Tauziehen am Myrtenkranz. Wilma Burk

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Tauziehen am Myrtenkranz - Wilma Burk

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aufeinander zu und begrüßten sich laut. Man sah sich nur zu Hochzeiten oder Beerdigungen. Doch alle waren vergnügt. Die Männer in Anzügen, die sie über den Krieg gerettet hatten, während die Frauen modernisierte Kleider trugen, als wären es die teuersten und neuesten Modelle.

      Onkel Antons „Haushälterin“ hatte, wo sie ging oder stand, eine auffällige, kleine Handtasche bei sich. Sie erzählte jedem, der es hören wollte oder auch nicht, dass es eine „Echt Lederne“ sei. „So ein sündhaft teures Geschenk von Anton! Nein, ihr glaubt nicht, wie überrascht ich war“, beteuerte sie.

      Bemerkte sie es nicht oder übersah sie absichtlich, wie frostig die Familie darauf reagierte? Sobald sie den Frauen den Rücken zugewandt hatte, verschwand deren höfliches Lächeln. Nach einem fast neidischen Blick auf die am drallen Arm der Haushälterin baumelnden „Echt Ledernen“ tuschelten sie: „Kein Wunder bei den Geschäften, die der Anton macht! Das weiß man doch: Die einzigen Geschäfte, die heute gut gehen, sind Schwarzmarktgeschäfte. Und er ist gewissenlos genug dazu.“

      Onkel Anton war der Einzige unter den Gästen, dessen alter Smoking sich straff über seinen vollen Leib spannte. Alle anderen sahen aus, als hätten sie die viel zu weiten Anzüge größerer Brüder angezogen. Wenn Onkel Anton sich auf seinem Stuhl weit zurücklehnte, sein Bauch dabei gegen die Tischkante stieß, er seine Jacke öffnete und die Daumen unter die Hosenträger schob, dann schien er sich über die ganze Gesellschaft lustig zu machen.

      Ich glaube, in jener Zeit war bei einer Hochzeit das Brautpaar weniger wichtig als das, was auf die festlich gedeckte Tafel aufgetragen wurde. Traudel vergaß über ein leckeres Stück Torte sogar, Konrad anzuhimmeln. Dabei zählte sie jedes Stück Kuchen, das in Brunos unersättlichem Jungenmund verschwand.

      Kuchen und Sahne, das war nichts für Onkel Anton. Als aber der, durch seine Beziehung teuer erstandene Schweinebraten gegen Abend auf den Tisch kam, da langte er als Erster zu. Freude am Essen verratend, stieß er die Gabel in das Fleisch und stopfte sich Bissen um Bissen in den Mund. Er lobte laut Mamas Kochkünste, während auf seinem blanken, nur noch von einem dunklen Haarkranz umrahmten Kopf der Schweiß perlte.

      Tante Emmy dagegen saß steif auf ihrem Stuhl. Ihre schmalen Hände lagen ruhig auf dem Tisch und griffen beim Essen nur dann zu, wenn sie es für angebracht hielt. Ihr schwerer dunkler Haarknoten im Nacken schien ihren Kopf noch höher zu heben. Er war wie ein Gegengewicht zu all dem Wissen darin. Hinter ihren dicken Brillengläsern konnte man ihre Augen nur ahnen. Sie wirkte wie ein Haus ohne Fenster.

      Mama lief mit roten Wangen zwischen Küche und Tafel hin und her und trug auf, was sie an essbaren Schätzen hatte auftreiben können. Schweiß stand ihr auf der Stirn. Wegen der Rationalisierung von Gas und der Absperrzeiten von Strom hatte sie den alten Kachelherd geheizt. Die beiden Nachbarinnen, die ihr in der Küche halfen, stöhnten unter der Hitze, die er verbreitete. Ob Mama überhaupt etwas aß? Ich sah sie kaum einmal an der Tafel sitzen.

      Auch Papa saß selten. Er sorgte dafür, dass die Gläser der Gäste gefüllt waren. Nebenan, im zum Tanz ausgeräumten Schlafzimmer, stand ein kleines Fässchen Bier. Sogar ein paar Flaschen Wein konnte er anbieten. Mama hatte seit ein paar Wochen Likör selbst aufgesetzt, dem gern zugesprochen wurde. Das hob die Stimmung. Waren alle nach dem Kaffee noch höflich verhalten gewesen, so wurde die Unterhaltung nach der Abendtafel immer unbeschwerter.

      Das war ein Stimmengewirr und Gemurmel, ein Klappern mit Tellern und Gläsern. Doch schließlich war auch das letzte Geschirr abgeräumt und jeder lehnte sich satt und zufrieden zurück. Die Männer griffen zu den teuer erstandenen Zigaretten oder stopften sich die Pfeifen mit „Marke Eigenbau“. Während sie den grauen Qualm genüsslich in die Luft pafften, war auch das Zeitgeschehen im Gespräch wieder gegenwärtig.

