Schlampe, Opfer, Schwein.. Norma Rank
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Die Tage vor Beginn der Messe arbeitete unsere Abteilung mit den Monteuren aus dem Rückgebäude vor Ort Hand in Hand auf Hochtouren, um die Umsetzung der Entwürfe in Echtgröße zu betreuen und da zu helfen, wo Not am Mann war. Das bedeutete: viel kalter Kaffee aus Pappbechern und haufenweise labbrige Wurst- oder Käsesemmeln. Selbst mein nicht besonders verwöhnter Magen, der sich hauptsächlich mit Fast Food auseinanderzusetzen pflegte, wehrte sich nach der dritten Semmel gegen diese Art von Nahrung.
Ansonsten gab es Arbeit, Arbeit, Arbeit, wir nahmen Maß, klebten Folien und kletterten auf Leitern herum. Obwohl man von uns erwartete, rund um die Uhr zu ackern, muss ich sagen, dass wir durchaus unseren Spaß hatten. Die Atmosphäre war weit gelassener als in den Büroräumen, und die Abwechslung tat uns allen gut – wenngleich ich Christoph nach wie vor aus dem Weg ging.
Die verschiedenen Aufgabengebiete und die große Fläche des Events veranlassten uns dazu, mehrere Teams zu bilden. Mark hingegen, der die „Oberaufsicht“ hatte, teilte sich auf und unterstützte in jedem Bereich. Lächerlicherweise vermisste ich ihn, sobald er aus meinem Sichtfeld verschwand. Deshalb freute es mich umso mehr, dass er regelmäßig vorbeischaute. Bevor er wieder abzog, tippte Mark sich mit einem vielsagenden Blick unauffällig an die Brusttasche, die eine Schachtel Zigaretten nur mühsam verbarg, um mir zu signalisieren, dass es Zeit für eine Zigarettenpause war.
Wenn wir dann so paffend beieinander standen, machte er Bemerkungen wie: „Blöd, dass ich nicht in deinem Team bin!“ Oder: „Jetzt haben wir uns schon eine halbe Stunde nicht gesehen!“ Das zeigte mir, dass er meine Nähe nicht zufällig suchte, was mich natürlich freute. Zwar war es mittlerweile keine große Überraschung mehr, dass Mark sich aus irgendeinem Grund zu mir hingezogen fühlte, aber die Selbstverständlichkeit, mit der er damit umging, gefiel mir trotzdem.
Es war großartig, dabei zu sein und zu erleben, wie aus den Miniaturmodellen reale Bauten wurden, deren Optik und Anmutung sich von allem unterschied, was ich je gesehen hatte.
Außerdem lernte ich Marion etwas besser kennen, einen weiteren Charakter in diesem Buch, den ich gerne näher beschreiben möchte, da sie auf ihre ganz eigene Art Teil meiner Geschichte wurde. Marion war eine Kollegin, die (nach ihrer Ausbildung zur Bürokauffrau plus einem Jahr Weltreise) überlegte umzuschulen, und darum bei „K-Messe“ ein achtmonatiges Praktikum absolvierte.
Bisher hatten wir nicht viel miteinander zu tun gehabt. Sie war um die 20 und verhielt sich meist sehr still, sodass man ihre Anwesenheit kaum bemerkte. Kam sie einem entgegen, machten ihre Schritte kaum ein Geräusch. Sie schwebte durchs Leben, war extrem schlank und lehnte kosmetische Hilfsmittel gänzlich ab. Ihre natürliche Ausstrahlung umhüllte sie, und ihre Wirkung auf Männer schien ihr völlig gleichgültig zu sein. Ein Kurzhaarschnitt umrandete ihr Gesicht, das eher kantig, aber dennoch sehr ausdrucksstark war. Sie gehörte zu den Menschen, die einem nicht schon in der ersten Minute ihr ganzes Leben aufs Auge drücken – im Gegenteil: Man konnte von Erfolg sprechen, wenn man überhaupt eine Antwort bekam.
Mit Marion ein Schwätzchen zu halten, war demnach anspruchsvoll, aber nicht unmöglich. Und nach ein paar Anlaufschwierigkeiten taute sie auf. Vorsichtig versuchte ich, sie aus der Reserve zu locken, und wurde bald mit zusammenhängenden Sätzen belohnt. Nach einiger Zeit schon unterhielten wir uns angetan, was von der teilweise körperlich schweren Arbeit ablenkte. Wir verstanden uns binnen kurzer Zeit sogar so gut, dass wir uns vornahmen, uns bald mal privat zu treffen.
Am Samstag – einen Tag vor Beginn der Modemesse – hatten wir die Standabnahmen bereits hinter uns, und sowohl die Kunden als auch die Veranstalter waren voll des Lobes. So rechnete keiner mehr mit Änderungen oder einem Wochenendeinsatz.
