Tauziehen am Myrtenkranz. Wilma Burk

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Tauziehen am Myrtenkranz - Wilma Burk

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mich viel mehr. Oh, Konrad, ich liebe dich! Nichts sonst erfüllte mich.

      „Weißt du, dass du schön bist“, sagte er und reichte mir die Rosen.

      Er sagte es so, dass ich es glauben musste. Mochten die andern auch geteilter Meinung sein, für ihn war ich schön.

      Hinter der Tür in der Diele wurde es unruhig und holte uns in die Gegenwart zurück.

      Gäste, die zu uns gekommen waren, brachen auf und fuhren mit bestellten Taxis zur Kirche. Es wurde auch Zeit für uns. Jetzt sah ich doch, dass die Revers an Konrads geliehenem Smoking schon ziemlich blank waren, dass seine Fliege schief saß. Es war nicht zu übersehen, wie fremd und unbequem er sich in diesem Aufzug fühlte. Ich war glücklich, dass er dies mir zuliebe auf sich nahm.

      Für mich war es nicht einfach, mit dem ungewohnt langen Kleid an Konrads Arm die enge Treppe hinunterzugehen. Vor der Haustür drängten sich Kinder, Nachbarn und Neugierige. Sie reckten die Köpfe und hielten Ausschau nach uns. Mit Ah und Oh wurden wir empfangen. Konrad hielt mich fest, damit ich vor Aufregung nicht stolperte. So schwebte ich mehr als dass ich ging durch das Spalier der Neugierde und Bewunderung zur Kutsche, die vor dem Haus auf uns wartete. Es war eine weiße, hohe und geschlossene Hochzeitskutsche mit zwei Schimmeln davor, die ungeduldig schnaubten. So eine Kutsche konnte man bei einem Fuhrunternehmen im alten Rixdorf in Neukölln seit einiger Zeit bestellen - wenn man Glück hatte. Ohne Onkel Anton hätten wir auch das sicherlich nicht geschafft, aber er machte es möglich - ich weiß nicht wie! Ohne Onkel Anton hätte wohl diese ganze Hochzeitsfeier nicht stattfinden können.

      Konrad ließ sich aufseufzend in die alten, leicht abgeschabten Polster der Kutsche fallen. Er war froh, den neugierigen Blicken entronnen zu sein. Von der Sonne aufgeheizt, war es stickig in der geschlossenen Kutsche. Konrad wedelte sich ein wenig Kühlung mit seinem Zylinder zu - mit dem Zylinder, der beinahe einen Familienkrach ausgelöst hätte. Erst nach langem Überreden hatte er sich dem allgemeinen Wunsche der Familie gebeugt und bereit erklärt, einen Zylinder zu tragen. Doch was er heute der Familie mit pfiffigem Gesicht präsentierte, war ein geliehenes Exemplar, das wenigstens zwei Nummern zu klein war. „Es war unmöglich, etwas anderes aufzutreiben“, versicherte er treuherzig. So trug er, dem Wunsche der Familie entsprechend, einen Zylinder, aber nur in der Hand.

      Mit ihren Hufeisen auf dem Asphalt der Straße klappernd trabten die Pferde mit unserer Kutsche zur Kirche. Auf dem Bock saß ein jüngerer Mann, der in dem für ihn viel zu weiten grauen Frack fast verschwand. Auf dem Kopf trug er einen grauen Zylinder, der ihm aber passte. Konrad grinste, als er ihn sah. Sicher stammten die Sachen aus einem Bühnenverleih, der den Krieg überstanden hatte. Vielleicht war der junge Mann arbeitslos und verdiente sich etwas Geld nebenbei mit diesen Fahrten. Jedenfalls verstand er es, höflich die Tür für uns aufzuhalten und mit den Pferden umzugehen. Links und rechts der Straße unterbrachen die Menschen ihre Geschäftigkeit - so eine Kutsche erregte Aufsehen -, sie blieben stehen und versuchten mit fröhlichen Gesichtern durch die Scheiben zu uns hereinzuschauen. „Alles Gute!“, rief uns so manch einer laut nach. Ich begann vor Aufregung in der Wärme zu schwitzen und befürchtete, dass meine Locken unter dem Schleier sich auflösen könnten. Konrad sah von der Seite her zu mir. Amüsierte er sich über mich? Behutsam nahm er meine Hand und sein warmer Händedruck sagte mir, dass er mich beruhigen wollte. Es gab keinen Grund, aufgeregt zu sein. Er war ja bei mir. An ihm konnte ich mich festhalten.

      Kurz bevor wir die Kirche erreicht hatten, setzte das Glockengeläut ein. Mein Herz schlug bis zum Hals. Welch ein tiefes Gefühl von Feierlichkeit überkam mich. Fast drohte es mir Tränen in die Augen zu treiben. Das fehlte noch, vor Rührseligkeit zu heulen. Dann würde Konrad lachen, vermutete ich und unterdrückte sie mit Erfolg.

      Die Kutsche hielt. Wieder öffnete uns der Kutscher höflich die Tür und war mir behilflich, all den Stoff des Kleides und den Schleier heil durch die enge Tür der Kutsche herauszubekommen. Jetzt dröhnten die Glocken über uns, man konnte kein Wort mehr verstehen. Wieder gingen wir durch ein Spalier. Diesmal waren es unsere Gäste mit Blumen in den Händen.

