, indem sie die Bälle zu Boden fallen ließ und verbeugte sich hastig. Corus reichte ihr grinsend drei brennende Fackeln und Dawn konnte hören, wie es im Schankraum plötzlich still wurde. Langsam ließ sie ihren Blick

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