Tauziehen am Myrtenkranz. Wilma Burk

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Tauziehen am Myrtenkranz - Wilma Burk

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nicht begreifen. Wie können sich Mutter und Tochter so zerstreiten?“ Ich konnte mir nicht vorstellen, dass ich mich jemals so mit Mama zanken würde.

      „Bei euch ist das anders. Ihr seid ein richtiger Familienclan, da haben viele an eurem Tisch Platz. Bei uns war das nicht so. Mutter und Vater waren gern für sich. Sie pflegten auch nicht besonders Freundschaften. Mein Bruder und ich kannten das nicht anders und fühlten uns wohl dabei. Wir hatten unsere Schulfreunde, das genügte“, erklärte Konrad.

      Es ging immer unruhiger bei uns zu. Stoff für das Brautkleid musste beschafft werden, der Schleier, der Myrtenkranz. Wo bekam man das alles her? Onkel Anton war auch hier die Rettung. Durch seine Beziehungen zum Schwarzmarkt konnte er alles besorgen. Aber es kostete viel Geld. Das machte Papa nachdenklich.

      „Ist es wirklich richtig, in einer Zeit, wo alles knapp ist, so eine Hochzeitsfeier zu planen? Soll ich euch nicht lieber das Geld geben, damit ihr euch etwas für euern jungen Hausstand anschaffen könnt?“, fragte er eines Tages.

      Konrad wird ihm gleich beipflichten, befürchtete ich.

      Doch da war ja noch Mama. Sie protestierte sofort. „Und wenn die Zeiten noch schlechter wären, Heinrich, so müssten wir tun, was wir können, um Katrina diesen Tag so schön wie möglich zu machen. In der Regel heiratet man nur einmal im Leben. Hast du das vergessen?“

      „Schon gut, schon gut!“, wehrte er lachend ab. „Machen wir also das Beste daraus.“

      Sicher hatte Mama ihn an ihre eigene Hochzeit erinnert. Es gab ein ganzes Album voller Bilder davon. Es muss damals ein schönes Fest gewesen sein.

      Ich atmete auf. Die Feier war gerettet. Ich versuchte Papa noch zu beruhigen. Wir hätten doch beide Arbeit und mit dem jungen Hausstand würde sich das finden, erklärte ich ihm. Ich glaubte wirklich daran.

      Als Onkel Anton von Papas Bedenken hörte, lachte er schallend: „Das Wichtigste, was sie brauchen, ist ein Bett.“ Mir schoss wieder einmal die Röte ins Gesicht, was ihn noch heftiger lachen ließ, bis seine Haushälterin ihm mahnend in die Rippen stieß.

      Tante Emmy war schockiert, als sie erfuhr, dass wir unsere Ehe in Konrads möbliertem Zimmer bei der Witwe Willinger beginnen wollten. „Als Emil und ich geheiratet haben, war auch keine besonders gute Zeit. Doch mir wäre es nicht in den Sinn gekommen, ohne ein Mindestmaß an Aussteuer, ohne einen eigenen kleinen Hausstand zu heiraten. Die Liebe allein genügt nun einmal nicht. Kein Wunder, wenn Ehen heute so schnell zerbrechen. Klug wäre es, zu warten und später zu heiraten. Aber euch geht es ja nicht schnell genug.“

      Es war, als hätte sie vergessen, dass ihre Ehe zerbrochen war, trotz einer kleinen Wohnung und einer Aussteuer aus Bett- und Tischwäsche mit handgestickten Monogrammen, silbernen Bestecks, Rosenthalporzellan und sicher vielem mehr.

      „Lass man, Emmy!“, erklärte Mama daraufhin. „Die Kinder werden das bestimmt schaffen. Heute ist es eben so.“

      Emsig durchstöberte Mama seit einiger Zeit ihren Haushalt nach entbehrlichen Dingen. In meinem Zimmer wuchs eine Aussteuer, die bei einer angeschlagenen Suppenschüssel begann und bei einem geflickten Bettbezug aufhörte. Und ich fühlte mich reich damit.