      Vor uns stand der Kirchendiener mit einem einstudiert feierlichen Gesicht und hielt uns ein kleines silbernes Tablett entgegen. Ich zitterte vor Aufregung, als ich den schmalen Silberreif vom Finger der linken Hand zog und darauf legte. Wieder spürte ich den vertrauten beruhigenden Händedruck von Konrad. Beeindruckte ihn das alles wirklich so wenig, dass er so ruhig bleiben konnte?

      Um uns herum fluteten die Gäste in die Kirche hinein. Dieser oder jener nickte mir dabei im Vorübergehen ermutigend zu. Der Pfarrer in seinem langen schwarzen Talar kam gemessenen Schrittes auf uns zu. - War das nicht der Mann, der eben noch auf dem Fahrrad unsere Kutsche überholt hatte? - Dröhnendes Orgelspiel setzte ein. Ich ergriff Konrads Arm und hielt mich daran fest. Feierlich und langsam folgten wir dem schwarzen breiten Rücken des Pfarrers durch den Gang der Kirchenbänke dem Altar entgegen. Durch die hohen bunten Fenster neben dem Altar mit dem goldenen Kreuz, fielen ein paar Sonnenstrahlen in das sonst dämmerige Kirchenschiff unter der sich darüber mächtig wölbenden Decke. Das also war der Moment, der große Tag, von dem ich so oft erwartungsvoll geträumt hatte. Und neben mir ging Konrad, den ich über alles liebte, der nun zu mir gehören würde wie ich zu ihm.

      Drei Stufen, die mit einem schon abgetretenen Teppichläufer belegt waren, führten zu den beiden bekränzten Stühlen vor dem Altar hoch. Mein Kleid war ungewohnt lang. Bereits auf der ersten Stufe stand ich auf meinem Saum. O Schreck! Mit jeder Stufe stieg ich weiter in mein Kleid hinein und wurde immer kleiner neben Konrad. Er sah erstaunt zu mir. Da, auf der dritten Stufe hörte ich es Krachen. Geräuschvoll war der Stoffsaum meines Kleides geplatzt. Erschrocken darüber, fielen mir die Rosen aus der Hand. Blitzschnell bückte sich Konrad, hob sie auf und gab sie mir. Sichtlich belustigt schaute er mich dabei an. Wäre ich nicht sowieso schon rot vor Aufregung gewesen, jetzt spürte ich, wie mir das Blut in den Kopf schoss. Dabei wurde mir in diesem Augenblick erneut bewusst, dass Konrad die ganze feierliche Zeremonie dieses Festes als unnützes Getue betrachtete, als einen großen Spaß, den er mir zuliebe mitmachte.

      Der Pfarrer predigte und predigte. Was sagte er? Ich weiß es nicht. Immer wieder holte er aus dem schwarzen Talar ein großes weißes Taschentuch, womit er sich die Nase wischte. Ob er erkältet war? - Komisch, was einem von solchen, doch feierlichen Momenten, in Erinnerung bleibt. - Hinter uns hörte ich ab und an ein Schniefen und Schnäuzen. Da flossen wohl Tränen der Rührung. Dann befiel mich noch die Angst, an der falschen Stelle mein Jawort zu sagen. Feierlich still war es, als wir die Ringe an die rechten Hände wechselten. Sogar Konrad war ernst. Auch er empfand wohl, was diese Stunde für uns bedeutete.

      Unter Glockengeläut verließen wir dem Pfarrer folgend die Kirche. Alle umringten uns und gratulierten, so mancher mit Tränen in den Augen. Als wir wieder in der Kutsche saßen, ergriff ich Konrads Hand und lehnte mich an ihn. Ich war glücklich.

      *

      Es gab noch eine kurze Rast bei einem Fotografen. „Bitte recht freundlich! - Die Rosen etwas höher zum Gesicht. - Rücken sie näher an ihre Braut, mein Herr, sie beißt nicht, haha! - Lächeln sie sich an. Achtung!“ - Das Bild war gemacht. In fünfzig Jahren, zu unserer goldenen Hochzeit, wird es eingerahmt und geschmückt Erinnerung daran sein, wie mit uns alles begann.

      Endlich waren wir zu Hause. Ich war doch froh, dass nun all dies Spannende und Aufregende der Zeremonie hinter uns lag. Im Wohnzimmer war eine lange Tafel gedeckt. Mama und Papa hatten einige Möbel und alles, was überflüssig war, aus dem Zimmer auf den Boden des Hauses geräumt, um dafür Platz zu schaffen. Als ich hier neben Konrad vor unseren umkränzten Tellern auf umkränzten Stühlen saß, stieß ich als Erstes meine drückenden Schuhe von den Füßen.

      Mama und Papa hatten all unsere Verwandten und Bekannten eingeladen, ob sie nun im Westen lebten oder im Osten. Auch aus Ost-Berlin und der Ostzone konnten sie ja trotz der Blockade noch zu uns kommen –nur für uns war der Weg

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