      Onkel Anton neigte sich zu Papa, der endlich am Tisch saß. „Und ich sage dir, Heinrich, jetzt ist die Spaltung Berlins endgültig.“ Seine Worte unterstreichend klopfte er mit derber Hand dabei auf den Tisch, so dass die anderen neugierig aufsahen.

      „Wie soll das nur werden?“, rief einer ängstlich dazwischen. Es war ein Verwandter aus dem Ostsektor der Stadt.

      „Unmöglich“, versuchte Papa die Bedenken mit einer Handbewegung wegzuwischen, „So kann es nicht bleiben. Dafür werden die Amis sorgen.“

      „Da irrst du dich, Heinrich! Die Versorgung mit der Luftbrücke werden die Westmächte schaffen, aber die Teilung der Stadt können sie nicht verhindern. Das bleibt noch Jahre so“, widersprach Onkel Anton und seine Augen blitzten.

      Papa zog nachdenklich an seiner Pfeife und schwieg.

      Wir Jungen hatten uns bald aus dem Kreis der Debattierenden zurückgezogen ins Nebenzimmer zum Tanz. Ein Akkordeonspieler war zum Abend gekommen und spielte uns fleißig auf. Konrads Arm hielt mich fest umfangen und wir tanzten und tanzten. Alles um uns drehte sich, bis uns die Füße wund wurden.

      Wenn das Licht ausging, weil der Strom vom Werk wieder abgeschaltet wurde, so machte uns das nichts aus. Eilig waren die Wachskerzen aufgestellt und angezündet. Und in ihrem warmen flackernden Schein tanzten wir weiter. Wir fanden das sogar romantisch. Dabei merkten wir nicht, wie die Nacht verging.

      Als das erste Rot des beginnenden Morgens sich zeigte und das Licht des anbrechenden Tages durch das Fenster hereinkroch, fand es eine müde Hochzeitsgesellschaft vor. Die lange Tafel mit dem nun befleckten Tischtuch, den leeren Gläsern und der verstreuten Zigarettenasche, war stummer Zeuge eines gelungenen Festes. Da saßen sie alle in ihren zerdrückten Kleidern, sich mühsam munter haltend.

      Und ein Gespräch schleppte sich dahin.

      Mama hielt jetzt ihre Hände müßig im Schoß, sah noch einmal über die Tafel und sagte: „Müssen wir nicht dankbar sein, kurz nach dem Krieg und in dieser Zeit, eine Hochzeit so feiern zu können?“

      Traudel lag längst in Papas Stuhl mit der hohen Lehne und schlief. Der Kranz mit den verwelkten Blumen hing ihr tief in die Stirn.

      Ich hatte mir unter dem Tisch wieder die Schuhe von den schmerzenden Füßen gestreift. Kranz und Schleier waren von meinem Kopf verschwunden. Nun war ich also „Frau Katrina Haideck“. Ich war müde, hatte genug von der Feier und sehnte mich nur noch danach, mit Konrad allein zu sein.

      Aus dem Nebenzimmer drang dröhnendes Gelächter. Dort gaben die männlichen Verwandten Konrad bierselig die letzten Ratschläge hinsichtlich seines neuen Familienstandes.

      Ich zwängte meine Füße wieder in die Schuhe und ging zu ihm hinüber. Ein breites Grinsen lag auf seinem Gesicht, ehe er mich bemerkte. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich gehen wollte, und er nickte zustimmend.

      Unbemerkt schlüpfte ich in mein Zimmer, mein Jungmädchenzimmer, das ich nun für immer verließ. Ein bisschen wehmütig war mir zumute. Was hatte ich hier alles geträumt? Würden sich meine Träume erfüllen? Ich bemerkte, dass es eigentlich nicht mehr mein Zimmer war. Traudel zog jetzt hier ein. In dem Rahmen, der bisher ein Bild von Konrad enthielt, war bereits das Bild eines Schauspielers, den Traudel mit der ganzen Begeisterungsfähigkeit ihrer zwölf Jahre verehrte. Nun würde sie hier all die Träume träumen, genauso wie ich vor ihr.

      Mich fröstelte ein wenig, wenn ich diesen freundlichen hellen Raum mit dem dunklen Zimmer bei der Witwe Willinger verglich. Dort sollte nun mein Zuhause sein. Aber dort war Konrad und bei ihm wollte ich sein. Da war ja auch noch der kleine Schrebergarten mit der hölzernen Laube. Darauf freute ich mich. Zuerst wollten wir dort einen kurzen Hochzeitsurlaub verbringen.

      Noch gedankenverloren öffnete ich die enge Taille des Hochzeitskleides und wollte es gerade ausziehen, da ging die Tür auf, Konrad kam herein. Beklommen hielt ich

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