Ich saß mit einer zu vernachlässigenden Bettgeschichte übermüdet in einem Frühstückscafé. Frank Sinatras „My Way“ hallte etwas zu laut aus den Lautsprechern, während ich unbefriedigt an meinem heißen Kakao schlürfte und darüber nachdachte, was Mark wohl in diesem Moment machte. Claudius – ein Esoteriker vor dem Herrn – vermochte zwar mit Hilfe des Tarots bahnbrechende Zukunftsprognosen abzugeben, aber einer Frau Genuss zu verschaffen gehörte definitiv nicht zu seinen Fähigkeiten. Glücklicherweise bemerkte er nicht, wie abwesend ich war.
„Zu essen?“ erkundigte sich eine dralle Blondine in reiferen Jahren, die mit Sicherheit auch schon mal bessere Zeiten erlebt hatte. Den ranzigen Geruch von abgestandenem Fett in der Nase, orderte ich unentschlossen ein Müsli mit frischen Früchten, während ich überlegte, was ich hier eigentlich wollte.
„Sonst nichts, Chérie?“ fragte Claudius nonchalant. Scheinbar erinnerten ihn die quietschenden Holzstühle an das gute alte Frankreich, das er gar nicht kannte. Mit fahlem Geschmack im Mund (ich sehnte mich nach meiner Zahnbürste, die leider unberührt in meinem Appartement lag) schüttelte ich nur unwirsch den Kopf. Er bestellte sich zwei Eier im Glas – ein durchaus witziger Aspekt – und Toast. Schweigend sah ich mich um. Die wenigen Gäste waren ausnahmslos Paare, turtelten miteinander und hielten Händchen. Als mein Blick auf Claudius fiel, konnte ich außer seinen Falten im Gesicht, die bestätigten, dass er viel zu alt für mich war, nichts erkennen. Oder doch: Seine tiefblauen Augen, die stets funkelten und mich in sein Bett gelockt hatten.
Um nur irgendetwas von mir zu geben, teilte ich ihm mit, was mir gerade durch den Kopf ging: „Dann habe ich wohl heute frei!“
Lüstern lächelte er mir zu. Die Worte standen noch im Raum, als mein Handy zu läuten begann. Um meinem Gegenüber (aus dessen Bett ich gerade kam) nicht unhöflich zu begegnen, versuchte ich, mir meine Freude darüber nicht anmerken zu lassen, dass Mark an der Leitung war.
Er hatte tatsächlich angerufen! Natürlich gab es einen jobbedingten Hintergrund, aber er hatte nicht die Nummer eines Kollegen gewählt, sondern meine! Dass auf der Praterinsel am Laufsteg noch ein Logo fehlte, war nebensächlich. Er brauchte meine Hilfe, und ich nahm das als Kompliment. Selbst der Umstand, dass man mich an meinem freien Tag zum Dienst beorderte, schmälerte meine Begeisterung nicht, und wir verabredeten uns in einer Stunde im Büro (Zahnbürste hin, Zahnbürste her).
Claudius sah mich fragend an, hatte er doch das breite Grinsen in meinem Gesicht sofort erkannt und richtig gedeutet, auch ohne seine Karten zu Rate zu ziehen. So suchte ich gar nicht weiter nach Erklärungen, sondern dankte ihm für die wunderbare Nacht, gab ihm widerwillig einen Kuss und stürmte, ohne etwas gegessen zu haben, aus dem Café.
Der Tag war warm und sonnig, ganz meiner Stimmung entsprechend, und die Reifen von meinem kleinen Fiat quietschten, so rasant fuhr ich durch die Stadt. Ich parkte nur wenige Meter vor der Firma, stieg beschwingt aus dem Auto und sperrte die Tür auf (in diesen Tagen hatte jeder der Mitarbeiter einen Schlüssel).
Da ich vor Mark ankam, war ich bereits dabei, die Pläne und Farbfächer einzusammeln, als er hereinkam. Auch ihm schien es nichts auszumachen, seinen freien Tag mit mir zu verbringen. Die Atmosphäre war allerdings wider Erwarten eine andere als gewöhnlich. Lag das daran, dass wir erstmalig ganz alleine waren, oder merkte man mir etwa an, wie ich die Nacht verbracht hatte?
Um Unsicherheiten zu überspielen, flachste ich albern herum, obwohl ich dabei peinlich genau darauf achtete, nicht zu überschwänglich zu wirken. Ich kam mir vor wie ein Teenager, bei dem es zum ersten Mal ans „Eingemachte“ ging.
Eine eigenartige Spannung lag in der Luft, die mich zwar nervös machte,