      *

      Im Büro steckten meine Freundin Brigitte und ich jetzt tuschelnd die Köpfe zusammen. Fräulein Krause hatte häufig Grund, ungehalten zu fragen: „Was gibt's?“

      Monika und Waltraud, die Amiliebchen, wie wir sie nannten, blickten dabei zu uns herüber, als wären sie von Neid erfüllt? War bei all ihren prickelnden Erlebnissen eine Ehe auch für sie ihr sehnsüchtigster Wunsch? Ich hörte sie hinter meinem Rücken sagen: „Na, wenn man so überstürzt heiratet, da kann doch etwas nicht stimmen. Wir werden ja sehen!“ Und ich wusste, wie sie in der nächsten Zeit meinen Leib mit den Augen abtasten würden, nach der geringsten verfrühten Schwellung suchend, um triumphieren zu können: „Haben wir's nicht gesagt, sie musste heiraten, die Scheinheilige, die immer so brav tut.“

      Einmal besuchte ich mit Mama Konrad in seiner „möblierten Bude“, wie er sein Zimmer spöttisch nannte. Es war mitten in der Stadt, in einem richtigen alten Berliner Haus mit hohen Fenstern. Die Erker wurden von steinernen Figuren getragen, denen ein Arm, ein Bein oder eine Nase fehlte, Folgen des Bombenhagels und der Straßenkämpfe im Krieg. Es gab nur vereinzelt Balkons an der Stuck-Fassade mit dem bröckelnden Putz und den sicher einmal schönen Ornamenten. Wenn die Sonne auf die belebte Straße davor schien, so erreichte sie den Boden vor dem Haus nicht. Mit Getöse und rumpelnd fuhr eine Straßenbahn vorbei. Die schwere, geschnitzte Haustür quietschte, als wir sie öffneten und in die Kühle des hohen Treppenhauses eintraten. Blinder rissiger Marmor bedeckte die Wände und als Treppengeländer wand sich eine hölzerne Schlange zu den Etagen hoch.

      Konrad wirkte bedrückt, als er uns in die Wohnung einließ. Vielleicht wünschte er in diesem Augenblick, er könnte mir ein besseres neues Zuhause bieten, als dieses Zimmer in einer fremden Wohnung. Der Korridor war dunkel, in den wir eintraten. Die Luft darin schien so alt zu sein wie seine Tapeten und Portieren. Irgendwo in der Dämmerung steckte jemand neugierig seinen weißhaarigen Kopf aus einer Tür und rief uns einen schnellen Gruß zu, ehe er wieder verschwand. Das war die Witwe Willinger, Konrads Wirtin.

      „Es ist alles ein wenig unmodern hier“, versuchte Konrad, seine Umgebung zu entschuldigen. „Doch als ich aus der Gefangenschaft zurückkam, war ich froh gewesen, hier überhaupt eine Unterkunft zu finden. Mit meiner Wirtin kann man gut auskommen. Wenn wir uns erst eigene Möbel anschaffen, können wir die alten hinten in der Korridornische abstellen. Das hat sie vorgeschlagen.“ Wollte er mit seinem eifrigen Reden seine Verlegenheit verbergen? Endlos lang erschien mir der düstere Korridor bis zu seinem Zimmer.

      Doch als er die Tür dazu öffnete, atmete ich auf. Durch ein großes Erkerfenster sah ich auf einen sonnigen, verwilderten Park gegenüber der Straße. Dass die Gardinen alt und vergilbt waren, bemerkte ich kaum. Meine ganze Aufmerksamkeit galt einem Schaukelstuhl, der davor stand. „Noch nie habe ich in einem Schaukelstuhl gesessen“, rief ich, lief darauf zu und ließ mich hineinfallen.

      „Vorsicht!“, mahnte Konrad. „Man kann auch damit umfallen.“

      Ich lachte sorglos. „Gehört er auch deiner Wirtin?“

      „Nein, er gehörte meiner Mutter. Sie saß so gern darin.“ Zum ersten Mal sah ich Konrads Augen dunkel werden von Trauer erfüllt. „Ich fand ihn in der Laube, die mir noch geblieben ist. Warum sie ihn dort hingebracht hatte, werde ich nie erfahren. So ist er das Einzige, was ich noch von meinem Elternhaus besitze.“

      Mama stand derweil und schaute sich schweigend um. Ich sah, wie ihr Blick abschätzend alles aufnahm. Es war ihr anzusehen, dass ihr nicht besonders gefiel, was sie hier vorfand. Bedrückt erhob ich mich wieder aus dem Schaukelstuhl und suchte nach etwas, das mich noch begeistern könnte. Und mein Blick blieb wieder an den hohen Fenstern hängen.

      „Sieh mal, Mama!“, rief ich ihr aufmunternd zu. „Auf diesen breiten Fensterbrettern kann ich viele Blumentöpfe hinstellen. Dann wird alles gleich freundlicher aussehen, wenn sie blühen.“

      „Das Zimmer liegt nach Norden“, warf Konrad ein. „Die Sonne erreicht die Fenster nicht.“

      „Das ist schlecht für blühende Pflanzen“, erklärte Mama knapp.

      „Ach, das macht nichts, dann nehme ich eben Schattengewächse. Die sind auch schön.“ Nein, ich wollte alles so freundlich sehen, wie es irgend ging.

      Doch gelang mir das? Ich folgte Mamas Blick. In einer Ecke ragte

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